Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. In: Adelbert von Chamisso's Werke. Bd. 4. Leipzig, 1836. S. 225-327.

Bild:
<< vorherige Seite

mir zur Antwort, und, wie es schien, eine längere Unter-
haltung mit mir zu vermeiden, wandt' er sich weg und
sprach von gleichgültigen Dingen mit einem Andern.

Die Sonne fing jetzt stärker zu scheinen an, und ward
den Damen beschwerlich; die schöne Fanny richtete nach-
lässig an den grauen Mann, den, so viel ich weiß, noch
Niemand angeredet hatte, die leichtsinnige Frage: ob er
nicht auch vielleicht ein Zelt bei sich habe? Er beantwortete
sie durch eine so tiefe Verbeugung, als widerführe ihm eine
unverdiente Ehre, und hatte schon die Hand in der Tasche,
aus der ich Zeuge, Stangen, Schnüre, Eisenwerk, kurz,
Alles, was zu dem prachtvollsten Lustzelt gehört, heraus-
kommen sah. Die jungen Herren halfen es ausspannen,
und es überhing die ganze Ausdehnung des Teppichs --
und Keiner fand noch etwas Außerordentliches darin. --

Mir war schon lang' unheimlich, ja graulich zu Muthe,
wie ward mir vollends, als beim nächst ausgesprochenen
Wunsch ich ihn noch aus seiner Tasche drei Reitpferde,
ich sage Dir, drei schöne, große Rappen mit Sattel und
Zeug herausziehen sah! -- denke Dir, um Gotteswillen!
drei gesattelte Pferde noch aus derselben Tasche, woraus
schon eine Brieftasche, ein Fernrohr, ein gewirkter Teppich,
zwanzig Schritte lang und zehn breit, ein Lustzelt von
derselben Größe, und alle dazu gehörigen Stangen und
Eisen, herausgekommen waren! -- Wenn ich Dir nicht
betheuerte, es selbst mit eigenen Augen angesehen zu haben,
würdest Du es gewiß nicht glauben. --

So verlegen und demüthig der Mann selbst zu sein

mir zur Antwort, und, wie es ſchien, eine laͤngere Unter-
haltung mit mir zu vermeiden, wandt’ er ſich weg und
ſprach von gleichguͤltigen Dingen mit einem Andern.

Die Sonne fing jetzt ſtaͤrker zu ſcheinen an, und ward
den Damen beſchwerlich; die ſchoͤne Fanny richtete nach-
laͤſſig an den grauen Mann, den, ſo viel ich weiß, noch
Niemand angeredet hatte, die leichtſinnige Frage: ob er
nicht auch vielleicht ein Zelt bei ſich habe? Er beantwortete
ſie durch eine ſo tiefe Verbeugung, als widerfuͤhre ihm eine
unverdiente Ehre, und hatte ſchon die Hand in der Taſche,
aus der ich Zeuge, Stangen, Schnuͤre, Eiſenwerk, kurz,
Alles, was zu dem prachtvollſten Luſtzelt gehoͤrt, heraus-
kommen ſah. Die jungen Herren halfen es ausſpannen,
und es uͤberhing die ganze Ausdehnung des Teppichs —
und Keiner fand noch etwas Außerordentliches darin. —

Mir war ſchon lang’ unheimlich, ja graulich zu Muthe,
wie ward mir vollends, als beim naͤchſt ausgeſprochenen
Wunſch ich ihn noch aus ſeiner Taſche drei Reitpferde,
ich ſage Dir, drei ſchoͤne, große Rappen mit Sattel und
Zeug herausziehen ſah! — denke Dir, um Gotteswillen!
drei geſattelte Pferde noch aus derſelben Taſche, woraus
ſchon eine Brieftaſche, ein Fernrohr, ein gewirkter Teppich,
zwanzig Schritte lang und zehn breit, ein Luſtzelt von
derſelben Groͤße, und alle dazu gehoͤrigen Stangen und
Eiſen, herausgekommen waren! — Wenn ich Dir nicht
betheuerte, es ſelbſt mit eigenen Augen angeſehen zu haben,
wuͤrdeſt Du es gewiß nicht glauben. —

