Spener, Philipp Jakob: Leichenpredigt auf den kurfürstlich-brandenburgischen Kammergerichtsadvokaten und Berliner Bürgermeister Martin Friedrich Elerdt (1644–1693). Frankfurt (Main), 1696.
<TEI> <text> <body> <div type="preface" n="1"> <p><pb facs="#f0002" n="154"/><lb/> Wo nicht raht ist/ das ist/ wo man unbedachtsam alles thut/ und<lb/> nicht/ wann man sich etwas vornimmet/ vorhin reifflich erweget/ ob<lb/> es auch rahtsam seye/ oder nicht? Was vor schaden oder nutzen dar-<lb/> aus entstehen koͤnne? ob man damit fortkommen oder außlangen/ o-<lb/> der es nicht ausfuͤhren koͤnne? und dergleichen/ sondern wie es einem<lb/> gerad in sinn kommet/ stracks zufaͤhret/ da ists mit einem menschen/<lb/> mit einer haußhaltung/ bald geschehen. Ja auch in dem Christen-<lb/> thum und in dem geistlichen ist die unbedachtsamkeit und eigensinn/ da<lb/> man nicht fleissig raht sucht in Gottes wort/ (wie der liebe David <hi rendition="#fr">die<lb/> zeugnuͤssen Gottes</hi>/ das ist sein wort und gesetz/ <hi rendition="#fr">seine rahts-leute</hi><lb/> nennet. Psal. 119/ 24.) so dann bey denen/ die solches worts und Goͤttli-<lb/> chen willens kundig sind/ eine ursach aller hindernuͤß/ ja daß man um<lb/> seine seligkeit kommen kan. Hier aber wird doch eigentlich geredet/ von<lb/> einem gemeinen wesen/ Reich/ Land oder Stadt : da heißt es nun/ <hi rendition="#fr">wo<lb/> nicht raht ist.</hi> Wo die Regenten entweder vor sich die jenige klugheit<lb/> nicht haben/ daraus sie ihnen selbst rathen koͤnnen/ oder es an denen man-<lb/> glet/ die ihnen rahten solten/ sie verstehens aber nit/ oder bedenckens nicht<lb/> alles also/ wie sie thun solten/ obs recht/ Gott gefaͤllig/ den gesetzen gemaͤß/<lb/> der gemeinen wolfahrt vortraͤglich/ muͤglich/ und dergleichen seye/ oder<lb/> nicht : sondern lassen sich ihre affecten regieren/ und gehen dumkuͤhn in<lb/> alle gefahr hinein/ so wol in friedens- als <choice><sic>kriegs-zeieen</sic><corr>kriegs-zeiten</corr></choice> : das heißt alsdann<lb/> es seye kein raht. Das Hebraͤische wort raht an diesem ort (dann das gemeine<lb/> wort ist ein anders) ist sehr bedencklich/ und heißt eigentlich die<lb/> jenige klugheit/ welche ein Schiffmann oder Steurmann haben muß :<lb/> Wo nun derselbe das ruder oder insgesamt die schifffahrt nicht verstehet/<lb/> oder in schwerem ungewitter andere see-verstaͤndige/ die er etwa bey sich<lb/> hat/ nicht zu raht zeucht<note xml:id="a12" n="12" type="editorial" next="#e12"/>/ oder da sie ihn warnen/ denselbigen nicht folget/<lb/> (wie dorten der jenige/ mit dem Paulus nach Jtalien uͤberfahren solte/<lb/> guten raht ausschluge/ Ap. gesch. 27/ 10. 21.) oder wann er nicht acht giebet/<lb/> sondern wil aller orten gerade zufahren/ da gehet das schiff leicht zu grun-<lb/> de/ zerstoͤsset sich an klippen/ oder kompt sonst zu ungluͤck : dasselbe aber/<lb/> sonderlich in dem sturmwetter/ wol zu regieren/ daß es erhalten werde/<lb/> gehoͤret raht oder klugheit darzu : Also auch das Schiff eines gemeinen<lb/> wesens fordert eine nicht geringere/ sondern noch groͤssere klugheit und<lb/> raht. Fehlets nun daran/ so heisset es/ <hi rendition="#fr">das volck gehet unter.</hi><lb/> Es nehmen nicht nur die Regenten selbst/ oder welche haben rahten<lb/> sollen/ davon schaden/ wo sie nicht recht rahten/ sondern weil sie<lb/> als das haupt den gantzen leib regieren solten/ da dieser folgen muß/<lb/><lb/> </p> </div> </body> </text> </TEI> [154/0002]
