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Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. In: Adelbert von Chamisso's Werke. Bd. 4. Leipzig, 1836. S. 225-327.

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mit einem kostbaren brillantenen Ring zu dem berühmtesten
Maler der Stadt, den ich, mich zu besuchen, einladen ließ.
Er kam, ich entfernte meine Leute, verschloß die Thür,
setzte mich zu dem Mann, und, nachdem ich seine Kunst
gepriesen, kam ich mit schwerem Herzen zur Sache, ich
ließ ihn zuvor das strengste Geheimniß geloben.

"Herr Professor," fuhr ich fort, "könnten Sie wohl
einem Menschen, der auf die unglücklichste Weise von der
Welt um seinen Schatten gekommen ist, einen falschen
Schatten malen?" -- -- "Sie meinen einen Schlagschat-
ten?" -- "den mein' ich allerdings." -- "Aber," frug
er mich weiter, "durch welche Ungeschicklichkeit, durch
welche Nachlässigkeit konnte er denn seinen Schlagschatten
verlieren?" -- "Wie es kam," erwiederte ich, "mag
nun sehr gleichgültig sein, doch so viel," log ich ihm un-
verschämt vor: "In Rußland, wo er im vorigen Winter
eine Reise that, fror ihm einmal, bei einer außerordentli-
chen Kälte, sein Schatten dergestalt am Boden fest, daß
er ihn nicht wieder los bekommen konnte."

"Der falsche Schlagschatten, den ich ihm malen könnte,"
erwiederte der Professor, "würde doch nur ein solcher sein,
den er bei der leisesten Bewegung wieder verlieren müßte,
-- zumal wer an dem eignen angebornen Schatten so
wenig fest hing, als aus Ihrer Erzählung selbst sich abnehmen
läßt; wer keinen Schatten hat, gehe nicht in die Sonne,
das ist das Vernünftigste und Sicherste." Er stand auf
und entfernte sich, indem er auf mich einen durchbohren-
den Blick warf, den der meine nicht ertragen konnte. Ich

mit einem koſtbaren brillantenen Ring zu dem beruͤhmteſten
Maler der Stadt, den ich, mich zu beſuchen, einladen ließ.
Er kam, ich entfernte meine Leute, verſchloß die Thuͤr,
ſetzte mich zu dem Mann, und, nachdem ich ſeine Kunſt
geprieſen, kam ich mit ſchwerem Herzen zur Sache, ich
ließ ihn zuvor das ſtrengſte Geheimniß geloben.

〟Herr Profeſſor,〞 fuhr ich fort, 〟koͤnnten Sie wohl
einem Menſchen, der auf die ungluͤcklichſte Weiſe von der
Welt um ſeinen Schatten gekommen iſt, einen falſchen
Schatten malen?〞 — — 〟Sie meinen einen Schlagſchat-
ten?〞 — 〟den mein’ ich allerdings.〞 — 〟Aber,〞 frug
er mich weiter, 〟durch welche Ungeſchicklichkeit, durch
welche Nachlaͤſſigkeit konnte er denn ſeinen Schlagſchatten
verlieren?〞 — 〟Wie es kam,〞 erwiederte ich, 〟mag
nun ſehr gleichguͤltig ſein, doch ſo viel,〞 log ich ihm un-
verſchaͤmt vor: 〟In Rußland, wo er im vorigen Winter
eine Reiſe that, fror ihm einmal, bei einer außerordentli-
chen Kaͤlte, ſein Schatten dergeſtalt am Boden feſt, daß
er ihn nicht wieder los bekommen konnte.〞

〟Der falſche Schlagſchatten, den ich ihm malen koͤnnte,〞
erwiederte der Profeſſor, 〟wuͤrde doch nur ein ſolcher ſein,
den er bei der leiſeſten Bewegung wieder verlieren muͤßte,
— zumal wer an dem eignen angebornen Schatten ſo
wenig feſt hing, als aus Ihrer Erzaͤhlung ſelbſt ſich abnehmen
laͤßt; wer keinen Schatten hat, gehe nicht in die Sonne,
das iſt das Vernuͤnftigſte und Sicherſte.〞 Er ſtand auf
und entfernte ſich, indem er auf mich einen durchbohren-
den Blick warf, den der meine nicht ertragen konnte. Ich

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[256/0042] mit einem koſtbaren brillantenen Ring zu dem beruͤhmteſten Maler der Stadt, den ich, mich zu beſuchen, einladen ließ. Er kam, ich entfernte meine Leute, verſchloß die Thuͤr, ſetzte mich zu dem Mann, und, nachdem ich ſeine Kunſt geprieſen, kam ich mit ſchwerem Herzen zur Sache, ich ließ ihn zuvor das ſtrengſte Geheimniß geloben. 〟Herr Profeſſor,〞 fuhr ich fort, 〟koͤnnten Sie wohl einem Menſchen, der auf die ungluͤcklichſte Weiſe von der Welt um ſeinen Schatten gekommen iſt, einen falſchen Schatten malen?〞 — — 〟Sie meinen einen Schlagſchat- ten?〞 — 〟den mein’ ich allerdings.〞 — 〟Aber,〞 frug er mich weiter, 〟durch welche Ungeſchicklichkeit, durch welche Nachlaͤſſigkeit konnte er denn ſeinen Schlagſchatten verlieren?〞 — 〟Wie es kam,〞 erwiederte ich, 〟mag nun ſehr gleichguͤltig ſein, doch ſo viel,〞 log ich ihm un- verſchaͤmt vor: 〟In Rußland, wo er im vorigen Winter eine Reiſe that, fror ihm einmal, bei einer außerordentli- chen Kaͤlte, ſein Schatten dergeſtalt am Boden feſt, daß er ihn nicht wieder los bekommen konnte.〞 〟Der falſche Schlagſchatten, den ich ihm malen koͤnnte,〞 erwiederte der Profeſſor, 〟wuͤrde doch nur ein ſolcher ſein, den er bei der leiſeſten Bewegung wieder verlieren muͤßte, — zumal wer an dem eignen angebornen Schatten ſo wenig feſt hing, als aus Ihrer Erzaͤhlung ſelbſt ſich abnehmen laͤßt; wer keinen Schatten hat, gehe nicht in die Sonne, das iſt das Vernuͤnftigſte und Sicherſte.〞 Er ſtand auf und entfernte ſich, indem er auf mich einen durchbohren- den Blick warf, den der meine nicht ertragen konnte. Ich

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Zitationshilfe: Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. In: Adelbert von Chamisso's Werke. Bd. 4. Leipzig, 1836. S. 225-327, S. 256. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2749/42>, abgerufen am 26.04.2024.