Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stock, Ch. L.: Grundzüge der Verfassung des Gesellenwesens der deutschen Handwerker in alter und neuer Zeit. Magdeburg, 1844.

Bild:
<< vorherige Seite

gingen nun zwar vor der Hand wieder zu ihren Meistern, ver-
weigerten aber die gewöhnliche Auflage zu halten und die Auf-
lagegelder zu entrichten, bis der Rath die neuen Verordnungen
zurückgenommen haben würde. Dieser an seinem Theil, hatte in
Erwägung, daß der Frevel und Trotz der Gesellen nicht unge-
ahndet hingehen könne, ihnen eine Strafe von 11/2 Gulden für
den Mann zuerkannt, sie warteten jedoch das Erkenntniß nicht
ab, sondern zogen, 132 an der Zahl, aus der Stadt, in das
nahe liegende Baiersche Städtchen Friedberg. Hier lagen sie
an zwölf Wochen, während dem der Magistrat zu Augsburg
vergebens mit ihnen unterhandelte, bis Geldnoth sie entzweiete
und zur Besinnung brachte. Sie hatten in dieser Zeit 3132
Gulden Schulden gemacht, und es handelte sich endlich nicht so
ernstlich um ihre Rückkehr nach Augsburg, als um Herbeischaf-
fung dieser Summe, welche sie noch dazu von dem Magistrat
forderten. Jetzt, wahrscheinlich auf Anrufen der Einwohner zu
Friedberg, nahm die Landesregierung thätigen Antheil an dem
Handel; sie schickte eine Commission dahin, ließ mehrere, beson-
ders die Altgesellen, einsperren, bis die ganze Brüderschaft sich
mittelst ausgestellter und beschworner Obligation verbindlich
machte, die aufgelaufene Schuld binnen drei Jahren zu bezah-
len; worauf man sie ungehindert ziehen ließ. Eine kleine An-
zahl, vielleicht nur Eingeborner, kehrte zwar nach Augsburg
zurück, die Mehrzahl zerstreute sich jedoch und 1728 war die
Sache noch nicht völlig ausgeglichen; die Meister, auf welche
endlich die Gesellen alle Schuld wälzten, baten noch in diesem
Jahre den Magistrat um Abhülfe und versicherten, daß kein
fremder Gesell bei ihnen arbeiten wolle.

Nach den Regeln der damals noch ziemlich festen deutschen
Innungsverfassung, erkennen wir zwei Fehler, welche diesen Auf-
stand herbeiführten; einmal, daß die Geschwornen oder Gesellen-
beisitzer zugegeben hatten, daß die Altgesellen das Brüderschafts-
siegel in den Händen behielten, was bei gehöriger Aufmerksamkeit
nicht geschehen konnte; zweitens, daß der Magistrat, oder das
Handwerksgericht, seine Verordnung nicht an die Innung, als
die nächste Behörde der Gesellen, vielmehr unmittelbar an diese
richtete, welche aber, vermöge ihrer Statuten, nur von dieser
Befehle anzunehmen hatte; es wird auch wahrscheinlich, daß
die Meister, in der Meinung, die Gesellen würden es so weit
nicht treiben, diese anfangs unterstützten, um ihre Empfindlichkeit
darüber, daß sie übergangen waren, an den Tag zu legen.

gingen nun zwar vor der Hand wieder zu ihren Meiſtern, ver-
weigerten aber die gewöhnliche Auflage zu halten und die Auf-
lagegelder zu entrichten, bis der Rath die neuen Verordnungen
zurückgenommen haben würde. Dieſer an ſeinem Theil, hatte in
Erwägung, daß der Frevel und Trotz der Geſellen nicht unge-
ahndet hingehen könne, ihnen eine Strafe von 1½ Gulden für
den Mann zuerkannt, ſie warteten jedoch das Erkenntniß nicht
ab, ſondern zogen, 132 an der Zahl, aus der Stadt, in das
nahe liegende Baierſche Städtchen Friedberg. Hier lagen ſie
an zwölf Wochen, während dem der Magiſtrat zu Augsburg
vergebens mit ihnen unterhandelte, bis Geldnoth ſie entzweiete
und zur Beſinnung brachte. Sie hatten in dieſer Zeit 3132
Gulden Schulden gemacht, und es handelte ſich endlich nicht ſo
ernſtlich um ihre Rückkehr nach Augsburg, als um Herbeiſchaf-
fung dieſer Summe, welche ſie noch dazu von dem Magiſtrat
forderten. Jetzt, wahrſcheinlich auf Anrufen der Einwohner zu
Friedberg, nahm die Landesregierung thätigen Antheil an dem
Handel; ſie ſchickte eine Commiſſion dahin, ließ mehrere, beſon-
ders die Altgeſellen, einſperren, bis die ganze Brüderſchaft ſich
mittelſt ausgeſtellter und beſchworner Obligation verbindlich
machte, die aufgelaufene Schuld binnen drei Jahren zu bezah-
len; worauf man ſie ungehindert ziehen ließ. Eine kleine An-
zahl, vielleicht nur Eingeborner, kehrte zwar nach Augsburg
zurück, die Mehrzahl zerſtreute ſich jedoch und 1728 war die
Sache noch nicht völlig ausgeglichen; die Meiſter, auf welche
endlich die Geſellen alle Schuld wälzten, baten noch in dieſem
Jahre den Magiſtrat um Abhülfe und verſicherten, daß kein
fremder Geſell bei ihnen arbeiten wolle.

