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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776.

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mit Einemmal aus! -- Gleich in drey Wochen
weg! Das läst sich kaum denken, geschweige thun.

Kronhelm und Siegwart trösteten ihn, so gut sie
konnten; aber alles half nichts. Er war viel zu
heftig. -- Jhr seyd nicht klug, sagte er, wenn ihr
mit Worten etwas auszurichten glaubt! Da, da,
(auf die Brust zeigend) sitzt es. Jhr müst mir erst
dieses Herz aus dem Leibe reissen; dann wirds
besser! Jch weis, was ich schon seit Jahren her
um sie geduldet habe, da sie mich nicht Einmal an-
sah, wie ichs wünschte. Blos an ihrem Anblick hab
ich mich geweidet; der erhielt mich noch; aber nun
ists aus mit mir. Zwar bleib ich hier, das hab ich
schon beschlossen; aber der Fluch meines Vaters,
den ich lieb und ehre -- denn er ist ein braver
Mann -- der wird mich tödten. -- Und ich wette,
er läst mich mit Gewalt wegholen, wenn ich nicht
komme; er wollts schon vor einem halben Jahr
thun, da hielt ihn meine Mutter noch zurück. Nun
ist sie todt, und kein Mensch auf Erden kann ihn
halten. -- O, ich bin ein Unglückskind! -- Mit
diesen Worten schlug er sich vor die Stirne, daß es
wiederhallte. -- So rasend hab ich dich noch nie
gesehen; sagte Kronhelm; mir ist bang für dich. --
Mir auch; fiel Gutfried ein. So toll wars aber



mit Einemmal aus! — Gleich in drey Wochen
weg! Das laͤſt ſich kaum denken, geſchweige thun.

Kronhelm und Siegwart troͤſteten ihn, ſo gut ſie
konnten; aber alles half nichts. Er war viel zu
heftig. — Jhr ſeyd nicht klug, ſagte er, wenn ihr
mit Worten etwas auszurichten glaubt! Da, da,
(auf die Bruſt zeigend) ſitzt es. Jhr muͤſt mir erſt
dieſes Herz aus dem Leibe reiſſen; dann wirds
beſſer! Jch weis, was ich ſchon ſeit Jahren her
um ſie geduldet habe, da ſie mich nicht Einmal an-
ſah, wie ichs wuͤnſchte. Blos an ihrem Anblick hab
ich mich geweidet; der erhielt mich noch; aber nun
iſts aus mit mir. Zwar bleib ich hier, das hab ich
ſchon beſchloſſen; aber der Fluch meines Vaters,
den ich lieb und ehre — denn er iſt ein braver
Mann — der wird mich toͤdten. — Und ich wette,
er laͤſt mich mit Gewalt wegholen, wenn ich nicht
komme; er wollts ſchon vor einem halben Jahr
thun, da hielt ihn meine Mutter noch zuruͤck. Nun
iſt ſie todt, und kein Menſch auf Erden kann ihn
halten. — O, ich bin ein Ungluͤckskind! — Mit
dieſen Worten ſchlug er ſich vor die Stirne, daß es
wiederhallte. — So raſend hab ich dich noch nie
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Mir auch; fiel Gutfried ein. So toll wars aber

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[624/0204] mit Einemmal aus! — Gleich in drey Wochen weg! Das laͤſt ſich kaum denken, geſchweige thun. Kronhelm und Siegwart troͤſteten ihn, ſo gut ſie konnten; aber alles half nichts. Er war viel zu heftig. — Jhr ſeyd nicht klug, ſagte er, wenn ihr mit Worten etwas auszurichten glaubt! Da, da, (auf die Bruſt zeigend) ſitzt es. Jhr muͤſt mir erſt dieſes Herz aus dem Leibe reiſſen; dann wirds beſſer! Jch weis, was ich ſchon ſeit Jahren her um ſie geduldet habe, da ſie mich nicht Einmal an- ſah, wie ichs wuͤnſchte. Blos an ihrem Anblick hab ich mich geweidet; der erhielt mich noch; aber nun iſts aus mit mir. Zwar bleib ich hier, das hab ich ſchon beſchloſſen; aber der Fluch meines Vaters, den ich lieb und ehre — denn er iſt ein braver Mann — der wird mich toͤdten. — Und ich wette, er laͤſt mich mit Gewalt wegholen, wenn ich nicht komme; er wollts ſchon vor einem halben Jahr thun, da hielt ihn meine Mutter noch zuruͤck. Nun iſt ſie todt, und kein Menſch auf Erden kann ihn halten. — O, ich bin ein Ungluͤckskind! — Mit dieſen Worten ſchlug er ſich vor die Stirne, daß es wiederhallte. — So raſend hab ich dich noch nie geſehen; ſagte Kronhelm; mir iſt bang fuͤr dich. — Mir auch; fiel Gutfried ein. So toll wars aber

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Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 624. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/204>, abgerufen am 26.04.2024.