Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Nürnberg, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite

einer aus Laubwerk und Blumen erbauten Pforte
hinweg, dem Städtchen zu. -- Die Kanonen
wurden immer frischweg abgefeuert. -- Der Wa-
gen hielt vor meinem Hause; ich sprang behend'
in die Thür, die Menge theilend, die die Be-
gierde, mich zu sehen, herbeigerufen hatte. Der
Pöbel schrie Vivat unter meinem Fenster, und
ich ließ doppelte Dukaten daraus regnen. Am
Abend war die Stadt freiwillig erleuchtet. --

Und ich wußte immer noch nicht, was das
alles bedeuten sollte und für wen ich angesehen
wurde. Ich schickte Rascal'n auf Kundschaft
aus. Er ließ sich denn erzählen, wasmaßen man
bereits sichere Nachrichten gehabt, der gute Kö-
nig von Preußen reise unter dem Namen eines
Grafen durch das Land; wie mein Adjutant er-
kannt worden sey, und wie er sich und mich ver-
rathen habe; wie groß endlich die Freude ge-
wesen, da man die Gewißheit gehabt, mich im
Orte selbst zu besitzen. Nun sah man freilich
ein, da ich offenbar das strengste Incognito be-
obachten wolle, wie sehr man Unrecht gehabt,
den Schleier so zudringlich zu lüften. Ich hätte
aber so huldreich, so gnadenvoll gezürnt, --

4 *

einer aus Laubwerk und Blumen erbauten Pforte
hinweg, dem Städtchen zu. — Die Kanonen
wurden immer friſchweg abgefeuert. — Der Wa-
gen hielt vor meinem Hauſe; ich ſprang behend’
in die Thür, die Menge theilend, die die Be-
gierde, mich zu ſehen, herbeigerufen hatte. Der
Pöbel ſchrie Vivat unter meinem Fenſter, und
ich ließ doppelte Dukaten daraus regnen. Am
Abend war die Stadt freiwillig erleuchtet. —

Und ich wußte immer noch nicht, was das
alles bedeuten ſollte und für wen ich angeſehen
wurde. Ich ſchickte Rascal’n auf Kundſchaft
aus. Er ließ ſich denn erzählen, wasmaßen man
bereits ſichere Nachrichten gehabt, der gute Kö-
nig von Preußen reiſe unter dem Namen eines
Grafen durch das Land; wie mein Adjutant er-
kannt worden ſey, und wie er ſich und mich ver-
rathen habe; wie groß endlich die Freude ge-
weſen, da man die Gewißheit gehabt, mich im
Orte ſelbſt zu beſitzen. Nun ſah man freilich
ein, da ich offenbar das ſtrengſte Incognito be-
obachten wolle, wie ſehr man Unrecht gehabt,
den Schleier ſo zudringlich zu lüften. Ich hätte
aber ſo huldreich, ſo gnadenvoll gezürnt, —

4 *
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0067" n="57"/>
einer aus Laubwerk und Blumen erbauten Pforte<lb/>
hinweg, dem Städtchen zu. &#x2014; Die Kanonen<lb/>
wurden immer fri&#x017F;chweg abgefeuert. &#x2014; Der Wa-<lb/>
gen hielt vor meinem Hau&#x017F;e; ich &#x017F;prang behend&#x2019;<lb/>
in die Thür, die Menge theilend, die die Be-<lb/>
gierde, mich zu &#x017F;ehen, herbeigerufen hatte. Der<lb/>
Pöbel &#x017F;chrie Vivat unter meinem Fen&#x017F;ter, und<lb/>
ich ließ doppelte Dukaten daraus regnen. Am<lb/>
Abend war die Stadt freiwillig erleuchtet. &#x2014;</p><lb/>
        <p>Und ich wußte immer noch nicht, was das<lb/>
alles bedeuten &#x017F;ollte und für wen ich ange&#x017F;ehen<lb/>
wurde. Ich &#x017F;chickte <hi rendition="#g">Rascal&#x2019;n</hi> auf Kund&#x017F;chaft<lb/>
aus. Er ließ &#x017F;ich denn erzählen, wasmaßen man<lb/>
bereits &#x017F;ichere Nachrichten gehabt, der gute Kö-<lb/>
nig von Preußen rei&#x017F;e unter dem Namen eines<lb/>
Grafen durch das Land; wie mein Adjutant er-<lb/>
kannt worden &#x017F;ey, und wie er &#x017F;ich und mich ver-<lb/>
rathen habe; wie groß endlich die Freude ge-<lb/>
we&#x017F;en, da man die Gewißheit gehabt, mich im<lb/>
Orte &#x017F;elb&#x017F;t zu be&#x017F;itzen. Nun &#x017F;ah man freilich<lb/>
ein, da ich offenbar das &#x017F;treng&#x017F;te Incognito be-<lb/>
obachten wolle, wie &#x017F;ehr man Unrecht gehabt,<lb/>
den Schleier &#x017F;o zudringlich zu lüften. Ich hätte<lb/>
aber &#x017F;o huldreich, &#x017F;o gnadenvoll gezürnt, &#x2014;<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">4 *</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[57/0067] einer aus Laubwerk und Blumen erbauten Pforte hinweg, dem Städtchen zu. — Die Kanonen wurden immer friſchweg abgefeuert. — Der Wa- gen hielt vor meinem Hauſe; ich ſprang behend’ in die Thür, die Menge theilend, die die Be- gierde, mich zu ſehen, herbeigerufen hatte. Der Pöbel ſchrie Vivat unter meinem Fenſter, und ich ließ doppelte Dukaten daraus regnen. Am Abend war die Stadt freiwillig erleuchtet. — Und ich wußte immer noch nicht, was das alles bedeuten ſollte und für wen ich angeſehen wurde. Ich ſchickte Rascal’n auf Kundſchaft aus. Er ließ ſich denn erzählen, wasmaßen man bereits ſichere Nachrichten gehabt, der gute Kö- nig von Preußen reiſe unter dem Namen eines Grafen durch das Land; wie mein Adjutant er- kannt worden ſey, und wie er ſich und mich ver- rathen habe; wie groß endlich die Freude ge- weſen, da man die Gewißheit gehabt, mich im Orte ſelbſt zu beſitzen. Nun ſah man freilich ein, da ich offenbar das ſtrengſte Incognito be- obachten wolle, wie ſehr man Unrecht gehabt, den Schleier ſo zudringlich zu lüften. Ich hätte aber ſo huldreich, ſo gnadenvoll gezürnt, — 4 *

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2755
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2755/67
Zitationshilfe: Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Nürnberg, 1835, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2755/67>, abgerufen am 11.05.2024.