Nach den Regeln der damals noch ziemlich feſten deutſchen
Innungsverfaſſung, erkennen wir zwei Fehler, welche dieſen Auf-
ſtand herbeiführten; einmal, daß die Geſchwornen oder Geſellen-
beiſitzer zugegeben hatten, daß die Altgeſellen das Brüderſchafts-
ſiegel in den Händen behielten, was bei gehöriger Aufmerkſamkeit
nicht geſchehen konnte; zweitens, daß der Magiſtrat, oder das
Handwerksgericht, ſeine Verordnung nicht an die Innung, als
die nächſte Behörde der Geſellen, vielmehr unmittelbar an dieſe
richtete, welche aber, vermöge ihrer Statuten, nur von dieſer
Befehle anzunehmen hatte; es wird auch wahrſcheinlich, daß
die Meiſter, in der Meinung, die Geſellen würden es ſo weit
nicht treiben, dieſe anfangs unterſtützten, um ihre Empfindlichkeit
darüber, daß ſie übergangen waren, an den Tag zu legen.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0118" n="108"/>
gingen nun zwar vor der Hand wieder zu ihren Mei&#x017F;tern, ver-<lb/>
weigerten aber die gewöhnliche Auflage zu halten und die Auf-<lb/>
lagegelder zu entrichten, bis der Rath die neuen Verordnungen<lb/>
zurückgenommen haben würde. Die&#x017F;er an &#x017F;einem Theil, hatte in<lb/>
Erwägung, daß der Frevel und Trotz der Ge&#x017F;ellen nicht unge-<lb/>
ahndet hingehen könne, ihnen eine Strafe von 1½ Gulden für<lb/>
den Mann zuerkannt, &#x017F;ie warteten jedoch das Erkenntniß nicht<lb/>
ab, &#x017F;ondern zogen, 132 an der Zahl, aus der Stadt, in das<lb/>
nahe liegende Baier&#x017F;che Städtchen Friedberg. Hier lagen &#x017F;ie<lb/>
an zwölf Wochen, während dem der Magi&#x017F;trat zu Augsburg<lb/>
vergebens mit ihnen unterhandelte, bis Geldnoth &#x017F;ie entzweiete<lb/>
und zur Be&#x017F;innung brachte. Sie hatten in die&#x017F;er Zeit 3132<lb/>
Gulden Schulden gemacht, und es handelte &#x017F;ich endlich nicht &#x017F;o<lb/>
ern&#x017F;tlich um ihre Rückkehr nach Augsburg, als um Herbei&#x017F;chaf-<lb/>
fung die&#x017F;er Summe, welche &#x017F;ie noch dazu von dem Magi&#x017F;trat<lb/>
forderten. Jetzt, wahr&#x017F;cheinlich auf Anrufen der Einwohner zu<lb/>
Friedberg, nahm die Landesregierung thätigen Antheil an dem<lb/>
Handel; &#x017F;ie &#x017F;chickte eine Commi&#x017F;&#x017F;ion dahin, ließ mehrere, be&#x017F;on-<lb/>
ders die Altge&#x017F;ellen, ein&#x017F;perren, bis die ganze Brüder&#x017F;chaft &#x017F;ich<lb/>
mittel&#x017F;t ausge&#x017F;tellter und be&#x017F;chworner Obligation verbindlich<lb/>
machte, die aufgelaufene Schuld binnen drei Jahren zu bezah-<lb/>
len; worauf man &#x017F;ie ungehindert ziehen ließ. Eine kleine An-<lb/>
zahl, vielleicht nur Eingeborner, kehrte zwar nach Augsburg<lb/>
zurück, die Mehrzahl zer&#x017F;treute &#x017F;ich jedoch und 1728 war die<lb/>
Sache noch nicht völlig ausgeglichen; die Mei&#x017F;ter, auf welche<lb/>
endlich die Ge&#x017F;ellen alle Schuld wälzten, baten noch in die&#x017F;em<lb/>
Jahre den Magi&#x017F;trat um Abhülfe und ver&#x017F;icherten, daß kein<lb/>
fremder Ge&#x017F;ell bei ihnen arbeiten wolle.</p><lb/>
        <p>Nach den Regeln der damals noch ziemlich fe&#x017F;ten deut&#x017F;chen<lb/>
Innungsverfa&#x017F;&#x017F;ung, erkennen wir zwei Fehler, welche die&#x017F;en Auf-<lb/>
&#x017F;tand herbeiführten; einmal, daß die Ge&#x017F;chwornen oder Ge&#x017F;ellen-<lb/>
bei&#x017F;itzer zugegeben hatten, daß die Altge&#x017F;ellen das Brüder&#x017F;chafts-<lb/>
&#x017F;iegel in den Händen behielten, was bei gehöriger Aufmerk&#x017F;amkeit<lb/>
nicht ge&#x017F;chehen konnte; zweitens, daß der Magi&#x017F;trat, oder das<lb/>
