Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite
An Rose, im Haag.


Sonnenschein nach Regen; Wind, Wolken; prächti-
ges Grün; Blumen, Früchte, alles in Fülle. Das
Wetter ist nach Zeitungen und Briefen allenthalben
ganz gleich.

So gratulire ich dir denn aus vollem Herzen zu der
prächtigen Anna. Welch Glück, immer jemanden vor Augen
zu haben, dessen Inneres und Äußeres einem gefällt! Eigent-
lich brauchte ich nur das letztere zu sagen. Weil wir uns,
wenn wir richtig zuhorchen, nie irren, wenn uns ein Äußeres
wirklich gefällt. Anna gefällt mir durchaus. Augen, Au-
genbraunen, Haare, Zähne, Hals, Wuchs, alles dies schön;
die etwas großen Hände -- kleine hasse ich -- schön, Teint,
schön und reizend. Nymphenartig, fein, elegant, tüchtig, in-
nig, empfindungsvoll und gescheidt: so sieht sie aus; und so
ist sie. Spricht deutsch und französisch so reizend wie ein En-
gel; voller feiner Lebensart, und die Natürlichkeit selbst!
(Auch zieht sie sich gut an; und du weißt, was das bei mir
gilt! Ich kenne solch Mädchen jetzt nur durchaus in ihr.
Hier ist kein's ohne eine Beilage von Dünkel, Narrheit,
Fadheit, und Begränztheit; weil, sich all diese bösen Dinge,
auf Religiosität, Sittlichkeit, und Bildung des Innren, und
der hergebrachten Talente, und genossenen Unterricht beziehen
wollen: und ich daher nur stolze, steife, brummige, leere, un-
taugliche Gänse sehe. Ich nehme in meiner Bekannt-
schaft, in Norddeutschland
, nur aus: ............ --
Anna glaubt gewiß nicht, daß ich so von ihr denke, noch daß

An Roſe, im Haag.


Sonnenſchein nach Regen; Wind, Wolken; prächti-
ges Grün; Blumen, Früchte, alles in Fülle. Das
Wetter iſt nach Zeitungen und Briefen allenthalben
ganz gleich.

So gratulire ich dir denn aus vollem Herzen zu der
prächtigen Anna. Welch Glück, immer jemanden vor Augen
zu haben, deſſen Inneres und Äußeres einem gefällt! Eigent-
lich brauchte ich nur das letztere zu ſagen. Weil wir uns,
wenn wir richtig zuhorchen, nie irren, wenn uns ein Äußeres
wirklich gefällt. Anna gefällt mir durchaus. Augen, Au-
genbraunen, Haare, Zähne, Hals, Wuchs, alles dies ſchön;
die etwas großen Hände — kleine haſſe ich — ſchön, Teint,
ſchön und reizend. Nymphenartig, fein, elegant, tüchtig, in-
nig, empfindungsvoll und geſcheidt: ſo ſieht ſie aus; und ſo
iſt ſie. Spricht deutſch und franzöſiſch ſo reizend wie ein En-
gel; voller feiner Lebensart, und die Natürlichkeit ſelbſt!
(Auch zieht ſie ſich gut an; und du weißt, was das bei mir
gilt! Ich kenne ſolch Mädchen jetzt nur durchaus in ihr.
Hier iſt kein’s ohne eine Beilage von Dünkel, Narrheit,
Fadheit, und Begränztheit; weil, ſich all dieſe böſen Dinge,
auf Religioſität, Sittlichkeit, und Bildung des Innren, und
der hergebrachten Talente, und genoſſenen Unterricht beziehen
wollen: und ich daher nur ſtolze, ſteife, brummige, leere, un-
taugliche Gänſe ſehe. Ich nehme in meiner Bekannt-
ſchaft, in Norddeutſchland
, nur aus: ............ —
Anna glaubt gewiß nicht, daß ich ſo von ihr denke, noch daß

