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Arnold, Johannes: Die Bittere Klage über den Erschlagenen in meinem Volck. Pirna, 1713.

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Die bittere Klage
ches Wesen geniessen soll zur Rechten GOttes ewiglich/ (Ps. XVI, 11.) Wo-
mit Cyprianus überein stimmt/ wenn er in seiner Exhort Martyr. schreibet:
Mors est transitus de labore ad refrigerium; Und Chrysostomus:
Mors est transmigratio a deterioribus ad meliora, non homo, sed ho-
minis miseria moritur.

Der Todt ist nichts/ denn nur ein Eingang in das Leben/
Da uns der HErr fürs Creutz viel Freud und Lust will geben.

Ey! wer wolte sich denn nicht täglich zu seinem Todte bereiten/ und mit Da-
vid seuffzen: HErr/ lehre uns bedencken/ daß wir sterben müssen/ auf daß
wir klug und selig werden/ (Ps. XC, 17.)

Laß mich bey Zeit mein Hauß bestellen/
Daß ich bereit sey für und für/
Und sage frisch in allen Fällen:
HErr/ wie du wilt/ so schicks mit mir!

Doch lasset uns bey dieser Bereitung zum Todte nicht alle Liebe unserer treu-
en und auffrichtigen Freunde in und nach ihrem Todte gäntzlich vergessen/
sondern eos decenter lugeamus, sie gebührender maßen beweinen/ beklagen
und betrauren/ sonderlich wann sie etwan durch einen plötzlichen/ schnellen
und gewaltsamen Todt von uns hinweg gerissen worden. David hat diese
Christen-Pflicht wohl gelernet/ deswegen hieß seine Trauer-Klage über den
verstorbenen Jonathan: Es ist mir leid um dich/ mein Bruder Jona-
than;
welche er nachgehends bey Verlust seines ungerathenen Sohnes
weit nachdrücklicher wiederholete: Ach! mein Sohn Absolon/ mein Sohn/
mein Sohn Absolon! wolte GOtt! ich müste für dich sterben. O Abso-
lon! mein Sohn/ mein Sohn! (2. Sam. XVIII, 33.)

Und dem lasset uns bey Absterben unserer lieben Freunde und Anverwand-
ten nachfolgen/ und sie gebührender Weise beweinen. Dahin gehet Sy-
rachs und Pauli Vermahnung: Mein Kind/ wenn dir einer stirbt/ so be-
weine ihn/ und beklage ihn/ als wäre dir groß Leid geschehen; Du solt bit-
terlich weinen/ und hertzlich betrübt seyn/ und Leide tragen/ darnach er gewest
ist/ (Syr XXXVIII, 16. 17.) Welchen Befehl alle fromme Christen Altes und
Neues Testamentes zu ihrer Zeit beobachtet/ und ihre selig-Verstorbene
schmertzlich beklaget und beweinet haben. Vom Cleandro ist bekannt/ daß
er bey seiner Liebsten Absterben einen gantzen Pocal voller Thränen auffge-
samlet/ und der Leiche auffgeopffert habe. (vid. Adam. Corn. Cop. P. I. p.
524.) Warum solten wir nicht diesem Exempel nachfolgen/ zumahl da wir
wissen/ daß es unsere nächsten Bluts-Freunde und Anverwandten/ unser

Ehe-

Die bittere Klage
ches Weſen genieſſen ſoll zur Rechten GOttes ewiglich/ (Pſ. XVI, 11.) Wo-
mit Cyprianus uͤberein ſtimmt/ wenn er in ſeiner Exhort Martyr. ſchreibet:
Mors eſt tranſitus de labore ad refrigerium; Und Chryſoſtomus:
Mors eſt transmigratio à deterioribus ad meliora, non homo, ſed ho-
minis miſeria moritur.

Der Todt iſt nichts/ denn nur ein Eingang in das Leben/
Da uns der HErr fuͤrs Creutz viel Freud und Luſt will geben.

Ey! wer wolte ſich denn nicht taͤglich zu ſeinem Todte bereiten/ und mit Da-
vid ſeuffzen: HErr/ lehre uns bedencken/ daß wir ſterben muͤſſen/ auf daß
wir klug und ſelig werden/ (Pſ. XC, 17.)

Laß mich bey Zeit mein Hauß beſtellen/
Daß ich bereit ſey fuͤr und fuͤr/
Und ſage friſch in allen Faͤllen:
HErr/ wie du wilt/ ſo ſchicks mit mir!

Doch laſſet uns bey dieſer Bereitung zum Todte nicht alle Liebe unſerer treu-
en und auffrichtigen Freunde in und nach ihrem Todte gaͤntzlich vergeſſen/
ſondern eos decenter lugeamus, ſie gebuͤhrender maßen beweinen/ beklagen
und betrauren/ ſonderlich wann ſie etwan durch einen ploͤtzlichen/ ſchnellen
und gewaltſamen Todt von uns hinweg geriſſen worden. David hat dieſe
Chriſten-Pflicht wohl gelernet/ deswegen hieß ſeine Trauer-Klage uͤber den
verſtorbenen Jonathan: Es iſt mir leid um dich/ mein Bruder Jona-
than;
welche er nachgehends bey Verluſt ſeines ungerathenen Sohnes
weit nachdruͤcklicher wiederholete: Ach! mein Sohn Abſolon/ mein Sohn/
mein Sohn Abſolon! wolte GOtt! ich muͤſte fuͤr dich ſterben. O Abſo-
lon! mein Sohn/ mein Sohn! (2. Sam. XVIII, 33.)

