Schritte in der Länge und zehn in der Breite maß, und rieb mir die Augen, nicht wissend, was ich dazu denken sollte, besonders, da Nie- mand etwas Merkwürdiges darin fand.
Ich hätte gern Aufschluß über den Mann gehabt, und gefragt, wer er sei, nur wußt' ich nicht, an wen ich mich richten sollte, denn ich fürchtete mich fast noch mehr vor den Herr'n Bedienten, als vor den bedienten Herr'n. Ich faßte endlich ein Herz, und trat an einen jun- gen Mann heran, der mir von minderem An- sehen schien als die Andern, und der öfter al- lein gestanden hatte. Ich bat ihn leise, mir zu sagen, wer der gefällige Mann sei dort im grauen Kleide. -- "Dieser, der wie ein Ende Zwirn aus- sieht? der einem Schneider aus der Nadel entlau- fen ist?" Ja, der allein steht -- "den kenn' ich nicht," gab er mir zur Antwort, und, wie es schien, eine längere Unterhaltung mit mir zu ver- meiden, wandt' er sich weg und sprach von gleich- gültigen Dingen mit einem Andern.
Die Sonne fing jetzt stärker zu scheinen an, und ward den Damen beschwerlich; die schöne
2 *
Schritte in der Länge und zehn in der Breite maß, und rieb mir die Augen, nicht wiſſend, was ich dazu denken ſollte, beſonders, da Nie- mand etwas Merkwürdiges darin fand.
Ich hätte gern Aufſchluß über den Mann gehabt, und gefragt, wer er ſei, nur wußt’ ich nicht, an wen ich mich richten ſollte, denn ich fürchtete mich faſt noch mehr vor den Herr’n Bedienten, als vor den bedienten Herr’n. Ich faßte endlich ein Herz, und trat an einen jun- gen Mann heran, der mir von minderem An- ſehen ſchien als die Andern, und der öfter al- lein geſtanden hatte. Ich bat ihn leiſe, mir zu ſagen, wer der gefällige Mann ſei dort im grauen Kleide. — «Dieſer, der wie ein Ende Zwirn aus- ſieht? der einem Schneider aus der Nadel entlau- fen iſt?» Ja, der allein ſteht — «den kenn’ ich nicht,» gab er mir zur Antwort, und, wie es ſchien, eine längere Unterhaltung mit mir zu ver- meiden, wandt’ er ſich weg und ſprach von gleich- gültigen Dingen mit einem Andern.
Die Sonne fing jetzt ſtärker zu ſcheinen an, und ward den Damen beſchwerlich; die ſchöne
2 *
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0031"n="25"/>
Schritte in der Länge und zehn in der Breite<lb/>
maß, und rieb mir die Augen, nicht wiſſend,<lb/>
was ich dazu denken ſollte, beſonders, da Nie-<lb/>
mand etwas Merkwürdiges darin fand.</p><lb/><p>Ich hätte gern Aufſchluß über den Mann<lb/>
gehabt, und gefragt, wer er ſei, nur wußt’ ich<lb/>
nicht, an wen ich mich richten ſollte, denn ich<lb/>
fürchtete mich faſt noch mehr vor den Herr’n<lb/>
Bedienten, als vor den bedienten Herr’n. Ich<lb/>
faßte endlich ein Herz, und trat an einen jun-<lb/>
gen Mann heran, der mir von minderem An-<lb/>ſehen ſchien als die Andern, und der öfter al-<lb/>
lein geſtanden hatte. Ich bat ihn leiſe, mir zu<lb/>ſagen, wer der gefällige Mann ſei dort im grauen<lb/>
Kleide. — «Dieſer, der wie ein Ende Zwirn aus-<lb/>ſieht? der einem Schneider aus der Nadel entlau-<lb/>
fen iſt?» Ja, der allein ſteht — «den kenn’ ich<lb/>
nicht,» gab er mir zur Antwort, und, wie es<lb/>ſchien, eine längere Unterhaltung mit mir zu ver-<lb/>
meiden, wandt’ er ſich weg und ſprach von gleich-<lb/>
gültigen Dingen mit einem Andern.</p><lb/><p>Die Sonne fing jetzt ſtärker zu ſcheinen an,<lb/>
und ward den Damen beſchwerlich; die ſchöne<lb/><fwplace="bottom"type="sig">2 *</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[25/0031]
Schritte in der Länge und zehn in der Breite
maß, und rieb mir die Augen, nicht wiſſend,
was ich dazu denken ſollte, beſonders, da Nie-
mand etwas Merkwürdiges darin fand.
Ich hätte gern Aufſchluß über den Mann
gehabt, und gefragt, wer er ſei, nur wußt’ ich
nicht, an wen ich mich richten ſollte, denn ich
fürchtete mich faſt noch mehr vor den Herr’n
Bedienten, als vor den bedienten Herr’n. Ich
faßte endlich ein Herz, und trat an einen jun-
gen Mann heran, der mir von minderem An-
ſehen ſchien als die Andern, und der öfter al-
lein geſtanden hatte. Ich bat ihn leiſe, mir zu
ſagen, wer der gefällige Mann ſei dort im grauen
Kleide. — «Dieſer, der wie ein Ende Zwirn aus-
ſieht? der einem Schneider aus der Nadel entlau-
fen iſt?» Ja, der allein ſteht — «den kenn’ ich
nicht,» gab er mir zur Antwort, und, wie es
ſchien, eine längere Unterhaltung mit mir zu ver-
meiden, wandt’ er ſich weg und ſprach von gleich-
gültigen Dingen mit einem Andern.
Die Sonne fing jetzt ſtärker zu ſcheinen an,
und ward den Damen beſchwerlich; die ſchöne
2 *
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Nürnberg, 1835, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2755/31>, abgerufen am 21.03.2023.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2023. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.