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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777.

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VII. Versuch. Von der Rothwendigkeit
die allgemeinsten Gattungen von Verhältnissen und Be-
ziehungen angeben, die der Verstand bey den Vorstel-
lungen von den Dingen denket, und nicht anders, als
ihnen gemäß, denken kann.

Der Satz: ich denke, gehört mit allen Sätzen
des unmittelbaren Bewußtseyns
zu den zufälligen
Wahrheiten, so schlechthin nothwendig es uns auch ist,
ihn für einen wahren Satz anzunehmen. Denn wir er-
kennen, daß, obgleich meinem Jch die Aktion des Den-
kens jetzo wirklich zukomme, so liege doch in der Jdee
eines solchen Dinges, als mein Jch ist, weder daß es
immer wirklich denke, wenn es wirklich ist, noch daß
es überhaupt wirklich vorhanden sey. Jch verbinde zwar
den Gedanken, daß ich wirklich bin, mit der Vorstel-
lung von meinem Jch; aber ich weiß es auch, daß diese
Verbindung nicht aus der Vorstellung des Subjekts,
und dem Begriff von der Wirklichkeit, als dem Prädi-
kat abhange, sondern daß noch ein anderer Grund, näm-
lich die Empfindung meines Jchs die Ursache ist, wo-
durch die Denkkraft zu dem Gedanken: ich bin, be-
stimmt wird.

12.

Ohne weiter in diese Betrachtung hinein zu gehen,
will ich nur noch das Gesetz des zufälligen Beyfalls,
und das Gesetz, nach welchem wir nothwendig etwas
für objektivisch zufällig erkennen, gegen einander stel-
len. Sie sind nicht einerley; aber sie haben doch ver-
schiedenes mit einander gemein, und beziehen sich auf
einander.

Subjektivisch zufällig ist der Verhältnißge-
danke
oder das Urtheil, in Hinsicht auf die Natur der
Denkkraft, und der Jdeen, die auf einander bezogen
werden, "wenn die Aktion des Urtheilens nur durch ei-
"ne associirte Empfindung, oder Vorstellung, bestimmet

"wird,

VII. Verſuch. Von der Rothwendigkeit
die allgemeinſten Gattungen von Verhaͤltniſſen und Be-
ziehungen angeben, die der Verſtand bey den Vorſtel-
lungen von den Dingen denket, und nicht anders, als
ihnen gemaͤß, denken kann.

Der Satz: ich denke, gehoͤrt mit allen Saͤtzen
des unmittelbaren Bewußtſeyns
zu den zufaͤlligen
Wahrheiten, ſo ſchlechthin nothwendig es uns auch iſt,
ihn fuͤr einen wahren Satz anzunehmen. Denn wir er-
kennen, daß, obgleich meinem Jch die Aktion des Den-
kens jetzo wirklich zukomme, ſo liege doch in der Jdee
eines ſolchen Dinges, als mein Jch iſt, weder daß es
immer wirklich denke, wenn es wirklich iſt, noch daß
es uͤberhaupt wirklich vorhanden ſey. Jch verbinde zwar
den Gedanken, daß ich wirklich bin, mit der Vorſtel-
lung von meinem Jch; aber ich weiß es auch, daß dieſe
Verbindung nicht aus der Vorſtellung des Subjekts,
und dem Begriff von der Wirklichkeit, als dem Praͤdi-
kat abhange, ſondern daß noch ein anderer Grund, naͤm-
lich die Empfindung meines Jchs die Urſache iſt, wo-
durch die Denkkraft zu dem Gedanken: ich bin, be-
ſtimmt wird.

12.

Ohne weiter in dieſe Betrachtung hinein zu gehen,
will ich nur noch das Geſetz des zufaͤlligen Beyfalls,
und das Geſetz, nach welchem wir nothwendig etwas
fuͤr objektiviſch zufaͤllig erkennen, gegen einander ſtel-
len. Sie ſind nicht einerley; aber ſie haben doch ver-
ſchiedenes mit einander gemein, und beziehen ſich auf
einander.

Subjektiviſch zufaͤllig iſt der Verhaͤltnißge-
danke
oder das Urtheil, in Hinſicht auf die Natur der
Denkkraft, und der Jdeen, die auf einander bezogen
werden, „wenn die Aktion des Urtheilens nur durch ei-
„ne aſſociirte Empfindung, oder Vorſtellung, beſtimmet

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[568/0628] VII. Verſuch. Von der Rothwendigkeit die allgemeinſten Gattungen von Verhaͤltniſſen und Be- ziehungen angeben, die der Verſtand bey den Vorſtel- lungen von den Dingen denket, und nicht anders, als ihnen gemaͤß, denken kann. Der Satz: ich denke, gehoͤrt mit allen Saͤtzen des unmittelbaren Bewußtſeyns zu den zufaͤlligen Wahrheiten, ſo ſchlechthin nothwendig es uns auch iſt, ihn fuͤr einen wahren Satz anzunehmen. Denn wir er- kennen, daß, obgleich meinem Jch die Aktion des Den- kens jetzo wirklich zukomme, ſo liege doch in der Jdee eines ſolchen Dinges, als mein Jch iſt, weder daß es immer wirklich denke, wenn es wirklich iſt, noch daß es uͤberhaupt wirklich vorhanden ſey. Jch verbinde zwar den Gedanken, daß ich wirklich bin, mit der Vorſtel- lung von meinem Jch; aber ich weiß es auch, daß dieſe Verbindung nicht aus der Vorſtellung des Subjekts, und dem Begriff von der Wirklichkeit, als dem Praͤdi- kat abhange, ſondern daß noch ein anderer Grund, naͤm- lich die Empfindung meines Jchs die Urſache iſt, wo- durch die Denkkraft zu dem Gedanken: ich bin, be- ſtimmt wird. 12. Ohne weiter in dieſe Betrachtung hinein zu gehen, will ich nur noch das Geſetz des zufaͤlligen Beyfalls, und das Geſetz, nach welchem wir nothwendig etwas fuͤr objektiviſch zufaͤllig erkennen, gegen einander ſtel- len. Sie ſind nicht einerley; aber ſie haben doch ver- ſchiedenes mit einander gemein, und beziehen ſich auf einander. Subjektiviſch zufaͤllig iſt der Verhaͤltnißge- danke oder das Urtheil, in Hinſicht auf die Natur der Denkkraft, und der Jdeen, die auf einander bezogen werden, „wenn die Aktion des Urtheilens nur durch ei- „ne aſſociirte Empfindung, oder Vorſtellung, beſtimmet „wird,

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Zitationshilfe: Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 568. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/628>, abgerufen am 30.12.2024.