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Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Nürnberg, 1835.

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II.

Ich kam endlich wieder zu Sinnen, und eilte,
diesen Ort zu verlassen, wo ich hoffentlich nichts
mehr zu thun hatte. Ich füllte erst meine Ta-
schen mit Gold, dann band ich mir die Schnüre
des Beutels um den Hals fest, und verbarg ihn
selbst auf meiner Brust. Ich kam unbeachtet aus
dem Park, erreichte die Landstraße, und nahm
meinen Weg nach der Stadt. Wie ich in Ge-
danken dem Thore zu ging, hört' ich hinter mir
schreien: "Junger Herr! he! junger Herr! hö-
ren Sie doch!" -- Ich sah mich um, ein altes
Weib rief mir nach: "Sehe sich der Herr doch
vor, Sie haben Ihren Schatten verloren." --
"Danke, Mütterchen!" ich warf ihr ein Gold-
stück für den wohlgemeinten Rath hin, und trat
unter die Bäume.

Am Thore mußt' ich gleich wieder von der
Schildwacht hören: "Wo hat der Herr seinen
Schatten gelassen?" und gleich wieder darauf
von ein Paar Frauen: "Jesus Maria! der arme

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II.

Ich kam endlich wieder zu Sinnen, und eilte,
dieſen Ort zu verlaſſen, wo ich hoffentlich nichts
mehr zu thun hatte. Ich füllte erſt meine Ta-
ſchen mit Gold, dann band ich mir die Schnüre
des Beutels um den Hals feſt, und verbarg ihn
ſelbſt auf meiner Bruſt. Ich kam unbeachtet aus
dem Park, erreichte die Landſtraße, und nahm
meinen Weg nach der Stadt. Wie ich in Ge-
danken dem Thore zu ging, hört’ ich hinter mir
ſchreien: «Junger Herr! he! junger Herr! hö-
ren Sie doch!» — Ich ſah mich um, ein altes
Weib rief mir nach: «Sehe ſich der Herr doch
vor, Sie haben Ihren Schatten verloren.» —
«Danke, Mütterchen!» ich warf ihr ein Gold-
ſtück für den wohlgemeinten Rath hin, und trat
unter die Bäume.

Am Thore mußt’ ich gleich wieder von der
Schildwacht hören: «Wo hat der Herr ſeinen
Schatten gelaſſen?» und gleich wieder darauf
von ein Paar Frauen: «Jeſus Maria! der arme

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[[33]/0041] II. Ich kam endlich wieder zu Sinnen, und eilte, dieſen Ort zu verlaſſen, wo ich hoffentlich nichts mehr zu thun hatte. Ich füllte erſt meine Ta- ſchen mit Gold, dann band ich mir die Schnüre des Beutels um den Hals feſt, und verbarg ihn ſelbſt auf meiner Bruſt. Ich kam unbeachtet aus dem Park, erreichte die Landſtraße, und nahm meinen Weg nach der Stadt. Wie ich in Ge- danken dem Thore zu ging, hört’ ich hinter mir ſchreien: «Junger Herr! he! junger Herr! hö- ren Sie doch!» — Ich ſah mich um, ein altes Weib rief mir nach: «Sehe ſich der Herr doch vor, Sie haben Ihren Schatten verloren.» — «Danke, Mütterchen!» ich warf ihr ein Gold- ſtück für den wohlgemeinten Rath hin, und trat unter die Bäume. Am Thore mußt’ ich gleich wieder von der Schildwacht hören: «Wo hat der Herr ſeinen Schatten gelaſſen?» und gleich wieder darauf von ein Paar Frauen: «Jeſus Maria! der arme 3

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Zitationshilfe: Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Nürnberg, 1835, S. [33]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2755/41>, abgerufen am 20.04.2024.