Von meinen ersten Jahren und frühern Erziehung kann ich nur wenig anführen. -- Mein Vater hatte eine Schwester bei sich im Hause, welche niemals -- wer weis, warum? -- verheurathet gewesen ist. Diese führte die besondere Aufsicht über uns Kinder; war aber dabei so nachgiebig, daß sie alle unsre klei- nen Teufeleien nicht nur vor den Augen unsrer El- tern fein tantisch verbarg, sondern selbigen nicht selten noch gar Vorschub that. Und so ward ich früh un- ter den Bauern als ein Bube c) bekannt, der es, mit den Pfälzern zu reden, faustdick hinter den Oh- ren hätte, und ein schlimmer Kunde werden würde. Noch jezt erinnere ich mich mit Unwillen oder manch- mal mit Wohlgefallen, je nachdem meine Seele ge- stimmt ist, an die Possen und Streiche, welche ich in meiner ersten Jugend gespielt habe. Ich muß ei- nige erzählen.
c) Nach der Pfälzer Sprache heißen alle Jungen Buben: die Bauern nennen ihre Söhne so, bis sie heurathen. "Hanes Henrich," sagte der alte Gerheim zu seinem 25jährigen Sohne, "Hans Henrich, wann dau Vatter "werrschst un eich werre Bub, dann bestellscht dau "die Mäuwe. Hoscht d'es gehört, Hanes Henrich?"
Zweites Kapitel.
Soviel vermoͤgen Tanten und Geſinde:
Von meinen erſten Jahren und fruͤhern Erziehung kann ich nur wenig anfuͤhren. — Mein Vater hatte eine Schweſter bei ſich im Hauſe, welche niemals — wer weis, warum? — verheurathet geweſen iſt. Dieſe fuͤhrte die beſondere Aufſicht uͤber uns Kinder; war aber dabei ſo nachgiebig, daß ſie alle unſre klei- nen Teufeleien nicht nur vor den Augen unſrer El- tern fein tantiſch verbarg, ſondern ſelbigen nicht ſelten noch gar Vorſchub that. Und ſo ward ich fruͤh un- ter den Bauern als ein Bube c) bekannt, der es, mit den Pfaͤlzern zu reden, fauſtdick hinter den Oh- ren haͤtte, und ein ſchlimmer Kunde werden wuͤrde. Noch jezt erinnere ich mich mit Unwillen oder manch- mal mit Wohlgefallen, je nachdem meine Seele ge- ſtimmt iſt, an die Poſſen und Streiche, welche ich in meiner erſten Jugend geſpielt habe. Ich muß ei- nige erzaͤhlen.
c) Nach der Pfaͤlzer Sprache heißen alle Jungen Buben: die Bauern nennen ihre Soͤhne ſo, bis ſie heurathen. „Hanes Henrich,“ ſagte der alte Gerheim zu ſeinem 25jaͤhrigen Sohne, „Hans Henrich, wann dau Vatter „werrſchſt un eich werre Bub, dann beſtellſcht dau „die Maͤuwe. Hoſcht d'es gehoͤrt, Hanes Henrich?“
<TEI><text><body><pbn="9"facs="#f0023"/><divn="1"><head>Zweites Kapitel.</head><lb/><p>Soviel vermoͤgen Tanten und Geſinde:</p><lb/><milestoneunit="section"rendition="#hr"/><p><hirendition="#in">V</hi>on meinen erſten Jahren und fruͤhern Erziehung<lb/>
kann ich nur wenig anfuͤhren. — Mein Vater hatte<lb/>
eine Schweſter bei ſich im Hauſe, welche niemals —<lb/>
wer weis, warum? — verheurathet geweſen iſt.<lb/>
Dieſe fuͤhrte die beſondere Aufſicht uͤber uns Kinder;<lb/>
war aber dabei ſo nachgiebig, daß ſie alle unſre klei-<lb/>
nen Teufeleien nicht nur vor den Augen unſrer El-<lb/>
tern fein tantiſch verbarg, ſondern ſelbigen nicht ſelten<lb/>
noch gar Vorſchub that. Und ſo ward ich fruͤh un-<lb/>
ter den Bauern als ein Bube <noteplace="foot"n="c)">Nach der Pfaͤlzer Sprache heißen alle Jungen <hirendition="#g">Buben</hi>:<lb/>
die Bauern nennen ihre Soͤhne ſo, bis ſie heurathen.<lb/>„Hanes Henrich,“ſagte der alte Gerheim zu ſeinem<lb/>
25jaͤhrigen Sohne, „Hans Henrich, wann dau Vatter<lb/>„werrſchſt un eich werre Bub, dann beſtellſcht dau<lb/>„die Maͤuwe. Hoſcht d'es gehoͤrt, Hanes Henrich?“</note> bekannt, der es,<lb/>
mit den Pfaͤlzern zu reden, fauſtdick hinter den Oh-<lb/>
ren haͤtte, und ein ſchlimmer Kunde werden wuͤrde.<lb/>
Noch jezt erinnere ich mich mit Unwillen oder manch-<lb/>
mal mit Wohlgefallen, je nachdem meine Seele ge-<lb/>ſtimmt iſt, an die Poſſen und Streiche, welche ich<lb/>
in meiner erſten Jugend geſpielt habe. Ich muß ei-<lb/>
nige erzaͤhlen.</p><lb/></div></body></text></TEI>
[9/0023]
Zweites Kapitel.
Soviel vermoͤgen Tanten und Geſinde:
Von meinen erſten Jahren und fruͤhern Erziehung
kann ich nur wenig anfuͤhren. — Mein Vater hatte
eine Schweſter bei ſich im Hauſe, welche niemals —
wer weis, warum? — verheurathet geweſen iſt.
Dieſe fuͤhrte die beſondere Aufſicht uͤber uns Kinder;
war aber dabei ſo nachgiebig, daß ſie alle unſre klei-
nen Teufeleien nicht nur vor den Augen unſrer El-
tern fein tantiſch verbarg, ſondern ſelbigen nicht ſelten
noch gar Vorſchub that. Und ſo ward ich fruͤh un-
ter den Bauern als ein Bube c) bekannt, der es,
mit den Pfaͤlzern zu reden, fauſtdick hinter den Oh-
ren haͤtte, und ein ſchlimmer Kunde werden wuͤrde.
Noch jezt erinnere ich mich mit Unwillen oder manch-
mal mit Wohlgefallen, je nachdem meine Seele ge-
ſtimmt iſt, an die Poſſen und Streiche, welche ich
in meiner erſten Jugend geſpielt habe. Ich muß ei-
nige erzaͤhlen.
c) Nach der Pfaͤlzer Sprache heißen alle Jungen Buben:
die Bauern nennen ihre Soͤhne ſo, bis ſie heurathen.
„Hanes Henrich,“ ſagte der alte Gerheim zu ſeinem
25jaͤhrigen Sohne, „Hans Henrich, wann dau Vatter
„werrſchſt un eich werre Bub, dann beſtellſcht dau
„die Maͤuwe. Hoſcht d'es gehoͤrt, Hanes Henrich?“
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben01_1792/23>, abgerufen am 04.03.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.