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Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Nürnberg, 1835.

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hatte; ich wußte aber nicht, wo ich war, ich be-
stieg, um mich in der Gegend umzuschauen, den
nächsten Hügel, ich sah von seinem Gipfel das
nahe Städtchen und den Förstergarten zu mei-
nen Füßen liegen. -- Heftig klopfte mir das
Herz, und Thränen einer andern Art, als die ich
bis dahin vergossen, traten mir in die Augen:
ich sollte sie wiedersehen. -- Bange Sehnsucht
beschleunigte meine Schritte auf dem richtigsten
Pfad hinab. Ich kam ungesehen an einigen Bau-
ern vorbei, die aus der Stadt kamen. Sie spra-
chen von mir, Rascal'n und dem Förster; ich
wollte nichts anhören, ich eilte vorüber.

Ich trat in den Garten, alle Schauer der
Erwartung in der Brust -- mir schallte es wie
ein Lachen entgegen, mich schauderte, ich warf
einen schnellen Blick um mich her; ich konnte Nie-
manden entdecken. Ich schritt weiter vor, mir
war's, als vernähme ich neben mir ein Geräusch
wie von Menschentritten; es war aber nichts zu
sehen: ich dachte mich von meinem Ohre getäuscht.
Es war noch früh, Niemand in Graf Peter's
Laube, noch leer der Garten; ich durchschweifte
die bekannten Gänge, ich drang bis nach dem

hatte; ich wußte aber nicht, wo ich war, ich be-
ſtieg, um mich in der Gegend umzuſchauen, den
nächſten Hügel, ich ſah von ſeinem Gipfel das
nahe Städtchen und den Förſtergarten zu mei-
nen Füßen liegen. — Heftig klopfte mir das
Herz, und Thränen einer andern Art, als die ich
bis dahin vergoſſen, traten mir in die Augen:
ich ſollte ſie wiederſehen. — Bange Sehnſucht
beſchleunigte meine Schritte auf dem richtigſten
Pfad hinab. Ich kam ungeſehen an einigen Bau-
ern vorbei, die aus der Stadt kamen. Sie ſpra-
chen von mir, Rascal’n und dem Förſter; ich
wollte nichts anhören, ich eilte vorüber.

Ich trat in den Garten, alle Schauer der
Erwartung in der Bruſt — mir ſchallte es wie
ein Lachen entgegen, mich ſchauderte, ich warf
einen ſchnellen Blick um mich her; ich konnte Nie-
manden entdecken. Ich ſchritt weiter vor, mir
war’s, als vernähme ich neben mir ein Geräuſch
wie von Menſchentritten; es war aber nichts zu
ſehen: ich dachte mich von meinem Ohre getäuſcht.
Es war noch früh, Niemand in Graf Peter’s
Laube, noch leer der Garten; ich durchſchweifte
die bekannten Gänge, ich drang bis nach dem

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[91/0105] hatte; ich wußte aber nicht, wo ich war, ich be- ſtieg, um mich in der Gegend umzuſchauen, den nächſten Hügel, ich ſah von ſeinem Gipfel das nahe Städtchen und den Förſtergarten zu mei- nen Füßen liegen. — Heftig klopfte mir das Herz, und Thränen einer andern Art, als die ich bis dahin vergoſſen, traten mir in die Augen: ich ſollte ſie wiederſehen. — Bange Sehnſucht beſchleunigte meine Schritte auf dem richtigſten Pfad hinab. Ich kam ungeſehen an einigen Bau- ern vorbei, die aus der Stadt kamen. Sie ſpra- chen von mir, Rascal’n und dem Förſter; ich wollte nichts anhören, ich eilte vorüber. Ich trat in den Garten, alle Schauer der Erwartung in der Bruſt — mir ſchallte es wie ein Lachen entgegen, mich ſchauderte, ich warf einen ſchnellen Blick um mich her; ich konnte Nie- manden entdecken. Ich ſchritt weiter vor, mir war’s, als vernähme ich neben mir ein Geräuſch wie von Menſchentritten; es war aber nichts zu ſehen: ich dachte mich von meinem Ohre getäuſcht. Es war noch früh, Niemand in Graf Peter’s Laube, noch leer der Garten; ich durchſchweifte die bekannten Gänge, ich drang bis nach dem

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Zitationshilfe: Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Nürnberg, 1835, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2755/105>, abgerufen am 24.11.2024.