Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Nürnberg, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite

Er nahm nach einem Augenblick des Schwei-
gens wieder das Wort: "Während der kurzen
Zeit, wo ich das Glück genoß, mich in ihrer
Nähe zu befinden, hab' ich, mein Herr, einige
Mal -- erlauben Sie, daß ich es Ihnen sage --
wirklich mit unaussprechlicher Bewunderung den
schönen, schönen Schatten betrachten können, den
Sie in der Sonne, und gleichsam mit einer ge-
wissen edlen Verachtung, ohne selbst darauf zu
merken, von sich werfen, den herrlichen Schatten
da zu Ihren Füssen. Verzeihen Sie mir die
freilich kühne Zumuthung. Sollten Sie sich wohl
nicht abgeneigt finden, mir diesen Ihren Schatten
zu überlassen."

Er schwieg, und mir ging's wie ein Mühl-
rad im Kopfe herum. Was sollt' ich aus dem
seltsamen Antrag machen, mir meinen Schatten
abzukaufen? Er muß verrückt sein, dacht' ich,
und mit verändertem Tone, der zu der Demuth
des seinigen besser paßte, erwiederte ich also:

"Ei, ei! guter Freund, habt Ihr denn nicht
an Eurem eignen Schatten genug? das heiß' ich
mir einen Handel von einer ganz absonderlichen

Er nahm nach einem Augenblick des Schwei-
gens wieder das Wort: «Während der kurzen
Zeit, wo ich das Glück genoß, mich in ihrer
Nähe zu befinden, hab’ ich, mein Herr, einige
Mal — erlauben Sie, daß ich es Ihnen ſage —
wirklich mit unausſprechlicher Bewunderung den
ſchönen, ſchönen Schatten betrachten können, den
Sie in der Sonne, und gleichſam mit einer ge-
wiſſen edlen Verachtung, ohne ſelbſt darauf zu
merken, von ſich werfen, den herrlichen Schatten
da zu Ihren Füſſen. Verzeihen Sie mir die
freilich kühne Zumuthung. Sollten Sie ſich wohl
nicht abgeneigt finden, mir dieſen Ihren Schatten
zu überlaſſen.»

Er ſchwieg, und mir ging’s wie ein Mühl-
rad im Kopfe herum. Was ſollt’ ich aus dem
ſeltſamen Antrag machen, mir meinen Schatten
abzukaufen? Er muß verrückt ſein, dacht’ ich,
und mit verändertem Tone, der zu der Demuth
des ſeinigen beſſer paßte, erwiederte ich alſo:

«Ei, ei! guter Freund, habt Ihr denn nicht
an Eurem eignen Schatten genug? das heiß’ ich
mir einen Handel von einer ganz abſonderlichen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0035" n="29"/>
        <p>Er nahm nach einem Augenblick des Schwei-<lb/>
gens wieder das Wort: «Während der kurzen<lb/>
Zeit, wo ich das Glück genoß, mich in ihrer<lb/>
Nähe zu befinden, hab&#x2019; ich, mein Herr, einige<lb/>
Mal &#x2014; erlauben Sie, daß ich es Ihnen &#x017F;age &#x2014;<lb/>
wirklich mit unaus&#x017F;prechlicher Bewunderung den<lb/>
&#x017F;chönen, &#x017F;chönen Schatten betrachten können, den<lb/>
Sie in der Sonne, und gleich&#x017F;am mit einer ge-<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;en edlen Verachtung, ohne &#x017F;elb&#x017F;t darauf zu<lb/>
merken, von &#x017F;ich werfen, den herrlichen Schatten<lb/>
da zu Ihren Fü&#x017F;&#x017F;en. Verzeihen Sie mir die<lb/>
freilich kühne Zumuthung. Sollten Sie &#x017F;ich wohl<lb/>
nicht abgeneigt finden, mir die&#x017F;en Ihren Schatten<lb/>
zu überla&#x017F;&#x017F;en.»</p><lb/>
        <p>Er &#x017F;chwieg, und mir ging&#x2019;s wie ein Mühl-<lb/>
rad im Kopfe herum. Was &#x017F;ollt&#x2019; ich aus dem<lb/>
&#x017F;elt&#x017F;amen Antrag machen, mir meinen Schatten<lb/>
abzukaufen? Er muß verrückt &#x017F;ein, dacht&#x2019; ich,<lb/>
und mit verändertem Tone, der zu der Demuth<lb/>
des &#x017F;einigen be&#x017F;&#x017F;er paßte, erwiederte ich al&#x017F;o:</p><lb/>
        <p>«Ei, ei! guter Freund, habt Ihr denn nicht<lb/>
an Eurem eignen Schatten genug? das heiß&#x2019; ich<lb/>
mir einen Handel von einer ganz ab&#x017F;onderlichen<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[29/0035] Er nahm nach einem Augenblick des Schwei- gens wieder das Wort: «Während der kurzen Zeit, wo ich das Glück genoß, mich in ihrer Nähe zu befinden, hab’ ich, mein Herr, einige Mal — erlauben Sie, daß ich es Ihnen ſage — wirklich mit unausſprechlicher Bewunderung den ſchönen, ſchönen Schatten betrachten können, den Sie in der Sonne, und gleichſam mit einer ge- wiſſen edlen Verachtung, ohne ſelbſt darauf zu merken, von ſich werfen, den herrlichen Schatten da zu Ihren Füſſen. Verzeihen Sie mir die freilich kühne Zumuthung. Sollten Sie ſich wohl nicht abgeneigt finden, mir dieſen Ihren Schatten zu überlaſſen.» Er ſchwieg, und mir ging’s wie ein Mühl- rad im Kopfe herum. Was ſollt’ ich aus dem ſeltſamen Antrag machen, mir meinen Schatten abzukaufen? Er muß verrückt ſein, dacht’ ich, und mit verändertem Tone, der zu der Demuth des ſeinigen beſſer paßte, erwiederte ich alſo: «Ei, ei! guter Freund, habt Ihr denn nicht an Eurem eignen Schatten genug? das heiß’ ich mir einen Handel von einer ganz abſonderlichen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2755
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2755/35
Zitationshilfe: Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Nürnberg, 1835, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2755/35>, abgerufen am 20.04.2024.