So verlegen und demuͤthig der Mann ſelbſt zu ſein

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="1">
          <p><pb facs="#f0024" n="242"/>
mir zur Antwort, und, wie es &#x017F;chien, eine la&#x0364;ngere Unter-<lb/>
haltung mit mir zu vermeiden, wandt&#x2019; er &#x017F;ich weg und<lb/>
&#x017F;prach von gleichgu&#x0364;ltigen Dingen mit einem Andern.</p><lb/>
          <p>Die Sonne fing jetzt &#x017F;ta&#x0364;rker zu &#x017F;cheinen an, und ward<lb/>
den Damen be&#x017F;chwerlich; die &#x017F;cho&#x0364;ne <hi rendition="#g">Fanny</hi> richtete nach-<lb/>
la&#x0364;&#x017F;&#x017F;ig an den grauen Mann, den, &#x017F;o viel ich weiß, noch<lb/>
Niemand angeredet hatte, die leicht&#x017F;innige Frage: ob er<lb/>
nicht auch vielleicht ein Zelt bei &#x017F;ich habe? Er beantwortete<lb/>
&#x017F;ie durch eine &#x017F;o tiefe Verbeugung, als widerfu&#x0364;hre ihm eine<lb/>
unverdiente Ehre, und hatte &#x017F;chon die Hand in der Ta&#x017F;che,<lb/>
aus der ich Zeuge, Stangen, Schnu&#x0364;re, Ei&#x017F;enwerk, kurz,<lb/>
Alles, was zu dem prachtvoll&#x017F;ten Lu&#x017F;tzelt geho&#x0364;rt, heraus-<lb/>
kommen &#x017F;ah. Die jungen Herren halfen es aus&#x017F;pannen,<lb/>
und es u&#x0364;berhing die ganze Ausdehnung des Teppichs &#x2014;<lb/>
und Keiner fand noch etwas Außerordentliches darin. &#x2014;</p><lb/>
          <p>Mir war &#x017F;chon lang&#x2019; unheimlich, ja graulich zu Muthe,<lb/>
wie ward mir vollends, als beim na&#x0364;ch&#x017F;t ausge&#x017F;prochenen<lb/>
Wun&#x017F;ch ich ihn noch aus &#x017F;einer Ta&#x017F;che drei Reitpferde,<lb/>
ich &#x017F;age Dir, drei &#x017F;cho&#x0364;ne, große Rappen mit Sattel und<lb/>
Zeug herausziehen &#x017F;ah! &#x2014; denke Dir, um Gotteswillen!<lb/>
drei ge&#x017F;attelte Pferde noch aus der&#x017F;elben Ta&#x017F;che, woraus<lb/>
&#x017F;chon eine Briefta&#x017F;che, ein Fernrohr, ein gewirkter Teppich,<lb/>
zwanzig Schritte lang und zehn breit, ein Lu&#x017F;tzelt von<lb/>
der&#x017F;elben Gro&#x0364;ße, und alle dazu geho&#x0364;rigen Stangen und<lb/>
Ei&#x017F;en, herausgekommen waren! &#x2014; Wenn ich Dir nicht<lb/>
betheuerte, es &#x017F;elb&#x017F;t mit eigenen Augen ange&#x017F;ehen zu haben,<lb/>
wu&#x0364;rde&#x017F;t Du es gewiß nicht glauben. &#x2014;</p><lb/>
          <p>So verlegen und demu&#x0364;thig der Mann &#x017F;elb&#x017F;t zu &#x017F;ein<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[242/0024] mir zur Antwort, und, wie es ſchien, eine laͤngere Unter- haltung mit mir zu vermeiden, wandt’ er ſich weg und ſprach von gleichguͤltigen Dingen mit einem Andern. Die Sonne fing jetzt ſtaͤrker zu ſcheinen an, und ward den Damen beſchwerlich; die ſchoͤne Fanny richtete nach- laͤſſig an den grauen Mann, den, ſo viel ich weiß, noch Niemand angeredet hatte, die leichtſinnige Frage: ob er nicht auch vielleicht ein Zelt bei ſich habe? Er beantwortete ſie durch eine ſo tiefe Verbeugung, als widerfuͤhre ihm eine unverdiente Ehre, und hatte ſchon die Hand in der Taſche, aus der ich Zeuge, Stangen, Schnuͤre, Eiſenwerk, kurz, Alles, was zu dem prachtvollſten Luſtzelt gehoͤrt, heraus- kommen ſah. Die jungen Herren halfen es ausſpannen, und es uͤberhing die ganze Ausdehnung des Teppichs — und Keiner fand noch etwas Außerordentliches darin. — Mir war ſchon lang’ unheimlich, ja graulich zu Muthe, wie ward mir vollends, als beim naͤchſt ausgeſprochenen Wunſch ich ihn noch aus ſeiner Taſche drei Reitpferde, ich ſage Dir, drei ſchoͤne, große Rappen mit Sattel und Zeug herausziehen ſah! — denke Dir, um Gotteswillen! drei geſattelte Pferde noch aus derſelben Taſche, woraus ſchon eine Brieftaſche, ein Fernrohr, ein gewirkter Teppich, zwanzig Schritte lang und zehn breit, ein Luſtzelt von derſelben Groͤße, und alle dazu gehoͤrigen Stangen und Eiſen, herausgekommen waren! — Wenn ich Dir nicht betheuerte, es ſelbſt mit eigenen Augen angeſehen zu haben, wuͤrdeſt Du es gewiß nicht glauben. — So verlegen und demuͤthig der Mann ſelbſt zu ſein

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2749
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2749/24
Zitationshilfe: Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. In: Adelbert von Chamisso's Werke. Bd. 4. Leipzig, 1836. S. 225-327, S. 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2749/24>, abgerufen am 26.04.2024.