letzte Tod-Sünde begehe. Wenn sie mir alsdenn noch einmahl vergiebet, so sind zugleich alle künfti- gen und möglichen Sünden vergeben.
Die Thür ist schon wieder abgeschlossen. Jch hatte der Dorcas befohlen, sie das nächste mahl, da sie sie wieder sähe zu bitten, daß sie mir erlauben möchte diesen Mittag bey ihr zu speisen. Jn Gna- den abgeschlagen! jedoch hat sie es dieses mahl höflich abgeschlagen. Es scheint, sie will nach und nach wieder näher kommen. Das ehrliche Kammer-Mäd- chen saget mir in der Sprache ihrer Haus-Mutter: ich würde nichts ausrichten, wenn ich nicht den Haupt- Sturm wagte. Jch sinne schon auf den Haupt- Sturm, ich mache schon Anstalten dazu. Allein mein verfluchtes Hertz widerspricht mir und hält mich für einen Narren. Jch schliesse meinen Brief, obgleich meine Felsen-harte Beherrscherin mich wei- ter nichts thun läßt, als schreiben, lesen und mich ärgern.
Wir pflegen uns nicht nach der gewöhnlichen Art zu unterschreiben. Wenn wir es aber auch thäten, so bin ich meinem Kinde so ergeben, daß ich dir und andern ohnmöglich melden kann, wie wenig ich bin Dein ergebener Diener.
Der dritte Brief von Fräulein Clarissa Harlowe an Fräulein Howe.
Dienstags den 9ten May.
Wenn
letzte Tod-Suͤnde begehe. Wenn ſie mir alsdenn noch einmahl vergiebet, ſo ſind zugleich alle kuͤnfti- gen und moͤglichen Suͤnden vergeben.
Die Thuͤr iſt ſchon wieder abgeſchloſſen. Jch hatte der Dorcas befohlen, ſie das naͤchſte mahl, da ſie ſie wieder ſaͤhe zu bitten, daß ſie mir erlauben moͤchte dieſen Mittag bey ihr zu ſpeiſen. Jn Gna- den abgeſchlagen! jedoch hat ſie es dieſes mahl hoͤflich abgeſchlagen. Es ſcheint, ſie will nach und nach wieder naͤher kommen. Das ehrliche Kammer-Maͤd- chen ſaget mir in der Sprache ihrer Haus-Mutter: ich wuͤrde nichts ausrichten, wenn ich nicht den Haupt- Sturm wagte. Jch ſinne ſchon auf den Haupt- Sturm, ich mache ſchon Anſtalten dazu. Allein mein verfluchtes Hertz widerſpricht mir und haͤlt mich fuͤr einen Narren. Jch ſchlieſſe meinen Brief, obgleich meine Felſen-harte Beherrſcherin mich wei- ter nichts thun laͤßt, als ſchreiben, leſen und mich aͤrgern.
Wir pflegen uns nicht nach der gewoͤhnlichen Art zu unterſchreiben. Wenn wir es aber auch thaͤten, ſo bin ich meinem Kinde ſo ergeben, daß ich dir und andern ohnmoͤglich melden kann, wie wenig ich bin Dein ergebener Diener.
Der dritte Brief von Fraͤulein Clariſſa Harlowe an Fraͤulein Howe.
Dienſtags den 9ten May.
Wenn
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letzte Tod-Suͤnde begehe. Wenn ſie mir alsdenn
noch einmahl vergiebet, ſo ſind zugleich alle kuͤnfti-
gen und moͤglichen Suͤnden vergeben.
Die Thuͤr iſt ſchon wieder abgeſchloſſen. Jch
hatte der Dorcas befohlen, ſie das naͤchſte mahl,
da ſie ſie wieder ſaͤhe zu bitten, daß ſie mir erlauben
moͤchte dieſen Mittag bey ihr zu ſpeiſen. Jn Gna-
den abgeſchlagen! jedoch hat ſie es dieſes mahl hoͤflich
abgeſchlagen. Es ſcheint, ſie will nach und nach
wieder naͤher kommen. Das ehrliche Kammer-Maͤd-
chen ſaget mir in der Sprache ihrer Haus-Mutter:
ich wuͤrde nichts ausrichten, wenn ich nicht den Haupt-
Sturm wagte. Jch ſinne ſchon auf den Haupt-
Sturm, ich mache ſchon Anſtalten dazu. Allein
mein verfluchtes Hertz widerſpricht mir und haͤlt
mich fuͤr einen Narren. Jch ſchlieſſe meinen Brief,
obgleich meine Felſen-harte Beherrſcherin mich wei-
ter nichts thun laͤßt, als ſchreiben, leſen und mich
aͤrgern.
Wir pflegen uns nicht nach der gewoͤhnlichen Art
zu unterſchreiben. Wenn wir es aber auch thaͤten,
ſo bin ich meinem Kinde ſo ergeben, daß ich dir und
andern ohnmoͤglich melden kann, wie wenig ich bin
Dein ergebener Diener.
Der dritte Brief
von
Fraͤulein Clariſſa Harlowe an Fraͤulein
Howe.
Dienſtags den 9ten May.
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 4. Göttingen, 1749, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa04_1749/32>, abgerufen am 21.02.2025.
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