Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. In: Adelbert von Chamisso's Werke. Bd. 4. Leipzig, 1836. S. 225-327.

Bild:
<< vorherige Seite

mein Ohr trafen, als ich zum Bewußtsein zurückkehrte;
ich öffnete die Augen, es war dunkel, mein verhaßter Be-
gleiter war scheltend um mich bemüht. "Heißt das nicht
wie ein altes Weib sich aufführen! -- Man raffe sich
auf und vollziehe frisch, was man beschlossen, oder hat
man sich anders besonnen, und will lieber greinen?" --
Ich richtete mich mühsam auf von der Erde, wo ich lag,
und schaute schweigend um mich. Es war später Abend,
aus dem hellerleuchteten Försterhause erscholl festliche Musik,
einzelne Gruppen von Menschen wallten durch die Gänge
des Gartens. Ein Paar traten im Gespräche näher und
nahmen Platz auf der Bank, worauf ich früher gesessen
hatte. Sie unterhielten sich von der an diesem Morgen
vollzogenen Verbindung des reichen Herrn Rascal mit
der Tochter des Hauses. -- Es war also geschehen. --

Ich streifte mit der Hand die Tarnkappe des sogleich
mir verschwindenden Unbekannten von meinem Haupte weg,
und eilte stillschweigend, in die tiefste Nacht des Gebüsches
mich versenkend, den Weg über Graf Peter's Laube
einschlagend, dem Ausgange des Gartens zu. Unsichtbar
aber geleitete mich mein Plagegeist, mich mit scharfen
Worten verfolgend. "Das ist also der Dank für die
Mühe, die man genommen hat, Monsieur, der schwache
Nerven hat, den langen lieben Tag hindurch zu pflegen.
Und man soll den Narren im Spiele abgeben. Gut,
Herr Trotzkopf, fliehn sie nur vor mir, wir sind doch
unzertrennlich. Sie haben mein Gold und ich Ihren
Schatten; das läßt uns beiden keine Ruhe. -- Hat man

mein Ohr trafen, als ich zum Bewußtſein zuruͤckkehrte;
ich oͤffnete die Augen, es war dunkel, mein verhaßter Be-
gleiter war ſcheltend um mich bemuͤht. 〟Heißt das nicht
wie ein altes Weib ſich auffuͤhren! — Man raffe ſich
auf und vollziehe friſch, was man beſchloſſen, oder hat
man ſich anders beſonnen, und will lieber greinen?〞 —
Ich richtete mich muͤhſam auf von der Erde, wo ich lag,
und ſchaute ſchweigend um mich. Es war ſpaͤter Abend,
aus dem hellerleuchteten Foͤrſterhauſe erſcholl feſtliche Muſik,
einzelne Gruppen von Menſchen wallten durch die Gaͤnge
des Gartens. Ein Paar traten im Geſpraͤche naͤher und
nahmen Platz auf der Bank, worauf ich fruͤher geſeſſen
hatte. Sie unterhielten ſich von der an dieſem Morgen
vollzogenen Verbindung des reichen Herrn Rascal mit
der Tochter des Hauſes. — Es war alſo geſchehen. —

Ich ſtreifte mit der Hand die Tarnkappe des ſogleich
mir verſchwindenden Unbekannten von meinem Haupte weg,
und eilte ſtillſchweigend, in die tiefſte Nacht des Gebuͤſches
mich verſenkend, den Weg uͤber Graf Peter’s Laube
einſchlagend, dem Ausgange des Gartens zu. Unſichtbar
aber geleitete mich mein Plagegeiſt, mich mit ſcharfen
Worten verfolgend. 〟Das iſt alſo der Dank fuͤr die
Muͤhe, die man genommen hat, Monſieur, der ſchwache
Nerven hat, den langen lieben Tag hindurch zu pflegen.
Und man ſoll den Narren im Spiele abgeben. Gut,
Herr Trotzkopf, fliehn ſie nur vor mir, wir ſind doch
unzertrennlich. Sie haben mein Gold und ich Ihren
Schatten; das laͤßt uns beiden keine Ruhe. — Hat man

