Fanny richtete nachlässig an den grauen Mann, den, so viel ich weiß, noch Niemand angeredet hatte, die leichtsinnige Frage: ob er nicht auch vielleicht ein Zelt bei sich habe? Er beantwor- tete sie durch eine so tiefe Verbeugung, als wi- derführe ihm eine unverdiente Ehre, und hatte schon die Hand in der Tasche, aus der ich Zeuge, Stangen, Schnüre, Eisenwerk, kurz, Alles, was zu dem prachtvollsten Lustzelt gehört, herauskom- men sah. Die jungen Herr'n halfen es ausspannen, und es überhing die ganze Ausdehnung des Tep- pichs -- und Keiner fand noch etwas Außeror- dentliches darin. --
Mir war schon lang' unheimlich, ja graulich zu Muthe, wie ward mir vollends, als beim nächst ausgesprochenen Wunsch ich ihn noch aus seiner Tasche drei Reitpferde, ich sage Dir, drei schöne, große Rappen mit Sattel und Zeug her- ausziehen sah! -- denke Dir, um Gotteswillen! drei gesattelte Pferde noch aus derselben Tasche, woraus schon eine Brieftasche, ein Fernrohr, ein gewirkter Teppich, zwanzig Schritte lang und zehn breit, ein Lustzelt von derselben Größe, und alle dazu gehörigen Stangen und Eisen, herausgekom-
Fanny richtete nachläſſig an den grauen Mann, den, ſo viel ich weiß, noch Niemand angeredet hatte, die leichtſinnige Frage: ob er nicht auch vielleicht ein Zelt bei ſich habe? Er beantwor- tete ſie durch eine ſo tiefe Verbeugung, als wi- derführe ihm eine unverdiente Ehre, und hatte ſchon die Hand in der Taſche, aus der ich Zeuge, Stangen, Schnüre, Eiſenwerk, kurz, Alles, was zu dem prachtvollſten Luſtzelt gehört, herauskom- men ſah. Die jungen Herr’n halfen es ausſpannen, und es überhing die ganze Ausdehnung des Tep- pichs — und Keiner fand noch etwas Außeror- dentliches darin. —
Mir war ſchon lang’ unheimlich, ja graulich zu Muthe, wie ward mir vollends, als beim nächſt ausgeſprochenen Wunſch ich ihn noch aus ſeiner Taſche drei Reitpferde, ich ſage Dir, drei ſchöne, große Rappen mit Sattel und Zeug her- ausziehen ſah! — denke Dir, um Gotteswillen! drei geſattelte Pferde noch aus derſelben Taſche, woraus ſchon eine Brieftaſche, ein Fernrohr, ein gewirkter Teppich, zwanzig Schritte lang und zehn breit, ein Luſtzelt von derſelben Größe, und alle dazu gehörigen Stangen und Eiſen, herausgekom-
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Fanny richtete nachläſſig an den grauen Mann,
den, ſo viel ich weiß, noch Niemand angeredet
hatte, die leichtſinnige Frage: ob er nicht auch
vielleicht ein Zelt bei ſich habe? Er beantwor-
tete ſie durch eine ſo tiefe Verbeugung, als wi-
derführe ihm eine unverdiente Ehre, und hatte
ſchon die Hand in der Taſche, aus der ich Zeuge,
Stangen, Schnüre, Eiſenwerk, kurz, Alles, was
zu dem prachtvollſten Luſtzelt gehört, herauskom-
men ſah. Die jungen Herr’n halfen es ausſpannen,
und es überhing die ganze Ausdehnung des Tep-
pichs — und Keiner fand noch etwas Außeror-
dentliches darin. —
Mir war ſchon lang’ unheimlich, ja graulich
zu Muthe, wie ward mir vollends, als beim
nächſt ausgeſprochenen Wunſch ich ihn noch aus
ſeiner Taſche drei Reitpferde, ich ſage Dir, drei
ſchöne, große Rappen mit Sattel und Zeug her-
ausziehen ſah! — denke Dir, um Gotteswillen!
drei geſattelte Pferde noch aus derſelben Taſche,
woraus ſchon eine Brieftaſche, ein Fernrohr, ein
gewirkter Teppich, zwanzig Schritte lang und zehn
breit, ein Luſtzelt von derſelben Größe, und alle
dazu gehörigen Stangen und Eiſen, herausgekom-
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Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Nürnberg, 1835, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2755/32>, abgerufen am 21.03.2023.
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