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Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Nürnberg, 1835.

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kannten große Hoffnungen vor, und weinte wie-
der, wenn ich daran zu glauben vergebens ver-
sucht hatte. Ich hatte den Tag ausgerechnet, wo
ich den Furchtbaren wieder zu sehen erwartete;
denn er hatte gesagt, in Jahr und Tag, und
ich glaubte an sein Wort.

Die Eltern waren gute, ehrbare, alte Leu-
te, die ihr einziges Kind sehr liebten, das ganze
Verhältniß überraschte sie, als es schon bestand,
und sie wußten nicht, was sie dabei thun soll-
ten. Sie hatten früher nicht geträumt, der Graf
Peter
könne nur an ihr Kind denken, nun liebte
er sie gar und ward wieder geliebt. -- Die Mut-
ter war wohl eitel genug, an die Möglichkeit
einer Verbindung zu denken, und darauf hinzu-
arbeiten; der gesunde Menschenverstand des Al-
ten gab solchen überspannten Vorstellungen nicht
Raum. Beide waren überzeugt von der Rein-
heit meiner Liebe -- sie konnten nichts thun,
als für ihr Kind beten.

Es fällt mir ein Brief in die Hand, den ich
noch aus dieser Zeit von Mina habe. -- Ja, das
sind ihre Züge! Ich will Dir ihn abschreiben.

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kannten große Hoffnungen vor, und weinte wie-
der, wenn ich daran zu glauben vergebens ver-
ſucht hatte. Ich hatte den Tag ausgerechnet, wo
ich den Furchtbaren wieder zu ſehen erwartete;
denn er hatte geſagt, in Jahr und Tag, und
ich glaubte an ſein Wort.

Die Eltern waren gute, ehrbare, alte Leu-
te, die ihr einziges Kind ſehr liebten, das ganze
Verhältniß überraſchte ſie, als es ſchon beſtand,
und ſie wußten nicht, was ſie dabei thun ſoll-
ten. Sie hatten früher nicht geträumt, der Graf
Peter
könne nur an ihr Kind denken, nun liebte
er ſie gar und ward wieder geliebt. — Die Mut-
ter war wohl eitel genug, an die Möglichkeit
einer Verbindung zu denken, und darauf hinzu-
arbeiten; der geſunde Menſchenverſtand des Al-
ten gab ſolchen überſpannten Vorſtellungen nicht
Raum. Beide waren überzeugt von der Rein-
heit meiner Liebe — ſie konnten nichts thun,
als für ihr Kind beten.

Es fällt mir ein Brief in die Hand, den ich
noch aus dieſer Zeit von Mina habe. — Ja, das
ſind ihre Züge! Ich will Dir ihn abſchreiben.

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[65/0075] kannten große Hoffnungen vor, und weinte wie- der, wenn ich daran zu glauben vergebens ver- ſucht hatte. Ich hatte den Tag ausgerechnet, wo ich den Furchtbaren wieder zu ſehen erwartete; denn er hatte geſagt, in Jahr und Tag, und ich glaubte an ſein Wort. Die Eltern waren gute, ehrbare, alte Leu- te, die ihr einziges Kind ſehr liebten, das ganze Verhältniß überraſchte ſie, als es ſchon beſtand, und ſie wußten nicht, was ſie dabei thun ſoll- ten. Sie hatten früher nicht geträumt, der Graf Peter könne nur an ihr Kind denken, nun liebte er ſie gar und ward wieder geliebt. — Die Mut- ter war wohl eitel genug, an die Möglichkeit einer Verbindung zu denken, und darauf hinzu- arbeiten; der geſunde Menſchenverſtand des Al- ten gab ſolchen überſpannten Vorſtellungen nicht Raum. Beide waren überzeugt von der Rein- heit meiner Liebe — ſie konnten nichts thun, als für ihr Kind beten. Es fällt mir ein Brief in die Hand, den ich noch aus dieſer Zeit von Mina habe. — Ja, das ſind ihre Züge! Ich will Dir ihn abſchreiben. 5

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Zitationshilfe: Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Nürnberg, 1835, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2755/75>, abgerufen am 26.04.2024.