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Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670.

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Der Assenat
eine so volkommene schönheit an einigem Jüngling[e]
erblikket. Und eben dasselbe verursachte sie zu muht[-]
maßen/ daß er irgend eines Fürsten Sohn sei; den di[e]
Ismaeler seinem Vater gestohlen. Sie könte nimmer[-]
mehr gleuben/ daß er ihnen/ ihrem vorgeben nach/ ver[-]
kauft worden. Auch hette sie fragen laßen: ob sie ih[n]
wieder verkauffen wolten/ und wie teuer? Darauf se[i]
ihr zur antwort worden: daß er vor kein geld/ aber wohl
vor des Königes gnade zu kauffe were: dem er auch mor-
gen früh solte verehret werden. Nach diesem bescheide
habe sie sich von stunden an nach der Königlichen burg
zu begeben/ meinem gnädigsten Freulein solche zeitung
zu bringen.

Kaum waren diese worte aus ihrem munde/ als sie
schon der gantze Hof wuste. Ein Edelknabe der Köni-
gin/ der meiner Fürstin eben etwas andienen solte/ hat-
te alles mit angehöret. Dieser brachte es vor seine gnä-
digste Frau/ in gegenwart anderer: welche es wieder an-
dern erzehleten. Es ist kaum zu gleuben/ wie behände
diese recht neue/ ja wohl recht seltzame zeitung von zim-
mer zu zimmer/ und endlich gar durch das gantze schlos
lief. Wo zween oder drei Höflinge/ oder Hofjungfrauen/
ja selbst Schüsselwäscherinnen beieinander stunden;
da redete man von nichts/ als von diesem schönen Leib-
eigenen. Jederman war begierig ihn zu sehen. Jeder-
man verlangte nach dem morgenden tage. Ja ich hal-
te gäntzlich darvor/ daß schweerlich eine/ es sei Frau oder
Jungfrau/ im Königlichen Frauenzimmer war/ die
sich nicht schon/ vom bloßen hörensagen/ in ihn verlie-
bet. Auch darf ich wohl melden/ daß das meiste Frauen-
zimmer/ aus alzuheftigem verlangen/ dieselbe nacht
schlafloß verschlossen. Kaum war der tag angebrochen/
als sie schon alle in dem fenstern lagen. Die meisten
hatten sich auch so aufgebutzt/ und so ausgezieret/ als
wan sie denselben tag/ als Breute/ solten zur traue ge-

hen.

Der Aſſenat
eine ſo volkommene ſchoͤnheit an einigem Juͤngling[e]
erblikket. Und eben daſſelbe verurſachte ſie zu muht[-]
maßen/ daß er irgend eines Fuͤrſten Sohn ſei; den di[e]
Ismaeler ſeinem Vater geſtohlen. Sie koͤnte nimmer[-]
mehr gleuben/ daß er ihnen/ ihrem vorgeben nach/ ver[-]
kauft worden. Auch hette ſie fragen laßen: ob ſie ih[n]
wieder verkauffen wolten/ und wie teuer? Darauf ſe[i]
ihr zur antwort worden: daß er vor kein geld/ aber wohl
vor des Koͤniges gnade zu kauffe were: dem er auch mor-
gen fruͤh ſolte verehret werden. Nach dieſem beſcheide
habe ſie ſich von ſtunden an nach der Koͤniglichen burg
zu begeben/ meinem gnaͤdigſten Freulein ſolche zeitung
zu bringen.