Und dem laſſet uns bey Abſterben unſerer lieben Freunde und Anverwand-
ten nachfolgen/ und ſie gebuͤhrender Weiſe beweinen. Dahin gehet Sy-
rachs und Pauli Vermahnung: Mein Kind/ wenn dir einer ſtirbt/ ſo be-
weine ihn/ und beklage ihn/ als waͤre dir groß Leid geſchehen; Du ſolt bit-
terlich weinen/ und hertzlich betruͤbt ſeyn/ und Leide tragen/ darnach er geweſt
iſt/ (Syr XXXVIII, 16. 17.) Welchen Befehl alle fromme Chriſten Altes und
Neues Teſtamentes zu ihrer Zeit beobachtet/ und ihre ſelig-Verſtorbene
ſchmertzlich beklaget und beweinet haben. Vom Cleandro iſt bekannt/ daß
er bey ſeiner Liebſten Abſterben einen gantzen Pocal voller Thraͤnen auffge-
ſamlet/ und der Leiche auffgeopffert habe. (vid. Adam. Corn. Cop. P. I. p.
524.) Warum ſolten wir nicht dieſem Exempel nachfolgen/ zumahl da wir
wiſſen/ daß es unſere naͤchſten Bluts-Freunde und Anverwandten/ unſer

Ehe-
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[36/0036] Die bittere Klage ches Weſen genieſſen ſoll zur Rechten GOttes ewiglich/ (Pſ. XVI, 11.) Wo- mit Cyprianus uͤberein ſtimmt/ wenn er in ſeiner Exhort Martyr. ſchreibet: Mors eſt tranſitus de labore ad refrigerium; Und Chryſoſtomus: Mors eſt transmigratio à deterioribus ad meliora, non homo, ſed ho- minis miſeria moritur. Der Todt iſt nichts/ denn nur ein Eingang in das Leben/ Da uns der HErr fuͤrs Creutz viel Freud und Luſt will geben. Ey! wer wolte ſich denn nicht taͤglich zu ſeinem Todte bereiten/ und mit Da- vid ſeuffzen: HErr/ lehre uns bedencken/ daß wir ſterben muͤſſen/ auf daß wir klug und ſelig werden/ (Pſ. XC, 17.) Laß mich bey Zeit mein Hauß beſtellen/ Daß ich bereit ſey fuͤr und fuͤr/ Und ſage friſch in allen Faͤllen: HErr/ wie du wilt/ ſo ſchicks mit mir! Doch laſſet uns bey dieſer Bereitung zum Todte nicht alle Liebe unſerer treu- en und auffrichtigen Freunde in und nach ihrem Todte gaͤntzlich vergeſſen/ ſondern eos decenter lugeamus, ſie gebuͤhrender maßen beweinen/ beklagen und betrauren/ ſonderlich wann ſie etwan durch einen ploͤtzlichen/ ſchnellen und gewaltſamen Todt von uns hinweg geriſſen worden. David hat dieſe Chriſten-Pflicht wohl gelernet/ deswegen hieß ſeine Trauer-Klage uͤber den verſtorbenen Jonathan: Es iſt mir leid um dich/ mein Bruder Jona- than; welche er nachgehends bey Verluſt ſeines ungerathenen Sohnes weit nachdruͤcklicher wiederholete: Ach! mein Sohn Abſolon/ mein Sohn/ mein Sohn Abſolon! wolte GOtt! ich muͤſte fuͤr dich ſterben. O Abſo- lon! mein Sohn/ mein Sohn! (2. Sam. XVIII, 33.) Und dem laſſet uns bey Abſterben unſerer lieben Freunde und Anverwand- ten nachfolgen/ und ſie gebuͤhrender Weiſe beweinen. Dahin gehet Sy- rachs und Pauli Vermahnung: Mein Kind/ wenn dir einer ſtirbt/ ſo be- weine ihn/ und beklage ihn/ als waͤre dir groß Leid geſchehen; Du ſolt bit- terlich weinen/ und hertzlich betruͤbt ſeyn/ und Leide tragen/ darnach er geweſt iſt/ (Syr XXXVIII, 16. 17.) Welchen Befehl alle fromme Chriſten Altes und Neues Teſtamentes zu ihrer Zeit beobachtet/ und ihre ſelig-Verſtorbene ſchmertzlich beklaget und beweinet haben. Vom Cleandro iſt bekannt/ daß er bey ſeiner Liebſten Abſterben einen gantzen Pocal voller Thraͤnen auffge- ſamlet/ und der Leiche auffgeopffert habe. (vid. Adam. Corn. Cop. P. I. p. 524.) Warum ſolten wir nicht dieſem Exempel nachfolgen/ zumahl da wir wiſſen/ daß es unſere naͤchſten Bluts-Freunde und Anverwandten/ unſer Ehe-

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Zitationshilfe: Arnold, Johannes: Die Bittere Klage über den Erschlagenen in meinem Volck. Pirna, 1713, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/392439/36>, abgerufen am 19.04.2024.