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Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Nürnberg, 1827.

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ren zu, kein Dienervolk regte sich mehr darin.
Er lachte laut auf neben mir: "Ja, ja! so
geht's; aber Ihren Bendel finden Sie wohl
daheim, den hat man jüngst vorsorglich so müde
nach Hause geschickt, daß er es wohl seitdem
gehütet haben wird." Er lachte wieder. "Der
wird Geschichten zu erzählen haben. -- Wohlan
denn! für heute gute Nacht, auf baldiges Wie-
dersehen."

Ich hatte wiederholt geklingelt, es erschien
Licht; Bendel frug von innen, wer geklingelt
habe. Als der gute Mann meine Stimme er-
kannte, konnte er seine Freude kaum bändigen,
die Thür' flog auf, wir lagen weinend einander
in den Armen. Ich fand ihn sehr verändert,
schwach und krank; mir war aber das Haar
ganz grau geworden.

Er führte mich durch die verödeten Zim-
mer nach einem innern verschont gebliebenen
Gemach; er holte Speise und Trank herbei,
wir setzten uns, er fing wieder an zu weinen.
Er erzählte mir, daß er letzthin den grau ge-

ren zu, kein Dienervolk regte ſich mehr darin.
Er lachte laut auf neben mir: “Ja, ja! ſo
geht’s; aber Ihren Bendel finden Sie wohl
daheim, den hat man jüngſt vorſorglich ſo müde
nach Hauſe geſchickt, daß er es wohl ſeitdem
gehütet haben wird.„ Er lachte wieder. “Der
wird Geſchichten zu erzählen haben. — Wohlan
denn! für heute gute Nacht, auf baldiges Wie-
derſehen.„

Ich hatte wiederholt geklingelt, es erſchien
Licht; Bendel frug von innen, wer geklingelt
habe. Als der gute Mann meine Stimme er-
kannte, konnte er ſeine Freude kaum bändigen,
die Thür’ flog auf, wir lagen weinend einander
in den Armen. Ich fand ihn ſehr verändert,
ſchwach und krank; mir war aber das Haar
ganz grau geworden.

Er führte mich durch die verödeten Zim-
mer nach einem innern verſchont gebliebenen
Gemach; er holte Speiſe und Trank herbei,
wir ſetzten uns, er fing wieder an zu weinen.
Er erzählte mir, daß er letzthin den grau ge-

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[87/0115] ren zu, kein Dienervolk regte ſich mehr darin. Er lachte laut auf neben mir: “Ja, ja! ſo geht’s; aber Ihren Bendel finden Sie wohl daheim, den hat man jüngſt vorſorglich ſo müde nach Hauſe geſchickt, daß er es wohl ſeitdem gehütet haben wird.„ Er lachte wieder. “Der wird Geſchichten zu erzählen haben. — Wohlan denn! für heute gute Nacht, auf baldiges Wie- derſehen.„ Ich hatte wiederholt geklingelt, es erſchien Licht; Bendel frug von innen, wer geklingelt habe. Als der gute Mann meine Stimme er- kannte, konnte er ſeine Freude kaum bändigen, die Thür’ flog auf, wir lagen weinend einander in den Armen. Ich fand ihn ſehr verändert, ſchwach und krank; mir war aber das Haar ganz grau geworden. Er führte mich durch die verödeten Zim- mer nach einem innern verſchont gebliebenen Gemach; er holte Speiſe und Trank herbei, wir ſetzten uns, er fing wieder an zu weinen. Er erzählte mir, daß er letzthin den grau ge-

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Zitationshilfe: Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Nürnberg, 1827, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2754/115>, abgerufen am 27.04.2024.