fortfahren, callöse zu werden, wenn das Herz fortfährt, immer mehr und mehr von seinem reizbaren Wesen ein- zubüssen, daß endlich der Körper einmal unter der Last unterliegen muß, daß er aufhört, diejenigen Säfte in Bewegung zu sezzen, deren Bewegung unser Leben war, und daß also ein Thier sterben muß.
Jch habe oft den Tod bei Thieren, und oft bei Men- schen, bei deren Sterbebette mich mein Amt zu sizzen, verpflichtete, betrachtet; man muß aber dasjenige davon absondern, was einer besondern Krankheit vorzüglich ei- gen ist, und nur das gemeinschaftliche und allgemeine des Todes zusammen nehmen.
Einige Zeit vor dem Tode fehlet denen Greisen (b) der völlige Gebrauch der Hände, der Augen und der Füsse, kaum bleibt ihnen noch einiger Gebrauch der Sin- ne (c) übrig, das Gedärm vergißt seine Dienste, das Herze schlägt sehr wenig (d) und wechselnd (e), es über- fällt sie ein häufiger Schlaf (f), oder wenigstens doch ein öfterer Schlummer, die Natur behält den lezzten Urin zurükke, es sey nun, daß die Blase callöse oder un- empfindlich geworden, oder daß die Muskelkraft bereits abgestorben sey. Hierauf fällt ihnen die Rede beschwer- licher, sie können den Kopf nicht mehr halten, die Hände weigern sich, den Befehl der Seele auszurichten, selbst die Seele geräth ausser sich, sie giebt ferner keine Merk- male von ihren Befehlen weiter von sich: nicht weil sie nichts empfindet, denn es verliert sich die Empfindung
erst
[Spaltenumbruch]de termino vitae Jac. France LA- TIER Ergo homini senescere et ultimo mori, tam naturale &c. Paris ann. 1751. Vom Zusammen- hange des Fadenwerkes CARTES form. fet. p. 211. Von Salzen, so die festen Theile reizen und zusam- menziehen. PALAZZI bei dem VALISNER racolta p. 169.
(b)[Spaltenumbruch]WEPFER apopl. p. 268. conf. 86. 87.
(c)WEPFER conf. p ibid.
(d)MACQUER p 28. add. p. 88.
(e) Einige Tage am Greise von hundert Jahren Phil. trans. n. 130.
(f)MACQUER cons. p. 87.
Q q q 3
III. Abſ. Der Zuſtand des Menſchen.
fortfahren, calloͤſe zu werden, wenn das Herz fortfaͤhrt, immer mehr und mehr von ſeinem reizbaren Weſen ein- zubuͤſſen, daß endlich der Koͤrper einmal unter der Laſt unterliegen muß, daß er aufhoͤrt, diejenigen Saͤfte in Bewegung zu ſezzen, deren Bewegung unſer Leben war, und daß alſo ein Thier ſterben muß.
Jch habe oft den Tod bei Thieren, und oft bei Men- ſchen, bei deren Sterbebette mich mein Amt zu ſizzen, verpflichtete, betrachtet; man muß aber dasjenige davon abſondern, was einer beſondern Krankheit vorzuͤglich ei- gen iſt, und nur das gemeinſchaftliche und allgemeine des Todes zuſammen nehmen.
Einige Zeit vor dem Tode fehlet denen Greiſen (b) der voͤllige Gebrauch der Haͤnde, der Augen und der Fuͤſſe, kaum bleibt ihnen noch einiger Gebrauch der Sin- ne (c) uͤbrig, das Gedaͤrm vergißt ſeine Dienſte, das Herze ſchlaͤgt ſehr wenig (d) und wechſelnd (e), es uͤber- faͤllt ſie ein haͤufiger Schlaf (f), oder wenigſtens doch ein oͤfterer Schlummer, die Natur behaͤlt den lezzten Urin zuruͤkke, es ſey nun, daß die Blaſe calloͤſe oder un- empfindlich geworden, oder daß die Muskelkraft bereits abgeſtorben ſey. Hierauf faͤllt ihnen die Rede beſchwer- licher, ſie koͤnnen den Kopf nicht mehr halten, die Haͤnde weigern ſich, den Befehl der Seele auszurichten, ſelbſt die Seele geraͤth auſſer ſich, ſie giebt ferner keine Merk- male von ihren Befehlen weiter von ſich: nicht weil ſie nichts empfindet, denn es verliert ſich die Empfindung
erſt
[Spaltenumbruch]de termino vitae Jac. France LA- TIER Ergo homini ſeneſcere et ultimo mori, tam naturale &c. Paris ann. 1751. Vom Zuſammen- hange des Fadenwerkes CARTES form. fet. p. 211. Von Salzen, ſo die feſten Theile reizen und zuſam- menziehen. PALAZZI bei dem VALISNER racolta p. 169.
