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Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Nürnberg, 1835.

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ich früher den Reichthum meinem Gewissen auf-
geopfert, hatte ich jetzt den Schatten für bloßes
Gold hingegeben; was konnte, was sollte auf
Erden aus mir werden!

Ich war noch sehr verstört, als der Wagen
vor meinem alten Wirthshause hielt; ich erschrak
über die Vorstellung, nur noch jenes schlechte
Dachzimmer zu betreten. Ich ließ mir meine
Sachen herabholen, empfing den ärmlichen Bün-
del mit Verachtung, warf einige Goldstücke hin,
und befahl, vor das vornehmste Hotel vorzufah-
ren. Das Haus war gegen Norden gelegen, ich
hatte die Sonne nicht zu fürchten. Ich schickte
den Kutscher mit Gold weg, ließ mir die besten
Zimmer vorn heraus anweisen, und verschloß
mich darin, so bald ich konnte.

Was denkest Du, das ich nun anfing? --
O mein lieber Chamisso, selbst vor Dir es zu
gestehen, macht mich erröthen. Ich zog den un-
glücklichen Seckel aus meiner Brust hervor, und
mit einer Art Wuth, die, wie eine flackernde
Feuersbrunst, sich in mir durch sich selbst mehrte,
zog ich Gold daraus, und Gold, und Gold, und
immer mehr Gold, und streute es auf den Estrich,

*

ich früher den Reichthum meinem Gewiſſen auf-
geopfert, hatte ich jetzt den Schatten für bloßes
Gold hingegeben; was konnte, was ſollte auf
Erden aus mir werden!

Ich war noch ſehr verſtört, als der Wagen
vor meinem alten Wirthshauſe hielt; ich erſchrak
über die Vorſtellung, nur noch jenes ſchlechte
Dachzimmer zu betreten. Ich ließ mir meine
Sachen herabholen, empfing den ärmlichen Bün-
del mit Verachtung, warf einige Goldſtücke hin,
und befahl, vor das vornehmſte Hotel vorzufah-
ren. Das Haus war gegen Norden gelegen, ich
hatte die Sonne nicht zu fürchten. Ich ſchickte
den Kutſcher mit Gold weg, ließ mir die beſten
Zimmer vorn heraus anweiſen, und verſchloß
mich darin, ſo bald ich konnte.

Was denkeſt Du, das ich nun anfing? —
O mein lieber Chamiſſo, ſelbſt vor Dir es zu
geſtehen, macht mich erröthen. Ich zog den un-
glücklichen Seckel aus meiner Bruſt hervor, und
mit einer Art Wuth, die, wie eine flackernde
Feuersbrunſt, ſich in mir durch ſich ſelbſt mehrte,
zog ich Gold daraus, und Gold, und Gold, und
immer mehr Gold, und ſtreute es auf den Eſtrich,

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[35/0043] ich früher den Reichthum meinem Gewiſſen auf- geopfert, hatte ich jetzt den Schatten für bloßes Gold hingegeben; was konnte, was ſollte auf Erden aus mir werden! Ich war noch ſehr verſtört, als der Wagen vor meinem alten Wirthshauſe hielt; ich erſchrak über die Vorſtellung, nur noch jenes ſchlechte Dachzimmer zu betreten. Ich ließ mir meine Sachen herabholen, empfing den ärmlichen Bün- del mit Verachtung, warf einige Goldſtücke hin, und befahl, vor das vornehmſte Hotel vorzufah- ren. Das Haus war gegen Norden gelegen, ich hatte die Sonne nicht zu fürchten. Ich ſchickte den Kutſcher mit Gold weg, ließ mir die beſten Zimmer vorn heraus anweiſen, und verſchloß mich darin, ſo bald ich konnte. Was denkeſt Du, das ich nun anfing? — O mein lieber Chamiſſo, ſelbſt vor Dir es zu geſtehen, macht mich erröthen. Ich zog den un- glücklichen Seckel aus meiner Bruſt hervor, und mit einer Art Wuth, die, wie eine flackernde Feuersbrunſt, ſich in mir durch ſich ſelbſt mehrte, zog ich Gold daraus, und Gold, und Gold, und immer mehr Gold, und ſtreute es auf den Eſtrich, *

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Zitationshilfe: Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Nürnberg, 1835, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2755/43>, abgerufen am 29.03.2024.