Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

Vorsätze aller Art, die er nicht genug verbirgt -- stellt sich
Tadel ein; wenn wir darin fortfahren in größerer Dimension
und größerem Detail, große Bewunderung. Hier wird er
ganz verkannt -- von den proneurs; und von der Heerde,
die den Tadlern nachspringt -- und das ist fast gerecht: da
Righini wenig erkannt war, und vergessen ist; obgleich ich
bei jeder Schönheit in Spontini's Musik gleich Righini an-
rufe, und mir sage: wie würde der das schön finden! Spon-
tini ist ihm sehr unähnlich; und oft höre ich doch Righini in
ihm. "Es winken sich die Weisen aller Zeiten!" über die
weg, von denen sie nicht erkannt werden. Liebe, wie sie
Righini dichtete, hat er noch nie geschildert. Auch den Olymp
in seiner Sonnenklarheit und wähligen reinen Höhe nicht:
auch gli infernali nicht mit poetischer Ahndung des Schreckens
und wühlenden Grausens. Auch daß er Liebe schildern kann,
glaub' ich; hätte sie ihm nur nicht zu oft in Frankreich ge-
sessen! wo sie, wie auf der ganzen Erde, empfunden wird;
wo aber die Nation sie sich erzogen hat, daß sie soll in Ge-
sellschaft gehen können, und noch wohlerzogner auf den Thea-
tern zu erscheinen hat. Aber eine Artigkeit tragisch und leiden-
schaftlich darstellen, muß monströs oder lächerlich ausfallen.
Also große reparation de talent an maitre Spontini. Heute
bin ich nun zu echauffirt, Also Adieu! V. findet das hier
über Spontini sehr gut.




Heute Nacht träumte mir, ich sei auf einem ganz ge-
wöhnlichen Ort mit vielen nahen Bekannten zusammen; von

Vorſätze aller Art, die er nicht genug verbirgt — ſtellt ſich
Tadel ein; wenn wir darin fortfahren in größerer Dimenſion
und größerem Detail, große Bewunderung. Hier wird er
ganz verkannt — von den prôneurs; und von der Heerde,
die den Tadlern nachſpringt — und das iſt faſt gerecht: da
Righini wenig erkannt war, und vergeſſen iſt; obgleich ich
bei jeder Schönheit in Spontini’s Muſik gleich Righini an-
rufe, und mir ſage: wie würde der das ſchön finden! Spon-
tini iſt ihm ſehr unähnlich; und oft höre ich doch Righini in
ihm. „Es winken ſich die Weiſen aller Zeiten!“ über die
weg, von denen ſie nicht erkannt werden. Liebe, wie ſie
Righini dichtete, hat er noch nie geſchildert. Auch den Olymp
in ſeiner Sonnenklarheit und wähligen reinen Höhe nicht:
auch gli infernali nicht mit poetiſcher Ahndung des Schreckens
und wühlenden Grauſens. Auch daß er Liebe ſchildern kann,
glaub’ ich; hätte ſie ihm nur nicht zu oft in Frankreich ge-
ſeſſen! wo ſie, wie auf der ganzen Erde, empfunden wird;
wo aber die Nation ſie ſich erzogen hat, daß ſie ſoll in Ge-
ſellſchaft gehen können, und noch wohlerzogner auf den Thea-
tern zu erſcheinen hat. Aber eine Artigkeit tragiſch und leiden-
ſchaftlich darſtellen, muß monſtrös oder lächerlich ausfallen.
Alſo große réparation de talent an maitre Spontini. Heute
bin ich nun zu echauffirt, Alſo Adieu! V. findet das hier
über Spontini ſehr gut.




Heute Nacht träumte mir, ich ſei auf einem ganz ge-
wöhnlichen Ort mit vielen nahen Bekannten zuſammen; von

