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Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670.

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erstes Buch.
ich sehr ungern von einer schönheit/ die man an mir zu
sein wähnet/ reden höre; so mus ich dannoch auf ihre so
offenhertzige reden/ eben so offenhertzig bekennen/ daß
mir dieselben nicht übel gefallen. Ich habe daraus ihr
guhtes gemühte erblikket; ja ihre hertzliche zuneugung
zu mir. Und daß sie mir nicht etwan eine blaue dunst/
sich mir gefällig zu machen/ vor die augen mahlen wol-
len/ kan ich ihr an ihren augen wohl ansehen. Sie hat
aus dem grunde des hertzens geredet. Ihre gedanken
hat sie mir nakt und bloß/ und ohne einigen falschen
überzug oder schmünke eröfnet. Ja sie hat anders nichts
geredet/ als was sie gemeinet. Das weis ich. Das stehet
vor ihrer stirne geschrieben. Das zeiget das unfalsche
wesen der reinen und züchtigen blikke ihrer liebseeligen
Augen an. Ja der ümzug/ die bildung/ die züge/ und
das sämtliche wesen ihres gantzen angesichtes seind mir
dessen gewisse zeugen. Die sitzamen gebehrden ihres übri-
gen gantzen leibes bekräftigen eben dasselbe. Aus einem
munde/ der sich mit solcher schaamhaftigen bewegung
eröfnet/ kan kein falsches wort gehen. Und eben darüm
können mir ihr reden anders nicht als angenehm sein.

Josef hatte ihm vorgenommen die Jungfrau von
seinem eigenen selbstande gantz ab zu lenken. Dan es
war ihm zuwider/ so viel von sich selbst zu hören. Und
aus diesen ursachen hatte er sich/ ihre sinnen und gedan-
ken auf sie zurükke zu wenden/ bisher bemühet; damit
sie sich in ihr selbsten zu spiegeln anlaß bekähmen. Ja
nun trachtete er sie gar aus ihrer gantzen geselschaft zu
entfernen/ und an einen solchen ort zu führen/ da sie
noch weniger gelegenheit hetten auf ihn zurükke zu pral-
len. Die Jungfrau/ sagte er/ hat im begin ihrer rede
Fürst Potifars gedacht. Von dem habe ich auch in
meinem Vaterlande gehöret. Er mus gewis ein
großer man sein/ und bei dem Könige in hohem
ansehen.

Ja
B iij

erſtes Buch.
ich ſehr ungern von einer ſchoͤnheit/ die man an mir zu
ſein waͤhnet/ reden hoͤre; ſo mus ich dannoch auf ihre ſo
offenhertzige reden/ eben ſo offenhertzig bekennen/ daß
mir dieſelben nicht uͤbel gefallen. Ich habe daraus ihr
guhtes gemuͤhte erblikket; ja ihre hertzliche zuneugung
zu mir. Und daß ſie mir nicht etwan eine blaue dunſt/
ſich mir gefaͤllig zu machen/ vor die augen mahlen wol-
len/ kan ich ihr an ihren augen wohl anſehen. Sie hat
aus dem grunde des hertzens geredet. Ihre gedanken
hat ſie mir nakt und bloß/ und ohne einigen falſchen
uͤberzug oder ſchmuͤnke eroͤfnet. Ja ſie hat anders nichts
geredet/ als was ſie gemeinet. Das weis ich. Das ſtehet
vor ihrer ſtirne geſchrieben. Das zeiget das unfalſche
weſen der reinen und zuͤchtigen blikke ihrer liebſeeligen
Augen an. Ja der uͤmzug/ die bildung/ die zuͤge/ und
das ſaͤmtliche weſen ihres gantzen angeſichtes ſeind mir
deſſen gewiſſe zeugen. Die ſitzamen gebehrden ihres uͤbri-
gen gantzen leibes bekraͤftigen eben daſſelbe. Aus einem
munde/ der ſich mit ſolcher ſchaamhaftigen bewegung
eroͤfnet/ kan kein falſches wort gehen. Und eben daruͤm
koͤnnen mir ihr reden anders nicht als angenehm ſein.

