Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Nürnberg, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite
III.

Was hülfen Flügel dem in eisernen Ketten
fest Angeschmiedeten? Er müßte dennoch, und
schrecklicher, verzweifeln. Ich lag, wie Faffner
bei seinem Hort, fern von jedem menschlichen
Zuspruch, bei meinem Golde darbend, aber ich
hatte nicht das Herz nach ihm, sondern ich fluchte
ihm, um dessentwillen ich mich von allem Leben ab-
geschnitten sah. Bei mir allein mein düst'res Ge-
heimniß hegend, fürchtete ich mich vor dem letz-
ten meiner Knechte, den ich zugleich beneiden
mußte; denn er hatte einen Schatten, er durfte
sich sehen lassen in der Sonne. Ich vertrauerte
einsam in meinen Zimmern die Tag' und Nächte,
und Gram zehrte an meinem Herzen.

Noch Einer härmte sich unter meinen Augen
ab, mein treuer Bendel hörte nicht auf, sich mit
stillen Vorwürfen zu martern, daß er das Zu-
trauen seines gütigen Herrn betrogen, und Jenen
nicht erkannt, nach dem er ausgeschickt war, und

III.

Was hülfen Flügel dem in eiſernen Ketten
feſt Angeſchmiedeten? Er müßte dennoch, und
ſchrecklicher, verzweifeln. Ich lag, wie Faffner
bei ſeinem Hort, fern von jedem menſchlichen
Zuſpruch, bei meinem Golde darbend, aber ich
hatte nicht das Herz nach ihm, ſondern ich fluchte
ihm, um deſſentwillen ich mich von allem Leben ab-
geſchnitten ſah. Bei mir allein mein düſt’res Ge-
heimniß hegend, fürchtete ich mich vor dem letz-
ten meiner Knechte, den ich zugleich beneiden
mußte; denn er hatte einen Schatten, er durfte
ſich ſehen laſſen in der Sonne. Ich vertrauerte
einſam in meinen Zimmern die Tag’ und Nächte,
und Gram zehrte an meinem Herzen.

Noch Einer härmte ſich unter meinen Augen
ab, mein treuer Bendel hörte nicht auf, ſich mit
ſtillen Vorwürfen zu martern, daß er das Zu-
trauen ſeines gütigen Herrn betrogen, und Jenen
nicht erkannt, nach dem er ausgeſchickt war, und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0052" n="[44]"/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#b">III.</hi> </hi> </head><lb/>
        <p>Was hülfen Flügel dem in ei&#x017F;ernen Ketten<lb/>
fe&#x017F;t Ange&#x017F;chmiedeten? Er müßte dennoch, und<lb/>
&#x017F;chrecklicher, verzweifeln. Ich lag, wie Faffner<lb/>
bei &#x017F;einem Hort, fern von jedem men&#x017F;chlichen<lb/>
Zu&#x017F;pruch, bei meinem Golde darbend, aber ich<lb/>
hatte nicht das Herz nach ihm, &#x017F;ondern ich fluchte<lb/>
ihm, um de&#x017F;&#x017F;entwillen ich mich von allem Leben ab-<lb/>
ge&#x017F;chnitten &#x017F;ah. Bei mir allein mein dü&#x017F;t&#x2019;res Ge-<lb/>
heimniß hegend, fürchtete ich mich vor dem letz-<lb/>
ten meiner Knechte, den ich zugleich beneiden<lb/>
mußte; denn er hatte einen Schatten, er durfte<lb/>
&#x017F;ich &#x017F;ehen la&#x017F;&#x017F;en in der Sonne. Ich vertrauerte<lb/>
ein&#x017F;am in meinen Zimmern die Tag&#x2019; und Nächte,<lb/>
und Gram zehrte an meinem Herzen.</p><lb/>
        <p>Noch Einer härmte &#x017F;ich unter meinen Augen<lb/>
ab, mein treuer <hi rendition="#g">Bendel</hi> hörte nicht auf, &#x017F;ich mit<lb/>
&#x017F;tillen Vorwürfen zu martern, daß er das Zu-<lb/>
trauen &#x017F;eines gütigen Herrn betrogen, und Jenen<lb/>
nicht erkannt, nach dem er ausge&#x017F;chickt war, und<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[44]/0052] III. Was hülfen Flügel dem in eiſernen Ketten feſt Angeſchmiedeten? Er müßte dennoch, und ſchrecklicher, verzweifeln. Ich lag, wie Faffner bei ſeinem Hort, fern von jedem menſchlichen Zuſpruch, bei meinem Golde darbend, aber ich hatte nicht das Herz nach ihm, ſondern ich fluchte ihm, um deſſentwillen ich mich von allem Leben ab- geſchnitten ſah. Bei mir allein mein düſt’res Ge- heimniß hegend, fürchtete ich mich vor dem letz- ten meiner Knechte, den ich zugleich beneiden mußte; denn er hatte einen Schatten, er durfte ſich ſehen laſſen in der Sonne. Ich vertrauerte einſam in meinen Zimmern die Tag’ und Nächte, und Gram zehrte an meinem Herzen. Noch Einer härmte ſich unter meinen Augen ab, mein treuer Bendel hörte nicht auf, ſich mit ſtillen Vorwürfen zu martern, daß er das Zu- trauen ſeines gütigen Herrn betrogen, und Jenen nicht erkannt, nach dem er ausgeſchickt war, und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2755
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2755/52
Zitationshilfe: Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Nürnberg, 1835, S. [44]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2755/52>, abgerufen am 12.12.2024.