Wo nicht raht ist/ das ist/ wo man unbedachtsam alles thut/ und
nicht/ wann man sich etwas vornimmet/ vorhin reifflich erweget/ ob
es auch rahtsam seye/ oder nicht? Was vor schaden oder nutzen dar-
aus entstehen koͤnne? ob man damit fortkommen oder außlangen/ o-
der es nicht ausfuͤhren koͤnne? und dergleichen/ sondern wie es einem
gerad in sinn kommet/ stracks zufaͤhret/ da ists mit einem menschen/
mit einer haußhaltung/ bald geschehen. Ja auch in dem Christen-
thum und in dem geistlichen ist die unbedachtsamkeit und eigensinn/ da
man nicht fleissig raht sucht in Gottes wort/ (wie der liebe David die
zeugnuͤssen Gottes/ das ist sein wort und gesetz/ seine rahts-leute
nennet. Psal. 119/ 24.) so dann bey denen/ die solches worts und Goͤttli-
chen willens kundig sind/ eine ursach aller hindernuͤß/ ja daß man um
seine seligkeit kommen kan. Hier aber wird doch eigentlich geredet/ von
einem gemeinen wesen/ Reich/ Land oder Stadt : da heißt es nun/ wo
nicht raht ist. Wo die Regenten entweder vor sich die jenige klugheit
nicht haben/ daraus sie ihnen selbst rathen koͤnnen/ oder es an denen man-
glet/ die ihnen rahten solten/ sie verstehens aber nit/ oder bedenckens nicht
alles also/ wie sie thun solten/ obs recht/ Gott gefaͤllig/ den gesetzen gemaͤß/
der gemeinen wolfahrt vortraͤglich/ muͤglich/ und dergleichen seye/ oder
nicht : sondern lassen sich ihre affecten regieren/ und gehen dumkuͤhn in
alle gefahr hinein/ so wol in friedens- als kriegs-zeiten : das heißt alsdann
es seye kein raht. Das Hebraͤische wort raht an diesem ort (dann das gemeine
wort ist ein anders) ist sehr bedencklich/ und heißt eigentlich die
jenige klugheit/ welche ein Schiffmann oder Steurmann haben muß :
Wo nun derselbe das ruder oder insgesamt die schifffahrt nicht verstehet/
oder in schwerem ungewitter andere see-verstaͤndige/ die er etwa bey sich
hat/ nicht zu raht zeucht/ oder da sie ihn warnen/ denselbigen nicht folget/
(wie dorten der jenige/ mit dem Paulus nach Jtalien uͤberfahren solte/
guten raht ausschluge/ Ap. gesch. 27/ 10. 21.) oder wann er nicht acht giebet/
sondern wil aller orten gerade zufahren/ da gehet das schiff leicht zu grun-
de/ zerstoͤsset sich an klippen/ oder kompt sonst zu ungluͤck : dasselbe aber/
sonderlich in dem sturmwetter/ wol zu regieren/ daß es erhalten werde/
gehoͤret raht oder klugheit darzu : Also auch das Schiff eines gemeinen
wesens fordert eine nicht geringere/ sondern noch groͤssere klugheit und
raht. Fehlets nun daran/ so heisset es/ das volck gehet unter.
Es nehmen nicht nur die Regenten selbst/ oder welche haben rahten
sollen/ davon schaden/ wo sie nicht recht rahten/ sondern weil sie
als das haupt den gantzen leib regieren solten/ da dieser folgen muß/
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