Joſef hatte ihm vorgenommen die Jungfrau von
ſeinem eigenen ſelbſtande gantz ab zu lenken. Dan es
war ihm zuwider/ ſo viel von ſich ſelbſt zu hoͤren. Und
aus dieſen urſachen hatte er ſich/ ihre ſinnen und gedan-
ken auf ſie zuruͤkke zu wenden/ bisher bemuͤhet; damit
ſie ſich in ihr ſelbſten zu ſpiegeln anlaß bekaͤhmen. Ja
nun trachtete er ſie gar aus ihrer gantzen geſelſchaft zu
entfernen/ und an einen ſolchen ort zu fuͤhren/ da ſie
noch weniger gelegenheit hetten auf ihn zuruͤkke zu pral-
len. Die Jungfrau/ ſagte er/ hat im begin ihrer rede
Fuͤrſt Potifars gedacht. Von dem habe ich auch in
meinem Vaterlande gehoͤret. Er mus gewis ein
großer man ſein/ und bei dem Koͤnige in hohem
anſehen.

Ja
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[21/0045] erſtes Buch. ich ſehr ungern von einer ſchoͤnheit/ die man an mir zu ſein waͤhnet/ reden hoͤre; ſo mus ich dannoch auf ihre ſo offenhertzige reden/ eben ſo offenhertzig bekennen/ daß mir dieſelben nicht uͤbel gefallen. Ich habe daraus ihr guhtes gemuͤhte erblikket; ja ihre hertzliche zuneugung zu mir. Und daß ſie mir nicht etwan eine blaue dunſt/ ſich mir gefaͤllig zu machen/ vor die augen mahlen wol- len/ kan ich ihr an ihren augen wohl anſehen. Sie hat aus dem grunde des hertzens geredet. Ihre gedanken hat ſie mir nakt und bloß/ und ohne einigen falſchen uͤberzug oder ſchmuͤnke eroͤfnet. Ja ſie hat anders nichts geredet/ als was ſie gemeinet. Das weis ich. Das ſtehet vor ihrer ſtirne geſchrieben. Das zeiget das unfalſche weſen der reinen und zuͤchtigen blikke ihrer liebſeeligen Augen an. Ja der uͤmzug/ die bildung/ die zuͤge/ und das ſaͤmtliche weſen ihres gantzen angeſichtes ſeind mir deſſen gewiſſe zeugen. Die ſitzamen gebehrden ihres uͤbri- gen gantzen leibes bekraͤftigen eben daſſelbe. Aus einem munde/ der ſich mit ſolcher ſchaamhaftigen bewegung eroͤfnet/ kan kein falſches wort gehen. Und eben daruͤm koͤnnen mir ihr reden anders nicht als angenehm ſein. Joſef hatte ihm vorgenommen die Jungfrau von ſeinem eigenen ſelbſtande gantz ab zu lenken. Dan es war ihm zuwider/ ſo viel von ſich ſelbſt zu hoͤren. Und aus dieſen urſachen hatte er ſich/ ihre ſinnen und gedan- ken auf ſie zuruͤkke zu wenden/ bisher bemuͤhet; damit ſie ſich in ihr ſelbſten zu ſpiegeln anlaß bekaͤhmen. Ja nun trachtete er ſie gar aus ihrer gantzen geſelſchaft zu entfernen/ und an einen ſolchen ort zu fuͤhren/ da ſie noch weniger gelegenheit hetten auf ihn zuruͤkke zu pral- len. Die Jungfrau/ ſagte er/ hat im begin ihrer rede Fuͤrſt Potifars gedacht. Von dem habe ich auch in meinem Vaterlande gehoͤret. Er mus gewis ein großer man ſein/ und bei dem Koͤnige in hohem anſehen. Ja B iij

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Zitationshilfe: Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/45>, abgerufen am 27.04.2024.