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Staats- und Gelehrte Zeitung des Hamburgischen unpartheyischen Correspondenten. Nr. 115, Hamburg, 21. Juli 1789.

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Mit allergnädigster Kayserlichen Freyheit.
Staats- und [Abbildung] Gelehrte
Zei- tung
des Hamburgischen unpartheyischen
CORRESPONDENTEN.

Anno 1789.    (Am Dienstage, den 21 Julii.)    
Num. 115.



[Beginn Spaltensatz]

Seit dem vorigen Posttage sind hier große Verän-
derungen vorgegangen. Herr Necker ist nicht mehr
Directeur der Finanzen, und hat das Reich verlassen
müssen, auch sind noch andere Veränderungen im Mi-
nisterio vorgefallen; doch ich will ihnen die Sachen so
melden, wie sie sich nach der Zeitfolge zugetragen haben:

Jn der Sitzung der National-Versammlung vom
10ten dieses ward vorgeschlagen, Ausschüsse zur Unter-
suchung des Finanzwesens und des Commerciums zu
ernennen. Des Abends übergaben die Deputirten der
Versammlung dem Könige die neulich gedachte Addresse
wegen des Abmarsches der Truppen aus diesen Gegen-
den. Der Monarch gab die folgende Antwort: "Je-
dermann weiß die ärgerlichen Auftritte, die zu Paris
und Versailles unter meinen Augen vorgegangen und
erneuert worden. Es ist nothwendig, daß ich von den
in meiner Macht habenden Mitteln zur Wiederher-
stellung der Ordnung in der Hauptstadt und deren Nach-
barschaft Gebrauch mache. Es ist eine meiner vorzüg-
lichsten Pflichten, für die öffentliche Sicherheit zu
wachen, und eben deshalb habe ich Truppen um Paris
versammelt. Sie können der Versammlung der allge-
meinen Stände die Versicherung geben, daß sie bloß
zur Verhütung neuer Unordnungen, zur Erhaltung der
Ordnung, zum Schutz der Gesetze und selbst der Frey-
heit, die in ihren Versammlungen herrschen muß, be-
stimmt sind. Alle Art von Zwang, so wie alle Furcht
von Tumult und Gewalt muß aus selbigen verbannt
seyn. Nur übelgesinnte Leute können meinen Unter-
thanen über die Vorsichtigkeitsmittel, die ich ergreife,
falsche Begriffe beybringen. Jch habe beständig ihr
Wohl gesucht, und ich habe immer Ursache gehabt, von
ihrer Liebe und Treue versichert zu seyn. Sollte in-
dessen die nothwendige Gegenwart der Truppen in der
Nachbarschaft von Paris noch Argwohn verursachen,
so will ich, wenn es die Versammlung verlangt, die
allgemeinen Stände nach Noyon oder Soisson verle-
[Spaltenumbruch] gen. Jch werde mich alsdann nach Compiegne bege-
ben, um die Gemeinschaft zu unterhalten, welche
zwischen den Ständen und mir Statt haben muß."

Den 11ten ward diese Antwort in der National-
Versammlung vorgelesen. Der Graf von Crillon sagte,
man möchte sich auf die Königl. Versicherung verlassen,
und der Graf von Mirabeau fügte noch hinzu, der Kö-
nig habe nicht auf das, warum man gebeten, geantwor-
tet: "Wir haben nicht (sagte er) vor den Truppen
fliehen wollen, sondern wir haben die Flucht der Trup-
pen selbst verlangt." Uebrigens ward die Deliberation
über diese Sache ausgesetzt, doch scheint die Versamm-
lung entschlossen zu seyn, Versailles nicht zu verlassen.
Der Marquis de la Fayette las ein Project über die
natürlichen Rechte des Menschen, als das erste Stück
des Plans zur Constitution.

Am Donnerstage wurden einige Husaren-Officiers in
ihrer Uniform in dem Garten des Königl. Palais vom
Pöbel wiederum gemißhandelt, sie entkamen aber doch
der Wuth desselben. Der Sohn des Herzogs von Po-
lignac war einer dieser Officiers.