Handwerksgericht, &#x017F;eine Verordnung nicht an die Innung, als<lb/>
die näch&#x017F;te Behörde der Ge&#x017F;ellen, vielmehr unmittelbar an die&#x017F;e<lb/>
richtete, welche aber, vermöge ihrer Statuten, nur von die&#x017F;er<lb/>
Befehle anzunehmen hatte; es wird auch wahr&#x017F;cheinlich, daß<lb/>
die Mei&#x017F;ter, in der Meinung, die Ge&#x017F;ellen würden es &#x017F;o weit<lb/>
nicht treiben, die&#x017F;e anfangs unter&#x017F;tützten, um ihre Empfindlichkeit<lb/>
darüber, daß &#x017F;ie übergangen waren, an den Tag zu legen.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[108/0118] gingen nun zwar vor der Hand wieder zu ihren Meiſtern, ver- weigerten aber die gewöhnliche Auflage zu halten und die Auf- lagegelder zu entrichten, bis der Rath die neuen Verordnungen zurückgenommen haben würde. Dieſer an ſeinem Theil, hatte in Erwägung, daß der Frevel und Trotz der Geſellen nicht unge- ahndet hingehen könne, ihnen eine Strafe von 1½ Gulden für den Mann zuerkannt, ſie warteten jedoch das Erkenntniß nicht ab, ſondern zogen, 132 an der Zahl, aus der Stadt, in das nahe liegende Baierſche Städtchen Friedberg. Hier lagen ſie an zwölf Wochen, während dem der Magiſtrat zu Augsburg vergebens mit ihnen unterhandelte, bis Geldnoth ſie entzweiete und zur Beſinnung brachte. Sie hatten in dieſer Zeit 3132 Gulden Schulden gemacht, und es handelte ſich endlich nicht ſo ernſtlich um ihre Rückkehr nach Augsburg, als um Herbeiſchaf- fung dieſer Summe, welche ſie noch dazu von dem Magiſtrat forderten. Jetzt, wahrſcheinlich auf Anrufen der Einwohner zu Friedberg, nahm die Landesregierung thätigen Antheil an dem Handel; ſie ſchickte eine Commiſſion dahin, ließ mehrere, beſon- ders die Altgeſellen, einſperren, bis die ganze Brüderſchaft ſich mittelſt ausgeſtellter und beſchworner Obligation verbindlich machte, die aufgelaufene Schuld binnen drei Jahren zu bezah- len; worauf man ſie ungehindert ziehen ließ. Eine kleine An- zahl, vielleicht nur Eingeborner, kehrte zwar nach Augsburg zurück, die Mehrzahl zerſtreute ſich jedoch und 1728 war die Sache noch nicht völlig ausgeglichen; die Meiſter, auf welche endlich die Geſellen alle Schuld wälzten, baten noch in dieſem Jahre den Magiſtrat um Abhülfe und verſicherten, daß kein fremder Geſell bei ihnen arbeiten wolle. Nach den Regeln der damals noch ziemlich feſten deutſchen Innungsverfaſſung, erkennen wir zwei Fehler, welche dieſen Auf- ſtand herbeiführten; einmal, daß die Geſchwornen oder Geſellen- beiſitzer zugegeben hatten, daß die Altgeſellen das Brüderſchafts- ſiegel in den Händen behielten, was bei gehöriger Aufmerkſamkeit nicht geſchehen konnte; zweitens, daß der Magiſtrat, oder das Handwerksgericht, ſeine Verordnung nicht an die Innung, als die nächſte Behörde der Geſellen, vielmehr unmittelbar an dieſe richtete, welche aber, vermöge ihrer Statuten, nur von dieſer Befehle anzunehmen hatte; es wird auch wahrſcheinlich, daß die Meiſter, in der Meinung, die Geſellen würden es ſo weit nicht treiben, dieſe anfangs unterſtützten, um ihre Empfindlichkeit darüber, daß ſie übergangen waren, an den Tag zu legen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stock_gesellenwesen_1844
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stock_gesellenwesen_1844/118
Zitationshilfe: Stock, Ch. L.: Grundzüge der Verfassung des Gesellenwesens der deutschen Handwerker in alter und neuer Zeit. Magdeburg, 1844, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stock_gesellenwesen_1844/118>, abgerufen am 27.04.2024.