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Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. In: Adelbert von Chamisso's Werke. Bd. 4. Leipzig, 1836. S. 225-327.

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sank in meinen Sessel zurück, und verhüllte mein Gesicht
in meine Hände.

So fand mich noch Bendel, als er herein trat.
Er sah den Schmerz seines Herrn, und wollte sich still,
ehrerbietig zurückziehen. -- Ich blickte auf -- ich erlag
unter der Last meines Kummers, ich mußte ihn mittheilen.
"Bendel," rief ich ihm zu, "Bendel! Du Einziger,
der Du meine Leiden siehst und ehrst, sie nicht erforschen
zu wollen, sondern still und fromm mitzufühlen scheinst,
komm zu mir, Bendel, und sei der Nächste meinem
Herzen. Die Schätze meines Goldes hab' ich vor Dir
nicht verschlossen, nicht verschließen will ich vor Dir die
Schätze meines Grames. -- Bendel, verlasse mich nicht.
Bendel, Du siehst mich reich, freigebig, gütig, Du wähnst,
es sollte die Welt mich verherrlichen, und Du siehst mich
die Welt flieh'n und mich vor ihr verschließen. Bendel,
sie hat gerichtet, die Welt, und mich verstoßen, und auch
Du vielleicht wirst Dich von mir wenden, wenn Du mein
schreckliches Geheimniß erfährst: Bendel, ich bin reich,
freigebig, gütig, aber -- o Gott! -- ich habe keinen
Schatten!" --

"Keinen Schatten?" rief der gute Junge erschreckt aus,
und die hellen Thränen stürzten ihm aus den Augen. --
"Weh mir, daß ich geboren ward, einem schattenlosen
Herrn zu dienen!" Er schwieg, und ich hielt mein Gesicht
in meinen Händen. --

"Bendel," setzt' ich spät und zitternd hinzu, "nun
hast Du mein Vertrauen, nun kannst Du es verrathen.

ſank in meinen Seſſel zuruͤck, und verhuͤllte mein Geſicht
in meine Haͤnde.

So fand mich noch Bendel, als er herein trat.
Er ſah den Schmerz ſeines Herrn, und wollte ſich ſtill,
ehrerbietig zuruͤckziehen. — Ich blickte auf — ich erlag
unter der Laſt meines Kummers, ich mußte ihn mittheilen.
Bendel,〞 rief ich ihm zu, 〟Bendel! Du Einziger,
der Du meine Leiden ſiehſt und ehrſt, ſie nicht erforſchen
zu wollen, ſondern ſtill und fromm mitzufuͤhlen ſcheinſt,
komm zu mir, Bendel, und ſei der Naͤchſte meinem
Herzen. Die Schaͤtze meines Goldes hab’ ich vor Dir
nicht verſchloſſen, nicht verſchließen will ich vor Dir die
Schaͤtze meines Grames. — Bendel, verlaſſe mich nicht.
Bendel, Du ſiehſt mich reich, freigebig, guͤtig, Du waͤhnſt,
es ſollte die Welt mich verherrlichen, und Du ſiehſt mich
die Welt flieh’n und mich vor ihr verſchließen. Bendel,
ſie hat gerichtet, die Welt, und mich verſtoßen, und auch
Du vielleicht wirſt Dich von mir wenden, wenn Du mein
ſchreckliches Geheimniß erfaͤhrſt: Bendel, ich bin reich,
freigebig, guͤtig, aber — o Gott! — ich habe keinen
Schatten!〞 —

〟Keinen Schatten?〞 rief der gute Junge erſchreckt aus,
und die hellen Thraͤnen ſtuͤrzten ihm aus den Augen. —
〟Weh mir, daß ich geboren ward, einem ſchattenloſen
Herrn zu dienen!〞 Er ſchwieg, und ich hielt mein Geſicht
in meinen Haͤnden. —

Bendel,〞 ſetzt’ ich ſpaͤt und zitternd hinzu, 〟nun
haſt Du mein Vertrauen, nun kannſt Du es verrathen.

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[257/0043] ſank in meinen Seſſel zuruͤck, und verhuͤllte mein Geſicht in meine Haͤnde. So fand mich noch Bendel, als er herein trat. Er ſah den Schmerz ſeines Herrn, und wollte ſich ſtill, ehrerbietig zuruͤckziehen. — Ich blickte auf — ich erlag unter der Laſt meines Kummers, ich mußte ihn mittheilen. 〟Bendel,〞 rief ich ihm zu, 〟Bendel! Du Einziger, der Du meine Leiden ſiehſt und ehrſt, ſie nicht erforſchen zu wollen, ſondern ſtill und fromm mitzufuͤhlen ſcheinſt, komm zu mir, Bendel, und ſei der Naͤchſte meinem Herzen. Die Schaͤtze meines Goldes hab’ ich vor Dir nicht verſchloſſen, nicht verſchließen will ich vor Dir die Schaͤtze meines Grames. — Bendel, verlaſſe mich nicht. Bendel, Du ſiehſt mich reich, freigebig, guͤtig, Du waͤhnſt, es ſollte die Welt mich verherrlichen, und Du ſiehſt mich die Welt flieh’n und mich vor ihr verſchließen. Bendel, ſie hat gerichtet, die Welt, und mich verſtoßen, und auch Du vielleicht wirſt Dich von mir wenden, wenn Du mein ſchreckliches Geheimniß erfaͤhrſt: Bendel, ich bin reich, freigebig, guͤtig, aber — o Gott! — ich habe keinen Schatten!〞 — 〟Keinen Schatten?〞 rief der gute Junge erſchreckt aus, und die hellen Thraͤnen ſtuͤrzten ihm aus den Augen. — 〟Weh mir, daß ich geboren ward, einem ſchattenloſen Herrn zu dienen!〞 Er ſchwieg, und ich hielt mein Geſicht in meinen Haͤnden. — 〟Bendel,〞 ſetzt’ ich ſpaͤt und zitternd hinzu, 〟nun haſt Du mein Vertrauen, nun kannſt Du es verrathen.

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Zitationshilfe: Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. In: Adelbert von Chamisso's Werke. Bd. 4. Leipzig, 1836. S. 225-327, S. 257. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2749/43>, abgerufen am 18.04.2024.