Die hier angekommene Artillerie-Brigade ist im Jn-
validenhause einquartiert. Am Freytage giengen
80 Artilleristen von da nach dem Palais Royal. Herr
von Bellecombe, ihr Oberster, begegnete ihnen, zog
den Degen, drohete, und bat sie, zurück zu kehren.
Alles war umsonst. Jm Garten des Palais wurden sie
mit großem Jauchzen empfangen, man tractirte sie mit
Wein, Liqueurs, Schinken, Pasteten, etc. etc. welches
bis 5 Uhr unter Musik fortdauerte. Nachher giengen
sie mit dem Volke spatzieren, und um Mitternacht be-
gaben sie sich wieder nach dem Jnvalidenhause. Der
General Lieutenant von Narbonne Fritzlar gieng dahin
mit einem Königl. Befehl an den Obersten der Artille-
risten, sich sogleich wegzubegeben. Der Oberste mar-
schirte hierauf mit dem Bataillon nach Luzarche. Den
Tag vorher war ein anderes Bataillon von 400 Kano-
niers angekommen, die wir jetzt hier haben.


Mit allergnaͤdigſter Kayſerlichen Freyheit.
Staats- und [Abbildung] Gelehrte
Zei- tung
des Hamburgiſchen unpartheyiſchen
CORRESPONDENTEN.

Anno 1789.    (Am Dienſtage, den 21 Julii.)    
Num. 115.



[Beginn Spaltensatz]

Seit dem vorigen Poſttage ſind hier große Veraͤn-
derungen vorgegangen. Herr Necker iſt nicht mehr
Directeur der Finanzen, und hat das Reich verlaſſen
muͤſſen, auch ſind noch andere Veraͤnderungen im Mi-
niſterio vorgefallen; doch ich will ihnen die Sachen ſo
melden, wie ſie ſich nach der Zeitfolge zugetragen haben:

Jn der Sitzung der National-Verſammlung vom
10ten dieſes ward vorgeſchlagen, Ausſchuͤſſe zur Unter-
ſuchung des Finanzweſens und des Commerciums zu
ernennen. Des Abends uͤbergaben die Deputirten der
Verſammlung dem Koͤnige die neulich gedachte Addreſſe
wegen des Abmarſches der Truppen aus dieſen Gegen-
den. Der Monarch gab die folgende Antwort: “Je-
dermann weiß die aͤrgerlichen Auftritte, die zu Paris
und Verſailles unter meinen Augen vorgegangen und
erneuert worden. Es iſt nothwendig, daß ich von den
in meiner Macht habenden Mitteln zur Wiederher-
ſtellung der Ordnung in der Hauptſtadt und deren Nach-
barſchaft Gebrauch mache. Es iſt eine meiner vorzuͤg-
lichſten Pflichten, fuͤr die oͤffentliche Sicherheit zu
wachen, und eben deshalb habe ich Truppen um Paris
verſammelt. Sie koͤnnen der Verſammlung der allge-
meinen Staͤnde die Verſicherung geben, daß ſie bloß
zur Verhuͤtung neuer Unordnungen, zur Erhaltung der
Ordnung, zum Schutz der Geſetze und ſelbſt der Frey-
heit, die in ihren Verſammlungen herrſchen muß, be-
ſtimmt ſind. Alle Art von Zwang, ſo wie alle Furcht
von Tumult und Gewalt muß aus ſelbigen verbannt
ſeyn. Nur uͤbelgeſinnte Leute koͤnnen meinen Unter-
thanen uͤber die Vorſichtigkeitsmittel, die ich ergreife,
falſche Begriffe beybringen. Jch habe beſtaͤndig ihr
Wohl geſucht, und ich habe immer Urſache gehabt, von
ihrer Liebe und Treue verſichert zu ſeyn. Sollte in-
deſſen die nothwendige Gegenwart der Truppen in der
Nachbarſchaft von Paris noch Argwohn verurſachen,
ſo will ich, wenn es die Verſammlung verlangt, die
allgemeinen Staͤnde nach Noyon oder Soiſſon verle-
[Spaltenumbruch] gen. Jch werde mich alsdann nach Compiegne bege-
ben, um die Gemeinſchaft zu unterhalten, welche
zwiſchen den Staͤnden und mir Statt haben muß.”