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0207" n="199"/>
Vor&#x017F;ätze aller Art, die er nicht genug verbirgt &#x2014; &#x017F;tellt &#x017F;ich<lb/>
Tadel ein; wenn wir darin fortfahren in größerer Dimen&#x017F;ion<lb/>
und größerem Detail, große Bewunderung. Hier wird er<lb/>
ganz verkannt &#x2014; von den <hi rendition="#aq">prôneurs;</hi> und von der Heerde,<lb/>
die den Tadlern nach&#x017F;pringt &#x2014; und das i&#x017F;t fa&#x017F;t gerecht: da<lb/>
Righini wenig erkannt war, und verge&#x017F;&#x017F;en i&#x017F;t; obgleich <hi rendition="#g">ich</hi><lb/>
bei jeder Schönheit in Spontini&#x2019;s Mu&#x017F;ik gleich Righini an-<lb/>
rufe, und mir &#x017F;age: wie würde <hi rendition="#g">der</hi> das &#x017F;chön finden! Spon-<lb/>
tini i&#x017F;t ihm &#x017F;ehr unähnlich; und oft höre ich doch Righini in<lb/>
ihm. &#x201E;Es winken &#x017F;ich die Wei&#x017F;en aller Zeiten!&#x201C; über die<lb/>
weg, von denen &#x017F;ie nicht erkannt werden. Liebe, wie &#x017F;ie<lb/>
Righini dichtete, hat er noch nie ge&#x017F;childert. Auch den Olymp<lb/>
in &#x017F;einer Sonnenklarheit und wähligen reinen Höhe nicht:<lb/>
auch <hi rendition="#aq">gli infernali</hi> nicht mit poeti&#x017F;cher Ahndung des Schreckens<lb/>
und wühlenden Grau&#x017F;ens. Auch daß er Liebe &#x017F;childern kann,<lb/>
glaub&#x2019; ich; hätte &#x017F;ie ihm nur nicht zu oft in Frankreich ge-<lb/>
&#x017F;e&#x017F;&#x017F;en! wo &#x017F;ie, wie auf der ganzen Erde, empfunden wird;<lb/>
wo aber die Nation &#x017F;ie &#x017F;ich erzogen hat, daß &#x017F;ie &#x017F;oll in Ge-<lb/>
&#x017F;ell&#x017F;chaft gehen können, und noch wohlerzogner auf den Thea-<lb/>
tern zu er&#x017F;cheinen hat. Aber eine Artigkeit tragi&#x017F;ch und leiden-<lb/>
&#x017F;chaftlich dar&#x017F;tellen, muß mon&#x017F;trös oder lächerlich ausfallen.<lb/>
Al&#x017F;o große <hi rendition="#aq">réparation de talent an maitre Spontini.</hi> Heute<lb/>
bin ich nun zu echauffirt, Al&#x017F;o Adieu! V. findet das hier<lb/>
über Spontini &#x017F;ehr gut.</p>
          </div><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <div n="3">
            <dateline> <hi rendition="#et">Sonnabend, den 13. Mai 1825.</hi> </dateline><lb/>
            <p>Heute Nacht träumte mir, ich &#x017F;ei auf einem ganz ge-<lb/>
wöhnlichen Ort mit vielen nahen Bekannten zu&#x017F;ammen; von<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[199/0207] Vorſätze aller Art, die er nicht genug verbirgt — ſtellt ſich Tadel ein; wenn wir darin fortfahren in größerer Dimenſion und größerem Detail, große Bewunderung. Hier wird er ganz verkannt — von den prôneurs; und von der Heerde, die den Tadlern nachſpringt — und das iſt faſt gerecht: da Righini wenig erkannt war, und vergeſſen iſt; obgleich ich bei jeder Schönheit in Spontini’s Muſik gleich Righini an- rufe, und mir ſage: wie würde der das ſchön finden! Spon- tini iſt ihm ſehr unähnlich; und oft höre ich doch Righini in ihm. „Es winken ſich die Weiſen aller Zeiten!“ über die weg, von denen ſie nicht erkannt werden. Liebe, wie ſie Righini dichtete, hat er noch nie geſchildert. Auch den Olymp in ſeiner Sonnenklarheit und wähligen reinen Höhe nicht: auch gli infernali nicht mit poetiſcher Ahndung des Schreckens und wühlenden Grauſens. Auch daß er Liebe ſchildern kann, glaub’ ich; hätte ſie ihm nur nicht zu oft in Frankreich ge- ſeſſen! wo ſie, wie auf der ganzen Erde, empfunden wird; wo aber die Nation ſie ſich erzogen hat, daß ſie ſoll in Ge- ſellſchaft gehen können, und noch wohlerzogner auf den Thea- tern zu erſcheinen hat. Aber eine Artigkeit tragiſch und leiden- ſchaftlich darſtellen, muß monſtrös oder lächerlich ausfallen. Alſo große réparation de talent an maitre Spontini. Heute bin ich nun zu echauffirt, Alſo Adieu! V. findet das hier über Spontini ſehr gut. Sonnabend, den 13. Mai 1825. Heute Nacht träumte mir, ich ſei auf einem ganz ge- wöhnlichen Ort mit vielen nahen Bekannten zuſammen; von

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/207
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/207>, abgerufen am 20.11.2024.