Vielleicht hat sich in der Sündfluth alles geändert, und vielleicht hat die Luft die Jahreszeit, die verschiedene in der Luft entstehende Körper, und die Erde dadurch eine neuere Einrichtung bekommen.
Darum aber hat sich die Natur nicht in ihrem Jn- nersten verändert. Täglich entdekkt man auf den Rei- sen Pflanzen, welche denen Pflanzen vor der Sünd- fluth ähnlich sind, einerlei Fische und vollkommen ähn- liche Schaalenthiere. Diese Körper waren ehedem nicht weicher als jezzt. Wir finden Fischgräten, wir graben Schaalen von Seethieren aus; alle sind so dicht wie sie jezzo sind.
Folglich sey die Aufgabe immerhin, wegen der we- nigen Urkunden unauflöslich. Deswegen aber haben doch wohl die Menschen länger, als zu unsern Zeiten leben können. Es hatte der Papagoy, dessen ich Er- wähnung gethan habe, und welcher über hundert Jahr alt war, nach Proportion seines kleinen Körpers und ge- schwinden Wachsthums ein höheres Alter als Methu- salah erreicht; so wie die Uferaasfliege, die einen Mo- nat alt ist, älter als alle Patriarchen wird: es würde sich nemlich selbige, von der gewöhnlichen Ordnung der Natur in einem weit grössern Verhältnisse entfernen.
§. 22. Der Tod.
Nothwendig endiget sich ein jeder Fortschritt, wor- innen nicht zugleich einige Ursache zum Rükkschritte ver- borgen liegt. Man mag also die Ursachen des Todes noch so sehr verringern wollen, so bleibt es doch eine un- wiederstehliche Nothwendigkeit, wenn nemlich der Kör- per fortfährt, härter zu werden (a), wenn die Nerven
fort-
(a)[Spaltenumbruch]SANTANELLI Lucul. rat. IV. die Nothwendigkeit zu sterben, wegen der steifen Gefässe hat H. [Spaltenumbruch]
BOERH. J. OST. SCHACHT. in der Rede, vom unvermeidlichen Schikksale der Alten J. GESNER
de
Leben u. Tod der Menſchen XXX. B.
Vielleicht hat ſich in der Suͤndfluth alles geaͤndert, und vielleicht hat die Luft die Jahreszeit, die verſchiedene in der Luft entſtehende Koͤrper, und die Erde dadurch eine neuere Einrichtung bekommen.
Darum aber hat ſich die Natur nicht in ihrem Jn- nerſten veraͤndert. Taͤglich entdekkt man auf den Rei- ſen Pflanzen, welche denen Pflanzen vor der Suͤnd- fluth aͤhnlich ſind, einerlei Fiſche und vollkommen aͤhn- liche Schaalenthiere. Dieſe Koͤrper waren ehedem nicht weicher als jezzt. Wir finden Fiſchgraͤten, wir graben Schaalen von Seethieren aus; alle ſind ſo dicht wie ſie jezzo ſind.
Folglich ſey die Aufgabe immerhin, wegen der we- nigen Urkunden unaufloͤslich. Deswegen aber haben doch wohl die Menſchen laͤnger, als zu unſern Zeiten leben koͤnnen. Es hatte der Papagoy, deſſen ich Er- waͤhnung gethan habe, und welcher uͤber hundert Jahr alt war, nach Proportion ſeines kleinen Koͤrpers und ge- ſchwinden Wachsthums ein hoͤheres Alter als Methu- ſalah erreicht; ſo wie die Uferaasfliege, die einen Mo- nat alt iſt, aͤlter als alle Patriarchen wird: es wuͤrde ſich nemlich ſelbige, von der gewoͤhnlichen Ordnung der Natur in einem weit groͤſſern Verhaͤltniſſe entfernen.
§. 22. Der Tod.
Nothwendig endiget ſich ein jeder Fortſchritt, wor- innen nicht zugleich einige Urſache zum Ruͤkkſchritte ver- borgen liegt. Man mag alſo die Urſachen des Todes noch ſo ſehr verringern wollen, ſo bleibt es doch eine un- wiederſtehliche Nothwendigkeit, wenn nemlich der Koͤr- per fortfaͤhrt, haͤrter zu werden (a), wenn die Nerven
fort-
(a)[Spaltenumbruch]SANTANELLI Lucul. rat. IV. die Nothwendigkeit zu ſterben, wegen der ſteifen Gefaͤſſe hat H. [Spaltenumbruch]
BOERH. J. OST. SCHACHT. in der Rede, vom unvermeidlichen Schikkſale der Alten J. GESNER
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[978[980]/1032]
Leben u. Tod der Menſchen XXX. B.
Vielleicht hat ſich in der Suͤndfluth alles geaͤndert,
und vielleicht hat die Luft die Jahreszeit, die verſchiedene
in der Luft entſtehende Koͤrper, und die Erde dadurch
eine neuere Einrichtung bekommen.
Darum aber hat ſich die Natur nicht in ihrem Jn-
nerſten veraͤndert. Taͤglich entdekkt man auf den Rei-
ſen Pflanzen, welche denen Pflanzen vor der Suͤnd-
fluth aͤhnlich ſind, einerlei Fiſche und vollkommen aͤhn-
liche Schaalenthiere. Dieſe Koͤrper waren ehedem nicht
weicher als jezzt. Wir finden Fiſchgraͤten, wir graben
Schaalen von Seethieren aus; alle ſind ſo dicht wie ſie
jezzo ſind.
Folglich ſey die Aufgabe immerhin, wegen der we-
nigen Urkunden unaufloͤslich. Deswegen aber haben
doch wohl die Menſchen laͤnger, als zu unſern Zeiten
leben koͤnnen. Es hatte der Papagoy, deſſen ich Er-
waͤhnung gethan habe, und welcher uͤber hundert Jahr
alt war, nach Proportion ſeines kleinen Koͤrpers und ge-
ſchwinden Wachsthums ein hoͤheres Alter als Methu-
ſalah erreicht; ſo wie die Uferaasfliege, die einen Mo-
nat alt iſt, aͤlter als alle Patriarchen wird: es wuͤrde
ſich nemlich ſelbige, von der gewoͤhnlichen Ordnung der
Natur in einem weit groͤſſern Verhaͤltniſſe entfernen.
§. 22.
Der Tod.
Nothwendig endiget ſich ein jeder Fortſchritt, wor-
innen nicht zugleich einige Urſache zum Ruͤkkſchritte ver-
borgen liegt. Man mag alſo die Urſachen des Todes
noch ſo ſehr verringern wollen, ſo bleibt es doch eine un-
wiederſtehliche Nothwendigkeit, wenn nemlich der Koͤr-
per fortfaͤhrt, haͤrter zu werden (a), wenn die Nerven
fort-
(a)
SANTANELLI Lucul. rat.
IV. die Nothwendigkeit zu ſterben,
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 8. Berlin, 1776, S. 978[980]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende08_1776/1032>, abgerufen am 30.12.2024.
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