sung geht der aus! Nach welcher großen Menschenangelegen- heit strebt und zielt der auf reinem Wege unaufhaltsam hin! Auch er führt uns durch accentuirte, scharf gezeichnete Details, ohne unnütz zu werden und sich daher in's Langweilige zu verlieren: im genauesten Sinne des Worts, verlieren. Nicht als Meister, überläßt es Walter Scott dem Leser, noch seine bessere Beabsichtigung fest zu halten. Er schildert Winkel, anstatt die Welt. Es ist wahr: daß wer einen Winkel ab- solut kennte, begriffe und schildern könnte, der würde der sein, der die Natur verstände wie sie lebt und ist; aber den Zusam- menhang dieses Winkels mit ihr, darf er nicht aus den Augen verlieren und ihn verbauen: mit je mehr Talent diese Verein- zelung ausgeführt wird, je peinlicher wird sie: und Walter Scott peinigt mich. Er wird es mir verzeihen; da er so sehr, so Vielen gefällt, die Einen Geschmack mit ihm haben, und ihm daher lieber sein müssen. --
An Rose, im Haag.
Berlin, den 15. November 1823.
Sonnabend Vormittag 11 Uhr. Windig- ko- thig Wetter, welches manchmal hell werden will: auch die Sonne zeigte sich Einmal.
-- -- Es freut mich nicht wenig, daß du wohl bist, und die Reise gut überstanden hast! Mich schlug ein einziger Vor- mittag-Nebel zu Grunde. Ach! du kennst meine Gesundheit nicht! Grad zwei Monat im ganzen Jahr war ich ziemlich. Nun! auch ein Glück. Die Stadt erwartet Feste und Auf-
ſung geht der aus! Nach welcher großen Menſchenangelegen- heit ſtrebt und zielt der auf reinem Wege unaufhaltſam hin! Auch er führt uns durch accentuirte, ſcharf gezeichnete Details, ohne unnütz zu werden und ſich daher in’s Langweilige zu verlieren: im genaueſten Sinne des Worts, verlieren. Nicht als Meiſter, überläßt es Walter Scott dem Leſer, noch ſeine beſſere Beabſichtigung feſt zu halten. Er ſchildert Winkel, anſtatt die Welt. Es iſt wahr: daß wer einen Winkel ab- ſolut kennte, begriffe und ſchildern könnte, der würde der ſein, der die Natur verſtände wie ſie lebt und iſt; aber den Zuſam- menhang dieſes Winkels mit ihr, darf er nicht aus den Augen verlieren und ihn verbauen: mit je mehr Talent dieſe Verein- zelung ausgeführt wird, je peinlicher wird ſie: und Walter Scott peinigt mich. Er wird es mir verzeihen; da er ſo ſehr, ſo Vielen gefällt, die Einen Geſchmack mit ihm haben, und ihm daher lieber ſein müſſen. —
An Roſe, im Haag.
Berlin, den 15. November 1823.
Sonnabend Vormittag 11 Uhr. Windig- ko- thig Wetter, welches manchmal hell werden will: auch die Sonne zeigte ſich Einmal.