Den 11ten ward dieſe Antwort in der National-
Verſammlung vorgeleſen. Der Graf von Crillon ſagte,
man moͤchte ſich auf die Koͤnigl. Verſicherung verlaſſen,
und der Graf von Mirabeau fuͤgte noch hinzu, der Koͤ-
nig habe nicht auf das, warum man gebeten, geantwor-
tet: “Wir haben nicht (ſagte er) vor den Truppen
fliehen wollen, ſondern wir haben die Flucht der Trup-
pen ſelbſt verlangt.” Uebrigens ward die Deliberation
uͤber dieſe Sache ausgeſetzt, doch ſcheint die Verſamm-
lung entſchloſſen zu ſeyn, Verſailles nicht zu verlaſſen.
Der Marquis de la Fayette las ein Project uͤber die
natuͤrlichen Rechte des Menſchen, als das erſte Stuͤck
des Plans zur Conſtitution.

Am Donnerſtage wurden einige Huſaren-Officiers in
ihrer Uniform in dem Garten des Koͤnigl. Palais vom
Poͤbel wiederum gemißhandelt, ſie entkamen aber doch
der Wuth deſſelben. Der Sohn des Herzogs von Po-
lignac war einer dieſer Officiers.

Die hier angekommene Artillerie-Brigade iſt im Jn-
validenhauſe einquartiert. Am Freytage giengen
80 Artilleriſten von da nach dem Palais Royal. Herr
von Bellecombe, ihr Oberſter, begegnete ihnen, zog
den Degen, drohete, und bat ſie, zuruͤck zu kehren.
Alles war umſonſt. Jm Garten des Palais wurden ſie
mit großem Jauchzen empfangen, man tractirte ſie mit
Wein, Liqueurs, Schinken, Paſteten, ꝛc. ꝛc. welches
bis 5 Uhr unter Muſik fortdauerte. Nachher giengen
ſie mit dem Volke ſpatzieren, und um Mitternacht be-
gaben ſie ſich wieder nach dem Jnvalidenhauſe. Der
General Lieutenant von Narbonne Fritzlar gieng dahin
mit einem Koͤnigl. Befehl an den Oberſten der Artille-
riſten, ſich ſogleich wegzubegeben. Der Oberſte mar-
ſchirte hierauf mit dem Bataillon nach Luzarche. Den
Tag vorher war ein anderes Bataillon von 400 Kano-
niers angekommen, die wir jetzt hier haben.