(b)[Spaltenumbruch]WEPFER apopl. p. 268. conf. 86. 87.
(c)WEPFER conf. p ibid.
(d)MACQUER p 28. add. p. 88.
(e) Einige Tage am Greiſe von hundert Jahren Phil. tranſ. n. 130.
(f)MACQUER conſ. p. 87.
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[979[981]/1033]
III. Abſ. Der Zuſtand des Menſchen.
fortfahren, calloͤſe zu werden, wenn das Herz fortfaͤhrt,
immer mehr und mehr von ſeinem reizbaren Weſen ein-
zubuͤſſen, daß endlich der Koͤrper einmal unter der Laſt
unterliegen muß, daß er aufhoͤrt, diejenigen Saͤfte in
Bewegung zu ſezzen, deren Bewegung unſer Leben war,
und daß alſo ein Thier ſterben muß.
Jch habe oft den Tod bei Thieren, und oft bei Men-
ſchen, bei deren Sterbebette mich mein Amt zu ſizzen,
verpflichtete, betrachtet; man muß aber dasjenige davon
abſondern, was einer beſondern Krankheit vorzuͤglich ei-
gen iſt, und nur das gemeinſchaftliche und allgemeine
des Todes zuſammen nehmen.
Einige Zeit vor dem Tode fehlet denen Greiſen (b)
der voͤllige Gebrauch der Haͤnde, der Augen und der
Fuͤſſe, kaum bleibt ihnen noch einiger Gebrauch der Sin-
ne (c) uͤbrig, das Gedaͤrm vergißt ſeine Dienſte, das
Herze ſchlaͤgt ſehr wenig (d) und wechſelnd (e), es uͤber-
faͤllt ſie ein haͤufiger Schlaf (f), oder wenigſtens doch
ein oͤfterer Schlummer, die Natur behaͤlt den lezzten
Urin zuruͤkke, es ſey nun, daß die Blaſe calloͤſe oder un-
empfindlich geworden, oder daß die Muskelkraft bereits
abgeſtorben ſey. Hierauf faͤllt ihnen die Rede beſchwer-
licher, ſie koͤnnen den Kopf nicht mehr halten, die Haͤnde
weigern ſich, den Befehl der Seele auszurichten, ſelbſt
die Seele geraͤth auſſer ſich, ſie giebt ferner keine Merk-
male von ihren Befehlen weiter von ſich: nicht weil ſie
nichts empfindet, denn es verliert ſich die Empfindung
erſt
(a)
(b)
WEPFER apopl. p. 268.
conf. 86. 87.
(c) WEPFER conf. p ibid.
(d) MACQUER p 28. add.
p. 88.
(e) Einige Tage am Greiſe von
hundert Jahren Phil. tranſ. n. 130.
(f) MACQUER conſ. p. 87.
(a)
de termino vitae Jac. France LA-
TIER Ergo homini ſeneſcere et
ultimo mori, tam naturale &c.
Paris ann. 1751. Vom Zuſammen-
hange des Fadenwerkes CARTES
form. fet. p. 211. Von Salzen, ſo
die feſten Theile reizen und zuſam-
menziehen. PALAZZI bei dem
VALISNER racolta p. 169.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 8. Berlin, 1776, S. 979[981]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende08_1776/1033>, abgerufen am 25.11.2024.
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