— — Es freut mich nicht wenig, daß du wohl biſt, und die Reiſe gut überſtanden haſt! Mich ſchlug ein einziger Vor- mittag-Nebel zu Grunde. Ach! du kennſt meine Geſundheit nicht! Grad zwei Monat im ganzen Jahr war ich ziemlich. Nun! auch ein Glück. Die Stadt erwartet Feſte und Auf-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0134"n="126"/>ſung geht der aus! Nach welcher großen Menſchenangelegen-<lb/>
heit ſtrebt und zielt der auf reinem Wege unaufhaltſam hin!<lb/>
Auch er führt uns durch accentuirte, ſcharf gezeichnete Details,<lb/>
ohne unnütz zu werden und ſich daher in’s Langweilige zu<lb/>
verlieren: im genaueſten Sinne des Worts, <hirendition="#g">verlieren. Nicht</hi><lb/>
als Meiſter, überläßt es Walter Scott dem <hirendition="#g">Leſer</hi>, noch ſeine<lb/>
beſſere Beabſichtigung feſt zu halten. Er ſchildert Winkel,<lb/>
anſtatt die Welt. Es iſt wahr: daß wer <hirendition="#g">einen</hi> Winkel ab-<lb/>ſolut kennte, begriffe und ſchildern könnte, der würde der ſein,<lb/>
der die Natur verſtände wie ſie lebt und iſt; aber den Zuſam-<lb/>
menhang dieſes Winkels mit ihr, darf er nicht aus den Augen<lb/>
verlieren und ihn verbauen: mit je mehr Talent dieſe Verein-<lb/>
zelung ausgeführt wird, je peinlicher wird ſie: und Walter<lb/>
Scott peinigt mich. Er wird es mir verzeihen; da er ſo ſehr,<lb/>ſo Vielen gefällt, die Einen Geſchmack mit ihm haben, und<lb/>
ihm daher lieber ſein müſſen. —</p></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><divn="2"><head>An Roſe, im Haag.</head><lb/><dateline><hirendition="#et">Berlin, den 15. November 1823.</hi></dateline><lb/><p><hirendition="#et">Sonnabend Vormittag 11 Uhr. Windig- ko-<lb/>
thig Wetter, welches manchmal hell werden<lb/>
will: auch die Sonne zeigte ſich Einmal.</hi></p><lb/><p>—— Es freut mich nicht wenig, daß du wohl biſt, und<lb/>
die Reiſe gut überſtanden haſt! Mich ſchlug ein einziger Vor-<lb/>
mittag-Nebel zu Grunde. Ach! du kennſt meine Geſundheit<lb/>
nicht! Grad zwei Monat im <hirendition="#g">ganzen</hi> Jahr war ich ziemlich.<lb/>
Nun! auch ein Glück. Die Stadt erwartet Feſte und Auf-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[126/0134]
ſung geht der aus! Nach welcher großen Menſchenangelegen-
heit ſtrebt und zielt der auf reinem Wege unaufhaltſam hin!
Auch er führt uns durch accentuirte, ſcharf gezeichnete Details,
ohne unnütz zu werden und ſich daher in’s Langweilige zu
verlieren: im genaueſten Sinne des Worts, verlieren. Nicht
als Meiſter, überläßt es Walter Scott dem Leſer, noch ſeine
beſſere Beabſichtigung feſt zu halten. Er ſchildert Winkel,
anſtatt die Welt. Es iſt wahr: daß wer einen Winkel ab-
ſolut kennte, begriffe und ſchildern könnte, der würde der ſein,
der die Natur verſtände wie ſie lebt und iſt; aber den Zuſam-
menhang dieſes Winkels mit ihr, darf er nicht aus den Augen
verlieren und ihn verbauen: mit je mehr Talent dieſe Verein-
zelung ausgeführt wird, je peinlicher wird ſie: und Walter
Scott peinigt mich. Er wird es mir verzeihen; da er ſo ſehr,
ſo Vielen gefällt, die Einen Geſchmack mit ihm haben, und
ihm daher lieber ſein müſſen. —
An Roſe, im Haag.
Berlin, den 15. November 1823.
Sonnabend Vormittag 11 Uhr. Windig- ko-
thig Wetter, welches manchmal hell werden
will: auch die Sonne zeigte ſich Einmal.
— — Es freut mich nicht wenig, daß du wohl biſt, und
die Reiſe gut überſtanden haſt! Mich ſchlug ein einziger Vor-
mittag-Nebel zu Grunde. Ach! du kennſt meine Geſundheit
nicht! Grad zwei Monat im ganzen Jahr war ich ziemlich.
Nun! auch ein Glück. Die Stadt erwartet Feſte und Auf-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/134>, abgerufen am 20.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.