§. 10. Ob sich das Wesen dieses Wassers zum Ernäh- ren schikke. Gründe, daß es nicht die Frucht ernähre.
Jch muß mich schon über diesen Punkt genauer erklären, weil vor kurzem viele berühmte Männer, nicht ohne einen Schein des Beifalls behaupten wollen, daß dasjenige Wasser, welches in der innern Fruchthaut ent- halten ist, nicht zur Ernährung geschikkt wäre.
Jch übergehe die Alten, welche sich einbildeten, die Frucht sauge mit dem Munde aus einigen Beulchen oder Wärzchen der Gebärmutter (a), welche man aus dem Baue der Thieren, auf den Menschen anwandte, die Nahrung in sich; und sie glaubten unter andern auch dadurch berechtiget dazu zu seyn, weil ein an das Tages Licht gebrachtes Kind, auch indem es geboren wird (b), schon an dem Finger, auch ohne es gelernt zu haben, mit dem Munde saugt,
Dieses lässet sich aber leicht widerlegen (c). Man hat aber vor kurzem überhaupt zu behaupten angefangen, daß sich die Frucht durch den Mund ernähre.
Zuerst wollen sie, das Wasser des amnii sey nicht von der limphatischen Klasse, sie erklären es als einen Schleim (d); und sagen, daß der Schleim nicht er- nähret. Andre wenden ein, es sey dieses ein scharfes, und urinöses Wasser (e).
Es
(a)[Spaltenumbruch]HIPPOCRATES peri sar- kon n. 8. & DIOCLES. DEMO- CRITUS. apud PLUTARCHUM placit. phil. L. V. c. 16. add HIP- PON & DIOGENES apud CEN- SORINUM c. 6.
(b)GALEN util. part. L. XV. c. 6. HARVEY p. 193.
(c)[Spaltenumbruch]SEGER ortod. HIPP. MERY problem. de physiq. p. 13. JAC. PAUL MALOVIN in disp. ann. 1724. Paris.
(d)MAURICEAU p. 221. ROE- DERER LONGFIELD.
(e)ROUHAULT p. 151.
Die Frucht. XXIX. B.
§. 10. Ob ſich das Weſen dieſes Waſſers zum Ernaͤh- ren ſchikke. Gruͤnde, daß es nicht die Frucht ernaͤhre.
Jch muß mich ſchon uͤber dieſen Punkt genauer erklaͤren, weil vor kurzem viele beruͤhmte Maͤnner, nicht ohne einen Schein des Beifalls behaupten wollen, daß dasjenige Waſſer, welches in der innern Fruchthaut ent- halten iſt, nicht zur Ernaͤhrung geſchikkt waͤre.
Jch uͤbergehe die Alten, welche ſich einbildeten, die Frucht ſauge mit dem Munde aus einigen Beulchen oder Waͤrzchen der Gebaͤrmutter (a), welche man aus dem Baue der Thieren, auf den Menſchen anwandte, die Nahrung in ſich; und ſie glaubten unter andern auch dadurch berechtiget dazu zu ſeyn, weil ein an das Tages Licht gebrachtes Kind, auch indem es geboren wird (b), ſchon an dem Finger, auch ohne es gelernt zu haben, mit dem Munde ſaugt,
Dieſes laͤſſet ſich aber leicht widerlegen (c). Man hat aber vor kurzem uͤberhaupt zu behaupten angefangen, daß ſich die Frucht durch den Mund ernaͤhre.
Zuerſt wollen ſie, das Waſſer des amnii ſey nicht von der limphatiſchen Klaſſe, ſie erklaͤren es als einen Schleim (d); und ſagen, daß der Schleim nicht er- naͤhret. Andre wenden ein, es ſey dieſes ein ſcharfes, und urinoͤſes Waſſer (e).
Es
(a)[Spaltenumbruch]HIPPOCRATES peri ſar- kon n. 8. & DIOCLES. DEMO- CRITUS. apud PLUTARCHUM placit. phil. L. V. c. 16. add HIP- PON & DIOGENES apud CEN- SORINUM c. 6.
(b)GALEN util. part. L. XV. c. 6. HARVEY p. 193.
(c)[Spaltenumbruch]SEGER ortod. HIPP. MERY problem. de phyſiq. p. 13. JAC. PAUL MALOVIN in diſp. ann. 1724. Paris.
(d)MAURICEAU p. 221. ROE- DERER LONGFIELD.
(e)ROUHAULT p. 151.
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Die Frucht. XXIX. B.
§. 10.
Ob ſich das Weſen dieſes Waſſers zum Ernaͤh-
ren ſchikke. Gruͤnde, daß es nicht die
Frucht ernaͤhre.
Jch muß mich ſchon uͤber dieſen Punkt genauer
erklaͤren, weil vor kurzem viele beruͤhmte Maͤnner, nicht
ohne einen Schein des Beifalls behaupten wollen, daß
dasjenige Waſſer, welches in der innern Fruchthaut ent-
halten iſt, nicht zur Ernaͤhrung geſchikkt waͤre.
Jch uͤbergehe die Alten, welche ſich einbildeten, die
Frucht ſauge mit dem Munde aus einigen Beulchen oder
Waͤrzchen der Gebaͤrmutter (a), welche man aus dem
Baue der Thieren, auf den Menſchen anwandte, die
Nahrung in ſich; und ſie glaubten unter andern auch
dadurch berechtiget dazu zu ſeyn, weil ein an das Tages
Licht gebrachtes Kind, auch indem es geboren wird (b),
ſchon an dem Finger, auch ohne es gelernt zu haben,
mit dem Munde ſaugt,
Dieſes laͤſſet ſich aber leicht widerlegen (c). Man
hat aber vor kurzem uͤberhaupt zu behaupten angefangen,
daß ſich die Frucht durch den Mund ernaͤhre.
Zuerſt wollen ſie, das Waſſer des amnii ſey nicht
von der limphatiſchen Klaſſe, ſie erklaͤren es als einen
Schleim (d); und ſagen, daß der Schleim nicht er-
naͤhret. Andre wenden ein, es ſey dieſes ein ſcharfes,
und urinoͤſes Waſſer (e).
Es
(a)
HIPPOCRATES peri ſar-
kon n. 8. & DIOCLES. DEMO-
CRITUS. apud PLUTARCHUM
placit. phil. L. V. c. 16. add HIP-
PON & DIOGENES apud CEN-
SORINUM c. 6.
(b) GALEN util. part. L. XV.
c. 6. HARVEY p. 193.
(c)
SEGER ortod. HIPP. MERY
problem. de phyſiq. p. 13. JAC.
PAUL MALOVIN in diſp. ann.
1724. Paris.
(d) MAURICEAU p. 221. ROE-
DERER LONGFIELD.
(e) ROUHAULT p. 151.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 8. Berlin, 1776, S. 334. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende08_1776/386>, abgerufen am 21.12.2024.
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