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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776.

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gut gekleidet waren, ins Wasser, und huben die
Räder in die Höhe, daß der Wagen wieder fort
konnte. Draussen rief ein altes Weib ihrem Sohn
ängstlich zu, der fast unter's Rad kam, als es sich
zu drehen anfieng. Der Postillion fluchte, und
lachte die Bauren aus, als er aus dem Wasser
heraus war. Siegwart warf ihnen zween Drey-
bäzner zu. --

Herr Gott! Das ist unsers Herrn Gaul! rief
eine Magd; und gleich drauf sprang die Verwal-
terin aus ihrem Haus heraus, und rief: halt,
Schwager, halt! Wo ist mein Mann? Das
ist sein Schimmel. Schwager, Schwager, sag
um Gottes willen, wo er ist? Das weis ich nicht,
sagte der Postillion ganz kalt. Da habt ihr den
Gaul, wenn er euer ist. Jndem ließ er das Pferd
gehen, das sogleich seinem Stall zulief. Die Ver-
walterin lief dem Wagen nach ins Posthaus; zwey
Kinder sprangen heulend hintennach. Sie wand-
te sich an Siegwart, um zu fragen, wo ihr Mann
sey? Auf seine Antwort: Daß sie das Pferd,
zwo Stunden vor dem Dorf draussen, ohne Reu-
ter angetroffen haben, fiel sie in eine Ohnmacht,
und ward in ihr Haus getragen. -- Nach zwey



gut gekleidet waren, ins Waſſer, und huben die
Raͤder in die Hoͤhe, daß der Wagen wieder fort
konnte. Drauſſen rief ein altes Weib ihrem Sohn
aͤngſtlich zu, der faſt unter’s Rad kam, als es ſich
zu drehen anfieng. Der Poſtillion fluchte, und
lachte die Bauren aus, als er aus dem Waſſer
heraus war. Siegwart warf ihnen zween Drey-
baͤzner zu. —

Herr Gott! Das iſt unſers Herrn Gaul! rief
eine Magd; und gleich drauf ſprang die Verwal-
terin aus ihrem Haus heraus, und rief: halt,
Schwager, halt! Wo iſt mein Mann? Das
iſt ſein Schimmel. Schwager, Schwager, ſag
um Gottes willen, wo er iſt? Das weis ich nicht,
ſagte der Poſtillion ganz kalt. Da habt ihr den
Gaul, wenn er euer iſt. Jndem ließ er das Pferd
gehen, das ſogleich ſeinem Stall zulief. Die Ver-
walterin lief dem Wagen nach ins Poſthaus; zwey
Kinder ſprangen heulend hintennach. Sie wand-
te ſich an Siegwart, um zu fragen, wo ihr Mann
ſey? Auf ſeine Antwort: Daß ſie das Pferd,
zwo Stunden vor dem Dorf drauſſen, ohne Reu-
ter angetroffen haben, fiel ſie in eine Ohnmacht,
und ward in ihr Haus getragen. — Nach zwey

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[545/0125] gut gekleidet waren, ins Waſſer, und huben die Raͤder in die Hoͤhe, daß der Wagen wieder fort konnte. Drauſſen rief ein altes Weib ihrem Sohn aͤngſtlich zu, der faſt unter’s Rad kam, als es ſich zu drehen anfieng. Der Poſtillion fluchte, und lachte die Bauren aus, als er aus dem Waſſer heraus war. Siegwart warf ihnen zween Drey- baͤzner zu. — Herr Gott! Das iſt unſers Herrn Gaul! rief eine Magd; und gleich drauf ſprang die Verwal- terin aus ihrem Haus heraus, und rief: halt, Schwager, halt! Wo iſt mein Mann? Das iſt ſein Schimmel. Schwager, Schwager, ſag um Gottes willen, wo er iſt? Das weis ich nicht, ſagte der Poſtillion ganz kalt. Da habt ihr den Gaul, wenn er euer iſt. Jndem ließ er das Pferd gehen, das ſogleich ſeinem Stall zulief. Die Ver- walterin lief dem Wagen nach ins Poſthaus; zwey Kinder ſprangen heulend hintennach. Sie wand- te ſich an Siegwart, um zu fragen, wo ihr Mann ſey? Auf ſeine Antwort: Daß ſie das Pferd, zwo Stunden vor dem Dorf drauſſen, ohne Reu- ter angetroffen haben, fiel ſie in eine Ohnmacht, und ward in ihr Haus getragen. — Nach zwey

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Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 545. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/125>, abgerufen am 26.04.2024.