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Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Nürnberg, 1835.

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Der schnell sich aufrichtende Mann, sich so-
gleich nach seinem beglückten Bezwinger umse-
hend, erblickte auf der weiten sonnigen Ebene
weder ihn, noch dessen Schatten, nach dem er be-
sonders ängstlich umher lauschte. Denn daß ich
an und für mich schattenlos war, hatte er vor-
her nicht Muße gehabt zu bemerken, und konnte
es nicht vermuthen. Als er sich überzeugt, daß
jede Spur verschwunden, kehrte er in der höch-
sten Verzweiflung die Hand gegen sich selber und
raufte sich das Haar aus. Mir aber gab der er-
rungene Schatz die Möglichkeit und die Begierde
zugleich, mich wieder unter die Menschen zu mi-
schen. Es fehlte mir nicht an Vorwand gegen
mich selber, meinen schnöden Raub zu beschöni-
gen, oder vielmehr, ich bedurfte solches nicht, und
jedem Gedanken der Art zu entweichen, eilte ich
hinweg, nach dem Unglücklichen nicht zurückschau-
end, dessen ängstliche Stimme ich mir noch lange
nachschallen hörte. So wenigstens kamen mir da-
mals alle Umstände dieses Ereignisses vor.

Ich brannte nach dem Förstergarten zu ge-
hen, und durch mich selbst die Wahrheit dessen
zu erkennen, was mir jener Verhaßte verkündigt

Der ſchnell ſich aufrichtende Mann, ſich ſo-
gleich nach ſeinem beglückten Bezwinger umſe-
hend, erblickte auf der weiten ſonnigen Ebene
weder ihn, noch deſſen Schatten, nach dem er be-
ſonders ängſtlich umher lauſchte. Denn daß ich
an und für mich ſchattenlos war, hatte er vor-
her nicht Muße gehabt zu bemerken, und konnte
es nicht vermuthen. Als er ſich überzeugt, daß
jede Spur verſchwunden, kehrte er in der höch-
ſten Verzweiflung die Hand gegen ſich ſelber und
raufte ſich das Haar aus. Mir aber gab der er-
rungene Schatz die Möglichkeit und die Begierde
zugleich, mich wieder unter die Menſchen zu mi-
ſchen. Es fehlte mir nicht an Vorwand gegen
mich ſelber, meinen ſchnöden Raub zu beſchöni-
gen, oder vielmehr, ich bedurfte ſolches nicht, und
jedem Gedanken der Art zu entweichen, eilte ich
hinweg, nach dem Unglücklichen nicht zurückſchau-
end, deſſen ängſtliche Stimme ich mir noch lange
nachſchallen hörte. So wenigſtens kamen mir da-
mals alle Umſtände dieſes Ereigniſſes vor.

Ich brannte nach dem Förſtergarten zu ge-
hen, und durch mich ſelbſt die Wahrheit deſſen
zu erkennen, was mir jener Verhaßte verkündigt

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[90/0104] Der ſchnell ſich aufrichtende Mann, ſich ſo- gleich nach ſeinem beglückten Bezwinger umſe- hend, erblickte auf der weiten ſonnigen Ebene weder ihn, noch deſſen Schatten, nach dem er be- ſonders ängſtlich umher lauſchte. Denn daß ich an und für mich ſchattenlos war, hatte er vor- her nicht Muße gehabt zu bemerken, und konnte es nicht vermuthen. Als er ſich überzeugt, daß jede Spur verſchwunden, kehrte er in der höch- ſten Verzweiflung die Hand gegen ſich ſelber und raufte ſich das Haar aus. Mir aber gab der er- rungene Schatz die Möglichkeit und die Begierde zugleich, mich wieder unter die Menſchen zu mi- ſchen. Es fehlte mir nicht an Vorwand gegen mich ſelber, meinen ſchnöden Raub zu beſchöni- gen, oder vielmehr, ich bedurfte ſolches nicht, und jedem Gedanken der Art zu entweichen, eilte ich hinweg, nach dem Unglücklichen nicht zurückſchau- end, deſſen ängſtliche Stimme ich mir noch lange nachſchallen hörte. So wenigſtens kamen mir da- mals alle Umſtände dieſes Ereigniſſes vor. Ich brannte nach dem Förſtergarten zu ge- hen, und durch mich ſelbſt die Wahrheit deſſen zu erkennen, was mir jener Verhaßte verkündigt

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Zitationshilfe: Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Nürnberg, 1835, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2755/104>, abgerufen am 20.04.2024.