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[[1]/0001] Mit allergnaͤdigſter Kayſerlichen Freyheit. Staats- und [Abbildung] Gelehrte Zei- tung des Hamburgiſchen unpartheyiſchen CORRESPONDENTEN. Anno 1789. (Am Dienſtage, den 21 Julii.) Num. 115. Schreiben aus Paris, vom 13 Julii. Seit dem vorigen Poſttage ſind hier große Veraͤn- derungen vorgegangen. Herr Necker iſt nicht mehr Directeur der Finanzen, und hat das Reich verlaſſen muͤſſen, auch ſind noch andere Veraͤnderungen im Mi- niſterio vorgefallen; doch ich will ihnen die Sachen ſo melden, wie ſie ſich nach der Zeitfolge zugetragen haben: Jn der Sitzung der National-Verſammlung vom 10ten dieſes ward vorgeſchlagen, Ausſchuͤſſe zur Unter- ſuchung des Finanzweſens und des Commerciums zu ernennen. Des Abends uͤbergaben die Deputirten der Verſammlung dem Koͤnige die neulich gedachte Addreſſe wegen des Abmarſches der Truppen aus dieſen Gegen- den. Der Monarch gab die folgende Antwort: “Je- dermann weiß die aͤrgerlichen Auftritte, die zu Paris und Verſailles unter meinen Augen vorgegangen und erneuert worden. Es iſt nothwendig, daß ich von den in meiner Macht habenden Mitteln zur Wiederher- ſtellung der Ordnung in der Hauptſtadt und deren Nach- barſchaft Gebrauch mache. Es iſt eine meiner vorzuͤg- lichſten Pflichten, fuͤr die oͤffentliche Sicherheit zu wachen, und eben deshalb habe ich Truppen um Paris verſammelt. Sie koͤnnen der Verſammlung der allge- meinen Staͤnde die Verſicherung geben, daß ſie bloß zur Verhuͤtung neuer Unordnungen, zur Erhaltung der Ordnung, zum Schutz der Geſetze und ſelbſt der Frey- heit, die in ihren Verſammlungen herrſchen muß, be- ſtimmt ſind. Alle Art von Zwang, ſo wie alle Furcht von Tumult und Gewalt muß aus ſelbigen verbannt ſeyn. Nur uͤbelgeſinnte Leute koͤnnen meinen Unter- thanen uͤber die Vorſichtigkeitsmittel, die ich ergreife, falſche Begriffe beybringen. Jch habe beſtaͤndig ihr Wohl geſucht, und ich habe immer Urſache gehabt, von ihrer Liebe und Treue verſichert zu ſeyn. Sollte in- deſſen die nothwendige Gegenwart der Truppen in der Nachbarſchaft von Paris noch Argwohn verurſachen, ſo will ich, wenn es die Verſammlung verlangt, die allgemeinen Staͤnde nach Noyon oder Soiſſon verle- gen. Jch werde mich alsdann nach Compiegne bege- ben, um die Gemeinſchaft zu unterhalten, welche zwiſchen den Staͤnden und mir Statt haben muß.” Den 11ten ward dieſe Antwort in der National- Verſammlung vorgeleſen. Der Graf von Crillon ſagte, man moͤchte ſich auf die Koͤnigl. Verſicherung verlaſſen, und der Graf von Mirabeau fuͤgte noch hinzu, der Koͤ- nig habe nicht auf das, warum man gebeten, geantwor- tet: “Wir haben nicht (ſagte er) vor den Truppen fliehen wollen, ſondern wir haben die Flucht der Trup- pen ſelbſt verlangt.” Uebrigens ward die Deliberation uͤber dieſe Sache ausgeſetzt, doch ſcheint die Verſamm- lung entſchloſſen zu ſeyn, Verſailles nicht zu verlaſſen. Der Marquis de la Fayette las ein Project uͤber die natuͤrlichen Rechte des Menſchen, als das erſte Stuͤck des Plans zur Conſtitution. Am Donnerſtage wurden einige Huſaren-Officiers in ihrer Uniform in dem Garten des Koͤnigl. Palais vom Poͤbel wiederum gemißhandelt, ſie entkamen aber doch der Wuth deſſelben. Der Sohn des Herzogs von Po- lignac war einer dieſer Officiers. Die hier angekommene Artillerie-Brigade iſt im Jn- validenhauſe einquartiert. Am Freytage giengen 80 Artilleriſten von da nach dem Palais Royal. Herr von Bellecombe, ihr Oberſter, begegnete ihnen, zog den Degen, drohete, und bat ſie, zuruͤck zu kehren. Alles war umſonſt. Jm Garten des Palais wurden ſie mit großem Jauchzen empfangen, man tractirte ſie mit Wein, Liqueurs, Schinken, Paſteten, ꝛc. ꝛc. welches bis 5 Uhr unter Muſik fortdauerte. Nachher giengen ſie mit dem Volke ſpatzieren, und um Mitternacht be- gaben ſie ſich wieder nach dem Jnvalidenhauſe. Der General Lieutenant von Narbonne Fritzlar gieng dahin mit einem Koͤnigl. Befehl an den Oberſten der Artille- riſten, ſich ſogleich wegzubegeben. Der Oberſte mar- ſchirte hierauf mit dem Bataillon nach Luzarche. Den Tag vorher war ein anderes Bataillon von 400 Kano- niers angekommen, die wir jetzt hier haben.

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Zitationshilfe: Staats- und Gelehrte Zeitung des Hamburgischen unpartheyischen Correspondenten. Nr. 115, Hamburg, 21. Juli 1789, S. [1]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hc_1152107_1789/1>, abgerufen am 21.11.2024.