Kaum waren dieſe worte aus ihrem munde/ als ſie
ſchon der gantze Hof wuſte. Ein Edelknabe der Koͤni-
gin/ der meiner Fuͤrſtin eben etwas andienen ſolte/ hat-
te alles mit angehoͤret. Dieſer brachte es vor ſeine gnaͤ-
digſte Frau/ in gegenwart anderer: welche es wieder an-
dern erzehleten. Es iſt kaum zu gleuben/ wie behaͤnde
dieſe recht neue/ ja wohl recht ſeltzame zeitung von zim-
mer zu zimmer/ und endlich gar durch das gantze ſchlos
lief. Wo zween oder drei Hoͤflinge/ oder Hofjungfrauen/
ja ſelbſt Schuͤſſelwaͤſcherinnen beieinander ſtunden;
da redete man von nichts/ als von dieſem ſchoͤnen Leib-
eigenen. Jederman war begierig ihn zu ſehen. Jeder-
man verlangte nach dem morgenden tage. Ja ich hal-
te gaͤntzlich darvor/ daß ſchweerlich eine/ es ſei Frau oder
Jungfrau/ im Koͤniglichen Frauenzimmer war/ die
ſich nicht ſchon/ vom bloßen hoͤrenſagen/ in ihn verlie-
bet. Auch darf ich wohl melden/ daß das meiſte Frauen-
zimmer/ aus alzuheftigem verlangen/ dieſelbe nacht
ſchlafloß verſchloſſen. Kaum war der tag angebrochen/
als ſie ſchon alle in dem fenſtern lagen. Die meiſten
hatten ſich auch ſo aufgebutzt/ und ſo ausgezieret/ als
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hen.
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[18/0042] Der Aſſenat eine ſo volkommene ſchoͤnheit an einigem Juͤnglinge erblikket. Und eben daſſelbe verurſachte ſie zu muht- maßen/ daß er irgend eines Fuͤrſten Sohn ſei; den die Ismaeler ſeinem Vater geſtohlen. Sie koͤnte nimmer- mehr gleuben/ daß er ihnen/ ihrem vorgeben nach/ ver- kauft worden. Auch hette ſie fragen laßen: ob ſie ihn wieder verkauffen wolten/ und wie teuer? Darauf ſei ihr zur antwort worden: daß er vor kein geld/ aber wohl vor des Koͤniges gnade zu kauffe were: dem er auch mor- gen fruͤh ſolte verehret werden. Nach dieſem beſcheide habe ſie ſich von ſtunden an nach der Koͤniglichen burg zu begeben/ meinem gnaͤdigſten Freulein ſolche zeitung zu bringen. Kaum waren dieſe worte aus ihrem munde/ als ſie ſchon der gantze Hof wuſte. Ein Edelknabe der Koͤni- gin/ der meiner Fuͤrſtin eben etwas andienen ſolte/ hat- te alles mit angehoͤret. Dieſer brachte es vor ſeine gnaͤ- digſte Frau/ in gegenwart anderer: welche es wieder an- dern erzehleten. Es iſt kaum zu gleuben/ wie behaͤnde dieſe recht neue/ ja wohl recht ſeltzame zeitung von zim- mer zu zimmer/ und endlich gar durch das gantze ſchlos lief. Wo zween oder drei Hoͤflinge/ oder Hofjungfrauen/ ja ſelbſt Schuͤſſelwaͤſcherinnen beieinander ſtunden; da redete man von nichts/ als von dieſem ſchoͤnen Leib- eigenen. Jederman war begierig ihn zu ſehen. Jeder- man verlangte nach dem morgenden tage. Ja ich hal- te gaͤntzlich darvor/ daß ſchweerlich eine/ es ſei Frau oder Jungfrau/ im Koͤniglichen Frauenzimmer war/ die ſich nicht ſchon/ vom bloßen hoͤrenſagen/ in ihn verlie- bet. Auch darf ich wohl melden/ daß das meiſte Frauen- zimmer/ aus alzuheftigem verlangen/ dieſelbe nacht ſchlafloß verſchloſſen. Kaum war der tag angebrochen/ als ſie ſchon alle in dem fenſtern lagen. Die meiſten hatten ſich auch ſo aufgebutzt/ und ſo ausgezieret/ als wan ſie denſelben tag/ als Breute/ ſolten zur traue ge- hen.

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Zitationshilfe: Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/42>, abgerufen am 27.04.2024.