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Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. In: Adelbert von Chamisso's Werke. Bd. 4. Leipzig, 1836. S. 225-327.

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Man hätte sich gern auf den Rasen, am Abhange
des Hügels, der ausgespannten Landschaft gegenüber gela-
gert, hätte man die Feuchtigkeit der Erde nicht gescheut.
Es wäre göttlich, meinte Wer aus der Gesellschaft, wenn
man türkische Teppiche hätte, sie hier auszubreiten. Der
Wunsch war nicht sobald ausgesprochen, als schon der
Mann im grauen Rock die Hand in der Tasche hatte,
und mit bescheidener, ja demüthiger Geberde einen reichen,
golddurchwirkten türkischen Teppich daraus zu ziehen bemüht
war. Bediente nahmen ihn in Empfang, als müsse es
so sein, und entfalteten ihn am begehrten Orte. Die Ge-
sellschaft nahm ohne Umstände Platz darauf; ich wiederum
sah betroffen den Mann, die Tasche, den Teppich an, der
über zwanzig Schritte in der Länge und zehn in der Breite
maß, und rieb mir die Augen, nicht wissend, was ich dazu
denken sollte, besonders da Niemand etwas Merkwürdiges
darin fand.

Ich hätte gern Aufschluß über den Mann gehabt, und
gefragt, wer er sei, nur wußt' ich nicht, an wen ich mich
richten sollte, denn ich fürchtete mich fast noch mehr vor
den Herren Bedienten, als vor den bedienten Herren. Ich
faßte endlich ein Herz, und trat an einen jungen Mann
heran, der mir von minderem Ansehen schien als die An-
dern, und der öfter allein gestanden hatte. Ich bat ihn
leise, mir zu sagen, wer der gefällige Mann sei dort im
grauen Kleide. -- "Dieser, der wie ein Ende Zwirn aus-
sieht? der einem Schneider aus der Nadel entlaufen ist?"
Ja, der allein steht -- "den kenn' ich nicht," gab er

Chamisso's Schriften. IV. 11

Man haͤtte ſich gern auf den Raſen, am Abhange
des Huͤgels, der ausgeſpannten Landſchaft gegenuͤber gela-
gert, haͤtte man die Feuchtigkeit der Erde nicht geſcheut.
Es waͤre goͤttlich, meinte Wer aus der Geſellſchaft, wenn
man tuͤrkiſche Teppiche haͤtte, ſie hier auszubreiten. Der
Wunſch war nicht ſobald ausgeſprochen, als ſchon der
Mann im grauen Rock die Hand in der Taſche hatte,
und mit beſcheidener, ja demuͤthiger Geberde einen reichen,
golddurchwirkten tuͤrkiſchen Teppich daraus zu ziehen bemuͤht
war. Bediente nahmen ihn in Empfang, als muͤſſe es
ſo ſein, und entfalteten ihn am begehrten Orte. Die Ge-
ſellſchaft nahm ohne Umſtaͤnde Platz darauf; ich wiederum
ſah betroffen den Mann, die Taſche, den Teppich an, der
uͤber zwanzig Schritte in der Laͤnge und zehn in der Breite
maß, und rieb mir die Augen, nicht wiſſend, was ich dazu
denken ſollte, beſonders da Niemand etwas Merkwuͤrdiges
darin fand.

Ich haͤtte gern Aufſchluß uͤber den Mann gehabt, und
gefragt, wer er ſei, nur wußt’ ich nicht, an wen ich mich
richten ſollte, denn ich fuͤrchtete mich faſt noch mehr vor
den Herren Bedienten, als vor den bedienten Herren. Ich
faßte endlich ein Herz, und trat an einen jungen Mann
heran, der mir von minderem Anſehen ſchien als die An-
dern, und der oͤfter allein geſtanden hatte. Ich bat ihn
leiſe, mir zu ſagen, wer der gefaͤllige Mann ſei dort im
grauen Kleide. — 〟Dieſer, der wie ein Ende Zwirn aus-
ſieht? der einem Schneider aus der Nadel entlaufen iſt?〞
Ja, der allein ſteht — 〟den kenn’ ich nicht,〞 gab er

Chamiſſo’s Schriften. IV. 11
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[241/0023] Man haͤtte ſich gern auf den Raſen, am Abhange des Huͤgels, der ausgeſpannten Landſchaft gegenuͤber gela- gert, haͤtte man die Feuchtigkeit der Erde nicht geſcheut. Es waͤre goͤttlich, meinte Wer aus der Geſellſchaft, wenn man tuͤrkiſche Teppiche haͤtte, ſie hier auszubreiten. Der Wunſch war nicht ſobald ausgeſprochen, als ſchon der Mann im grauen Rock die Hand in der Taſche hatte, und mit beſcheidener, ja demuͤthiger Geberde einen reichen, golddurchwirkten tuͤrkiſchen Teppich daraus zu ziehen bemuͤht war. Bediente nahmen ihn in Empfang, als muͤſſe es ſo ſein, und entfalteten ihn am begehrten Orte. Die Ge- ſellſchaft nahm ohne Umſtaͤnde Platz darauf; ich wiederum ſah betroffen den Mann, die Taſche, den Teppich an, der uͤber zwanzig Schritte in der Laͤnge und zehn in der Breite maß, und rieb mir die Augen, nicht wiſſend, was ich dazu denken ſollte, beſonders da Niemand etwas Merkwuͤrdiges darin fand. Ich haͤtte gern Aufſchluß uͤber den Mann gehabt, und gefragt, wer er ſei, nur wußt’ ich nicht, an wen ich mich richten ſollte, denn ich fuͤrchtete mich faſt noch mehr vor den Herren Bedienten, als vor den bedienten Herren. Ich faßte endlich ein Herz, und trat an einen jungen Mann heran, der mir von minderem Anſehen ſchien als die An- dern, und der oͤfter allein geſtanden hatte. Ich bat ihn leiſe, mir zu ſagen, wer der gefaͤllige Mann ſei dort im grauen Kleide. — 〟Dieſer, der wie ein Ende Zwirn aus- ſieht? der einem Schneider aus der Nadel entlaufen iſt?〞 Ja, der allein ſteht — 〟den kenn’ ich nicht,〞 gab er Chamiſſo’s Schriften. IV. 11

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Zitationshilfe: Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. In: Adelbert von Chamisso's Werke. Bd. 4. Leipzig, 1836. S. 225-327, S. 241. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2749/23>, abgerufen am 23.11.2024.