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Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Nürnberg, 1835.

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Schwer aufseufzend und den Tod im Her-
zen, schickt' ich mich endlich an, mein Wort zu
lösen, und, wie ein Verbrecher vor seinen Rich-
tern, in dem Förstergarten zu erscheinen. Ich
stieg in der dunklen Laube ab, welche nach mir
benannt war, und wo sie mich auch diesmal
erwarten mußten. Die Mutter kam mir sorgen-
frei und freudig entgegen. Mina saß da, bleich
und schön, wie der erste Schnee, der manch-
mal im Herbste die letzten Blumen küßt, und
gleich in bitt'res Wasser zerfließen wird. Der
Forstmeister, ein geschriebenes Blatt in der Hand,
ging heftig auf und ab, und schien Vieles in
sich zu unterdrücken, was, mit fliegender Röthe
und Blässe wechselnd, sich auf seinem sonst un-
beweglichen Gesichte malte. Er kam auf mich
zu, als ich hereintrat, und verlangte mit oft
unterbrochenen Worten, mich allein zu sprechen.
Der Gang, auf den er mich, ihm zu folgen,
einlud, führte nach einem freien, besonnten Theile
des Gartens -- ich ließ mich stumm auf einen
Sitz nieder, und es erfolgte ein langes Schwei-
gen, das selbst die gute Mutter nicht zu un-
terbrechen wagte.

Schwer aufſeufzend und den Tod im Her-
zen, ſchickt’ ich mich endlich an, mein Wort zu
löſen, und, wie ein Verbrecher vor ſeinen Rich-
tern, in dem Förſtergarten zu erſcheinen. Ich
ſtieg in der dunklen Laube ab, welche nach mir
benannt war, und wo ſie mich auch diesmal
erwarten mußten. Die Mutter kam mir ſorgen-
frei und freudig entgegen. Mina ſaß da, bleich
und ſchön, wie der erſte Schnee, der manch-
mal im Herbſte die letzten Blumen küßt, und
gleich in bitt’res Waſſer zerfließen wird. Der
Forſtmeiſter, ein geſchriebenes Blatt in der Hand,
ging heftig auf und ab, und ſchien Vieles in
ſich zu unterdrücken, was, mit fliegender Röthe
und Bläſſe wechſelnd, ſich auf ſeinem ſonſt un-
beweglichen Geſichte malte. Er kam auf mich
zu, als ich hereintrat, und verlangte mit oft
unterbrochenen Worten, mich allein zu ſprechen.
Der Gang, auf den er mich, ihm zu folgen,
einlud, führte nach einem freien, beſonnten Theile
des Gartens — ich ließ mich ſtumm auf einen
Sitz nieder, und es erfolgte ein langes Schwei-
gen, das ſelbſt die gute Mutter nicht zu un-
terbrechen wagte.

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[74/0084] Schwer aufſeufzend und den Tod im Her- zen, ſchickt’ ich mich endlich an, mein Wort zu löſen, und, wie ein Verbrecher vor ſeinen Rich- tern, in dem Förſtergarten zu erſcheinen. Ich ſtieg in der dunklen Laube ab, welche nach mir benannt war, und wo ſie mich auch diesmal erwarten mußten. Die Mutter kam mir ſorgen- frei und freudig entgegen. Mina ſaß da, bleich und ſchön, wie der erſte Schnee, der manch- mal im Herbſte die letzten Blumen küßt, und gleich in bitt’res Waſſer zerfließen wird. Der Forſtmeiſter, ein geſchriebenes Blatt in der Hand, ging heftig auf und ab, und ſchien Vieles in ſich zu unterdrücken, was, mit fliegender Röthe und Bläſſe wechſelnd, ſich auf ſeinem ſonſt un- beweglichen Geſichte malte. Er kam auf mich zu, als ich hereintrat, und verlangte mit oft unterbrochenen Worten, mich allein zu ſprechen. Der Gang, auf den er mich, ihm zu folgen, einlud, führte nach einem freien, beſonnten Theile des Gartens — ich ließ mich ſtumm auf einen Sitz nieder, und es erfolgte ein langes Schwei- gen, das ſelbſt die gute Mutter nicht zu un- terbrechen wagte.

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Zitationshilfe: Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Nürnberg, 1835, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2755/84>, abgerufen am 29.03.2024.