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0448" n="440"/>
        <div n="2">
          <head>An Ro&#x017F;e, im Haag.</head><lb/>
          <dateline> <hi rendition="#et">Sonntag, den 18. Juli 1830. Vormittag halb 12.</hi> </dateline><lb/>
          <p> <hi rendition="#et">Sonnen&#x017F;chein nach Regen; Wind, Wolken; prächti-<lb/>
ges Grün; Blumen, Früchte, alles in Fülle. Das<lb/>
Wetter i&#x017F;t nach Zeitungen und Briefen allenthalben<lb/>
ganz gleich.</hi> </p><lb/>
          <p>So gratulire ich dir denn aus vollem Herzen zu der<lb/>
prächtigen Anna. Welch Glück, immer jemanden vor Augen<lb/>
zu haben, de&#x017F;&#x017F;en Inneres und Äußeres einem gefällt! Eigent-<lb/>
lich brauchte ich nur das letztere zu &#x017F;agen. Weil wir uns,<lb/>
wenn wir richtig zuhorchen, nie irren, wenn uns ein Äußeres<lb/>
wirklich gefällt. Anna gefällt mir <hi rendition="#g">durchaus</hi>. Augen, Au-<lb/>
genbraunen, Haare, Zähne, Hals, Wuchs, alles dies <hi rendition="#g">&#x017F;chön</hi>;<lb/>
die etwas großen Hände &#x2014; kleine ha&#x017F;&#x017F;e ich &#x2014; <hi rendition="#g">&#x017F;chön</hi>, Teint,<lb/>
&#x017F;chön und reizend. Nymphenartig, fein, elegant, tüchtig, in-<lb/>
nig, empfindungsvoll und ge&#x017F;cheidt: &#x017F;o &#x017F;ieht &#x017F;ie aus; und &#x017F;o<lb/>
i&#x017F;t &#x017F;ie. Spricht deut&#x017F;ch und franzö&#x017F;i&#x017F;ch &#x017F;o reizend wie ein En-<lb/>
gel; voller feiner Lebensart, und die Natürlichkeit &#x017F;elb&#x017F;t!<lb/>
(Auch zieht &#x017F;ie &#x017F;ich gut an; und du weißt, was das bei mir<lb/>
gilt! <hi rendition="#g">Ich</hi> kenne &#x017F;olch Mädchen <hi rendition="#g">jetzt</hi> nur durchaus <hi rendition="#g">in ihr</hi>.<lb/>
Hier i&#x017F;t <hi rendition="#g">kein&#x2019;s</hi> ohne eine Beilage von Dünkel, Narrheit,<lb/>
Fadheit, und Begränztheit; weil, &#x017F;ich all die&#x017F;e bö&#x017F;en Dinge,<lb/>
auf Religio&#x017F;ität, Sittlichkeit, und Bildung des Innren, und<lb/>
der hergebrachten Talente, und geno&#x017F;&#x017F;enen Unterricht beziehen<lb/>
wollen: und ich daher nur &#x017F;tolze, &#x017F;teife, brummige, leere, un-<lb/>
taugliche <hi rendition="#g">Gän&#x017F;e</hi> &#x017F;ehe. Ich nehme <hi rendition="#g">in meiner Bekannt-<lb/>
&#x017F;chaft, in Norddeut&#x017F;chland</hi>, nur aus: ............ &#x2014;<lb/>
Anna glaubt gewiß nicht, daß ich &#x017F;o von ihr denke, noch daß<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[440/0448] An Roſe, im Haag. Sonntag, den 18. Juli 1830. Vormittag halb 12. Sonnenſchein nach Regen; Wind, Wolken; prächti- ges Grün; Blumen, Früchte, alles in Fülle. Das Wetter iſt nach Zeitungen und Briefen allenthalben ganz gleich. So gratulire ich dir denn aus vollem Herzen zu der prächtigen Anna. Welch Glück, immer jemanden vor Augen zu haben, deſſen Inneres und Äußeres einem gefällt! Eigent- lich brauchte ich nur das letztere zu ſagen. Weil wir uns, wenn wir richtig zuhorchen, nie irren, wenn uns ein Äußeres wirklich gefällt. Anna gefällt mir durchaus. Augen, Au- genbraunen, Haare, Zähne, Hals, Wuchs, alles dies ſchön; die etwas großen Hände — kleine haſſe ich — ſchön, Teint, ſchön und reizend. Nymphenartig, fein, elegant, tüchtig, in- nig, empfindungsvoll und geſcheidt: ſo ſieht ſie aus; und ſo iſt ſie. Spricht deutſch und franzöſiſch ſo reizend wie ein En- gel; voller feiner Lebensart, und die Natürlichkeit ſelbſt! (Auch zieht ſie ſich gut an; und du weißt, was das bei mir gilt! Ich kenne ſolch Mädchen jetzt nur durchaus in ihr. Hier iſt kein’s ohne eine Beilage von Dünkel, Narrheit, Fadheit, und Begränztheit; weil, ſich all dieſe böſen Dinge, auf Religioſität, Sittlichkeit, und Bildung des Innren, und der hergebrachten Talente, und genoſſenen Unterricht beziehen wollen: und ich daher nur ſtolze, ſteife, brummige, leere, un- taugliche Gänſe ſehe. Ich nehme in meiner Bekannt- ſchaft, in Norddeutſchland, nur aus: ............ — Anna glaubt gewiß nicht, daß ich ſo von ihr denke, noch daß

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/448
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 440. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/448>, abgerufen am 20.11.2024.