Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Nürnberg, 1827.

Bild:
<< vorherige Seite

nommen hat, Monsieur, der schwache Nerven
hat, den langen lieben Tag hindurch zu pflegen.
Und man soll den Narren im Spiele abgeben.
Gut, Herr Trotzkopf, fliehn Sie nur vor mir,
wir sind doch unzertrennlich. Sie haben mein
Gold und ich Ihren Schatten; das läßt uns
beiden keine Ruhe. -- Hat man je gehört, daß
ein Schatten von seinem Herrn gelassen hätte.
Ihrer zieht mich Ihnen nach, bis Sie ihn wie-
der zu Gnaden annehmen, und ich ihn los bin.
Was sie versäumt haben, aus frischer Lust zu
thun, werden Sie, nur zu spät, aus Ueberdruß
und Langeweile nachholen müssen; man entgeht
seinem Schicksale nicht." Er sprach aus dem-
selben Tone fort und fort; ich floh umsonst, er
ließ nicht nach, und immer gegenwärtig, redete
höhnend von Gold und Schatten. Ich konnte
zu keinem eigenen Gedanken kommen.

Ich hatte durch menschenleere Strassen ei-
nen Weg nach meinem Hause eingeschlagen.
Als ich davor stand, und es ansah, konnte ich
es kaum erkennen; hinter den eingeschlagenen
Fenstern brannte kein Licht. Die Thüren wa-

nommen hat, Monſieur, der ſchwache Nerven
hat, den langen lieben Tag hindurch zu pflegen.
Und man ſoll den Narren im Spiele abgeben.
Gut, Herr Trotzkopf, fliehn Sie nur vor mir,
wir ſind doch unzertrennlich. Sie haben mein
Gold und ich Ihren Schatten; das läßt uns
beiden keine Ruhe. — Hat man je gehört, daß
ein Schatten von ſeinem Herrn gelaſſen hätte.
Ihrer zieht mich Ihnen nach, bis Sie ihn wie-
der zu Gnaden annehmen, und ich ihn los bin.
Was ſie verſäumt haben, aus friſcher Luſt zu
thun, werden Sie, nur zu ſpät, aus Ueberdruß
und Langeweile nachholen müſſen; man entgeht
ſeinem Schickſale nicht.„ Er ſprach aus dem-
ſelben Tone fort und fort; ich floh umſonſt, er
ließ nicht nach, und immer gegenwärtig, redete
höhnend von Gold und Schatten. Ich konnte
zu keinem eigenen Gedanken kommen.

Ich hatte durch menſchenleere Straſſen ei-
nen Weg nach meinem Hauſe eingeſchlagen.
Als ich davor ſtand, und es anſah, konnte ich
es kaum erkennen; hinter den eingeſchlagenen
Fenſtern brannte kein Licht. Die Thüren wa-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0114" n="86"/>
nommen hat, Mon&#x017F;ieur, der &#x017F;chwache Nerven<lb/>
hat, den langen lieben Tag hindurch zu pflegen.<lb/>
Und man &#x017F;oll den Narren im Spiele abgeben.<lb/>
Gut, Herr Trotzkopf, fliehn Sie nur vor mir,<lb/>
wir &#x017F;ind doch unzertrennlich. Sie haben mein<lb/>
Gold und ich Ihren Schatten; das läßt uns<lb/>
beiden keine Ruhe. &#x2014; Hat man je gehört, daß<lb/>
ein Schatten von &#x017F;einem Herrn gela&#x017F;&#x017F;en hätte.<lb/>
Ihrer zieht mich Ihnen nach, bis Sie ihn wie-<lb/>
der zu Gnaden annehmen, und ich ihn los bin.<lb/>
Was &#x017F;ie ver&#x017F;äumt haben, aus fri&#x017F;cher Lu&#x017F;t zu<lb/>
thun, werden Sie, nur zu &#x017F;pät, aus Ueberdruß<lb/>
und Langeweile nachholen mü&#x017F;&#x017F;en; man entgeht<lb/>
&#x017F;einem Schick&#x017F;ale nicht.&#x201E; Er &#x017F;prach aus dem-<lb/>
&#x017F;elben Tone fort und fort; ich floh um&#x017F;on&#x017F;t, er<lb/>
ließ nicht nach, und immer gegenwärtig, redete<lb/>
höhnend von Gold und Schatten. Ich konnte<lb/>
zu keinem eigenen Gedanken kommen.</p><lb/>
        <p>Ich hatte durch men&#x017F;chenleere Stra&#x017F;&#x017F;en ei-<lb/>
nen Weg nach meinem Hau&#x017F;e einge&#x017F;chlagen.<lb/>
Als ich davor &#x017F;tand, und es an&#x017F;ah, konnte ich<lb/>
es kaum erkennen; hinter den einge&#x017F;chlagenen<lb/>
Fen&#x017F;tern brannte kein Licht. Die Thüren wa-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[86/0114] nommen hat, Monſieur, der ſchwache Nerven hat, den langen lieben Tag hindurch zu pflegen. Und man ſoll den Narren im Spiele abgeben. Gut, Herr Trotzkopf, fliehn Sie nur vor mir, wir ſind doch unzertrennlich. Sie haben mein Gold und ich Ihren Schatten; das läßt uns beiden keine Ruhe. — Hat man je gehört, daß ein Schatten von ſeinem Herrn gelaſſen hätte. Ihrer zieht mich Ihnen nach, bis Sie ihn wie- der zu Gnaden annehmen, und ich ihn los bin. Was ſie verſäumt haben, aus friſcher Luſt zu thun, werden Sie, nur zu ſpät, aus Ueberdruß und Langeweile nachholen müſſen; man entgeht ſeinem Schickſale nicht.„ Er ſprach aus dem- ſelben Tone fort und fort; ich floh umſonſt, er ließ nicht nach, und immer gegenwärtig, redete höhnend von Gold und Schatten. Ich konnte zu keinem eigenen Gedanken kommen. Ich hatte durch menſchenleere Straſſen ei- nen Weg nach meinem Hauſe eingeſchlagen. Als ich davor ſtand, und es anſah, konnte ich es kaum erkennen; hinter den eingeſchlagenen Fenſtern brannte kein Licht. Die Thüren wa-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2754
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2754/114
Zitationshilfe: Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Nürnberg, 1827, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2754/114>, abgerufen am 27.04.2024.