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Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Nürnberg, 1835.

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Blick um mich warf. -- Wie erschrak ich, als
ich den Mann im grauen Rock hinter mir her
und auf mich zukommen sah. Er nahm sogleich
den Hut vor mir ab, und verneigte sich so tief,
als noch Niemand vor mir gethan hatte. Es war
kein Zweifel, er wollte mich anreden, und ich
konnte, ohne grob zu sein, es nicht vermeiden.
Ich nahm den Hut auch ab, verneigte mich wie-
der, und stand da in der Sonne mit bloßem
Haupt wie angewurzelt. Ich sah' ihn voller Furcht
stier an, und war wie ein Vogel, den eine
Schlange gebannt hat. Er selber schien sehr
verlegen zu sein; er hob den Blick nicht auf, ver-
beugte sich zu verschiedenen Malen, trat näher,
und redete mich an mit leiser, unsicherer Stimme,
ungefähr im Tone eines Bettelnden.

"Möge der Herr meine Zudringlichkeit ent-
schuldigen, wenn ich es wage, ihn so unbekann-
ter Weise aufzusuchen, ich habe eine Bitte an
ihn. Vergönnen Sie gnädigst --" -- "Aber um
Gotteswillen, mein Herr!" brach ich in meiner
Angst aus, "was kann ich für einen Mann thun,
der --" wir stutzten Beide, und wurden, wie
mir däucht, roth.

Blick um mich warf. — Wie erſchrak ich, als
ich den Mann im grauen Rock hinter mir her
und auf mich zukommen ſah. Er nahm ſogleich
den Hut vor mir ab, und verneigte ſich ſo tief,
als noch Niemand vor mir gethan hatte. Es war
kein Zweifel, er wollte mich anreden, und ich
konnte, ohne grob zu ſein, es nicht vermeiden.
Ich nahm den Hut auch ab, verneigte mich wie-
der, und ſtand da in der Sonne mit bloßem
Haupt wie angewurzelt. Ich ſah’ ihn voller Furcht
ſtier an, und war wie ein Vogel, den eine
Schlange gebannt hat. Er ſelber ſchien ſehr
verlegen zu ſein; er hob den Blick nicht auf, ver-
beugte ſich zu verſchiedenen Malen, trat näher,
und redete mich an mit leiſer, unſicherer Stimme,
ungefähr im Tone eines Bettelnden.

«Möge der Herr meine Zudringlichkeit ent-
ſchuldigen, wenn ich es wage, ihn ſo unbekann-
ter Weiſe aufzuſuchen, ich habe eine Bitte an
ihn. Vergönnen Sie gnädigſt —» — «Aber um
Gotteswillen, mein Herr!» brach ich in meiner
Angſt aus, «was kann ich für einen Mann thun,
der —» wir ſtutzten Beide, und wurden, wie
mir däucht, roth.

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[28/0034] Blick um mich warf. — Wie erſchrak ich, als ich den Mann im grauen Rock hinter mir her und auf mich zukommen ſah. Er nahm ſogleich den Hut vor mir ab, und verneigte ſich ſo tief, als noch Niemand vor mir gethan hatte. Es war kein Zweifel, er wollte mich anreden, und ich konnte, ohne grob zu ſein, es nicht vermeiden. Ich nahm den Hut auch ab, verneigte mich wie- der, und ſtand da in der Sonne mit bloßem Haupt wie angewurzelt. Ich ſah’ ihn voller Furcht ſtier an, und war wie ein Vogel, den eine Schlange gebannt hat. Er ſelber ſchien ſehr verlegen zu ſein; er hob den Blick nicht auf, ver- beugte ſich zu verſchiedenen Malen, trat näher, und redete mich an mit leiſer, unſicherer Stimme, ungefähr im Tone eines Bettelnden. «Möge der Herr meine Zudringlichkeit ent- ſchuldigen, wenn ich es wage, ihn ſo unbekann- ter Weiſe aufzuſuchen, ich habe eine Bitte an ihn. Vergönnen Sie gnädigſt —» — «Aber um Gotteswillen, mein Herr!» brach ich in meiner Angſt aus, «was kann ich für einen Mann thun, der —» wir ſtutzten Beide, und wurden, wie mir däucht, roth.

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Zitationshilfe: Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Nürnberg, 1835, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2755/34>, abgerufen am 24.04.2024.