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="1">
          <p><pb facs="#f0085" n="297"/>
mein Ohr trafen, als ich zum Bewußt&#x017F;ein zuru&#x0364;ckkehrte;<lb/>
ich o&#x0364;ffnete die Augen, es war dunkel, mein verhaßter Be-<lb/>
gleiter war &#x017F;cheltend um mich bemu&#x0364;ht. &#x301F;Heißt das nicht<lb/>
wie ein altes Weib &#x017F;ich auffu&#x0364;hren! &#x2014; Man raffe &#x017F;ich<lb/>
auf und vollziehe fri&#x017F;ch, was man be&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en, oder hat<lb/>
man &#x017F;ich anders be&#x017F;onnen, und will lieber greinen?&#x301E; &#x2014;<lb/>
Ich richtete mich mu&#x0364;h&#x017F;am auf von der Erde, wo ich lag,<lb/>
und &#x017F;chaute &#x017F;chweigend um mich. Es war &#x017F;pa&#x0364;ter Abend,<lb/>
aus dem hellerleuchteten Fo&#x0364;r&#x017F;terhau&#x017F;e er&#x017F;choll fe&#x017F;tliche Mu&#x017F;ik,<lb/>
einzelne Gruppen von Men&#x017F;chen wallten durch die Ga&#x0364;nge<lb/>
des Gartens. Ein Paar traten im Ge&#x017F;pra&#x0364;che na&#x0364;her und<lb/>
nahmen Platz auf der Bank, worauf ich fru&#x0364;her ge&#x017F;e&#x017F;&#x017F;en<lb/>
hatte. Sie unterhielten &#x017F;ich von der an die&#x017F;em Morgen<lb/>
vollzogenen Verbindung des reichen Herrn <hi rendition="#g">Rascal</hi> mit<lb/>
der Tochter des Hau&#x017F;es. &#x2014; Es war al&#x017F;o ge&#x017F;chehen. &#x2014;</p><lb/>
          <p>Ich &#x017F;treifte mit der Hand die Tarnkappe des &#x017F;ogleich<lb/>
mir ver&#x017F;chwindenden Unbekannten von meinem Haupte weg,<lb/>
und eilte &#x017F;till&#x017F;chweigend, in die tief&#x017F;te Nacht des Gebu&#x0364;&#x017F;ches<lb/>
mich ver&#x017F;enkend, den Weg u&#x0364;ber <hi rendition="#g">Graf Peter&#x2019;s</hi> Laube<lb/>
ein&#x017F;chlagend, dem Ausgange des Gartens zu. Un&#x017F;ichtbar<lb/>
aber geleitete mich mein Plagegei&#x017F;t, mich mit &#x017F;charfen<lb/>
Worten verfolgend. &#x301F;Das i&#x017F;t al&#x017F;o der Dank fu&#x0364;r die<lb/>
Mu&#x0364;he, die man genommen hat, Mon&#x017F;ieur, der &#x017F;chwache<lb/>
Nerven hat, den langen lieben Tag hindurch zu pflegen.<lb/>
Und man &#x017F;oll den Narren im Spiele abgeben. Gut,<lb/>
Herr Trotzkopf, fliehn &#x017F;ie nur vor mir, wir &#x017F;ind doch<lb/>
unzertrennlich. Sie haben mein Gold und ich Ihren<lb/>
Schatten; das la&#x0364;ßt uns beiden keine Ruhe. &#x2014; Hat man<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[297/0085] mein Ohr trafen, als ich zum Bewußtſein zuruͤckkehrte; ich oͤffnete die Augen, es war dunkel, mein verhaßter Be- gleiter war ſcheltend um mich bemuͤht. 〟Heißt das nicht wie ein altes Weib ſich auffuͤhren! — Man raffe ſich auf und vollziehe friſch, was man beſchloſſen, oder hat man ſich anders beſonnen, und will lieber greinen?〞 — Ich richtete mich muͤhſam auf von der Erde, wo ich lag, und ſchaute ſchweigend um mich. Es war ſpaͤter Abend, aus dem hellerleuchteten Foͤrſterhauſe erſcholl feſtliche Muſik, einzelne Gruppen von Menſchen wallten durch die Gaͤnge des Gartens. Ein Paar traten im Geſpraͤche naͤher und nahmen Platz auf der Bank, worauf ich fruͤher geſeſſen hatte. Sie unterhielten ſich von der an dieſem Morgen vollzogenen Verbindung des reichen Herrn Rascal mit der Tochter des Hauſes. — Es war alſo geſchehen. — Ich ſtreifte mit der Hand die Tarnkappe des ſogleich mir verſchwindenden Unbekannten von meinem Haupte weg, und eilte ſtillſchweigend, in die tiefſte Nacht des Gebuͤſches mich verſenkend, den Weg uͤber Graf Peter’s Laube einſchlagend, dem Ausgange des Gartens zu. Unſichtbar aber geleitete mich mein Plagegeiſt, mich mit ſcharfen Worten verfolgend. 〟Das iſt alſo der Dank fuͤr die Muͤhe, die man genommen hat, Monſieur, der ſchwache Nerven hat, den langen lieben Tag hindurch zu pflegen. Und man ſoll den Narren im Spiele abgeben. Gut, Herr Trotzkopf, fliehn ſie nur vor mir, wir ſind doch unzertrennlich. Sie haben mein Gold und ich Ihren Schatten; das laͤßt uns beiden keine Ruhe. — Hat man

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2749
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2749/85
Zitationshilfe: Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. In: Adelbert von Chamisso's Werke. Bd. 4. Leipzig, 1836. S. 225-327, S. 297. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2749/85>, abgerufen am 22.11.2024.