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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Viertes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

[Beginn Spaltensatz]

Herren Grey, Vivicmi und Salcmdra bliebe
nichts, was sie dem Zaren für sein Befreiungs¬
werk zur Verfügung stellen könnten, als ihre
eigene Personen. Als Titelbild wäre das
Knakfußische "Europa, wahre Deine heiligsten
Güter" zu wählen; der Russe natürlich aus
der Gruppe der Europäer zu tilgen und der
unschuldige Buddha durch einen die Nagaika
schwingenden Kosaken zu ersetzen.

Dr. Lark Ientsch
Geschichte

DaS Werk des Generalmajors Rudolf
.Friederich, Chefs der Kriegsgeschichtlichen Ab¬
teilung II des Großen Generalstabes, über die
Befreiungskriege 1813 bis ,1815(1Bände,
Verlag von E. S. Mittler u. S., Berlin,
1911 bis 1913. Jeder Band geb. M. 6.S0)
hat mit dem vierten Bande seinen Abschluß
gefunden. Der erste Band behandelt den
Hrühjcchrsfeldzug, der zweite den Herbstfeld¬
zug 1813, der dritte und liierte Band die
Feldzüge 1814 und 181S. Das Werk ist der
Niederschlag fünfundzwanzigjährigen Spezial-
studiums und wendet sich, wie der Verfasser
im Vorwort sagt, an die Gebildeten des
Deutschen Volkes, ohne Unterschied des
Standes. Es will eine gründlichere Kenntnis
der Ursachen und Wirkungen der Ereignisse,
der Beweggründe des Handelns der Staats¬
männer und Heerführer, der die Armeen und
Völker beherrschenden Geistesströmungen ver¬
mitteln. Das stete Ineinandergreifen von
Politik und Kriegführung soll geschildert, der
Charakter der die Geschicke der Zeit leitenden
und beeinflussenden Personen gezeichnet und
die historischen Vorgänge sollen demi Stande
der heutigen Forschung entsprechend kritisch
beleuchtet werden. Die Erinnerungen an
Deutschlands zugleich schmachvollste und
glänzendsteZeiten sollen angesichts der hundert¬
jährigen Gedenktage dem deutschen Volke
erneut zum Bewußtsein gebracht werden.

Die Aufgabe, die Friederich sich gestellt, hat
er glänzend gelöst. Man kann dem aus¬
gezeichneten Werke nicht genug Leser wünschen.
Einleitend spricht der Verfasser über die Welt¬
lage im Jahre 1812, über Napoleons Macht¬
stellung, über die schwere Bedrückung des
französischen Volkes durch die Konskription
und die Zoll- und Handelspolitik des Kaisers.

[Spaltenumbruch]

Dann folgt eine kurze Schilderung des
russischen Feldzugs. Sein Mißlingen wird
in erster Linie darauf zurückgeführt, daß die
französische Heeresleitung vor Aufgaben ge¬
stellt war, die mit den Mitteln jener Zeit
nicht zu lösen waren. Ohne Hilfe des
Telegraphen ließen sich die auseinander¬
gezogenen Armeen nicht einheitlich leiten,
ohne Unterstützung von Eisenbahnen nicht
regelmäßig verpflegen. "An der Gluthitze
des Sommers, an der Kälte des nordischen
Winters, an der Länge der Märsche, an den
Folgen kalter und nasser Biwaks und der¬
gleichen wäre kein Mann, kein Pferd zugrunde
gegangen, wenn sie nur kräftig und vor allem
regelmäßig genährt worden wären" (I., S 69).
In rasender Eile war Napoleon nach Paris
zurückgereist. In kürzester Frist wollte er
für die untergegangene eine neue Armee
schaffen. "Niemals zeigt sich sein organi¬
satorisches Genie, seine ungeheure Arbeitskraft
und die allesumfassende Kenntnis der Hilfs¬
mittel seines Reiches in glänzenderen Lichte,
als in den trüben Wintertagen des Jahres
1812 auf 1813" it-, S. 161).' Das Bestreben
des Verfassers, "so objektiv wie möglich" zu
sein, auch dem Gegner volle Gerechtigkeit
widerfahren zu lassen, gehört zu den großen
Vorzügen des Friederichschen Buches. Es ist
selbstverständlich, daß er namentlich dem
Großen, der im Mittelpunkt der Darstellung
der vier Bände steht, gerecht zu werden be¬
müht ist. Man wird zugeben müssen, daß
ihm das gelungen ist. Ja, man glaubt eine
gewisse Voreingenommenheit für die dä¬
monische Gestalt Napoleons zu spüren. Sorg¬
fältig Prüft er die Angriffe und Vorwürfe,
die gegen des Kaisers Maßnahmen in den
Jahren der Befreiungskriege gerichtet werden,
und kommt meist zu einem freisprechenden
Urteil. Er will nichts wissen von Abnahme
der Geistes- und Willenskraft in dieser Periode,
von sinkender Feldherrngröße. Auch wo
Napoleon verhängnisvolle Irrtümer begangen
hat, urteilt Friederich, das; der Kaiser auf
Grund seines Wissens vom Stande der
Dinge nicht gut anders habe handeln können.
Nur in wenigen Füllen versagt er ihm die
Entschuldigung, so, als er sich Ende Mürz
1811 durch seine Marschälle bestimmen ließ,
die Bewegungen im Rücken der Schwarzen-

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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Herren Grey, Vivicmi und Salcmdra bliebe
nichts, was sie dem Zaren für sein Befreiungs¬
werk zur Verfügung stellen könnten, als ihre
eigene Personen. Als Titelbild wäre das
Knakfußische „Europa, wahre Deine heiligsten
Güter" zu wählen; der Russe natürlich aus
der Gruppe der Europäer zu tilgen und der
unschuldige Buddha durch einen die Nagaika
schwingenden Kosaken zu ersetzen.

Dr. Lark Ientsch
Geschichte

DaS Werk des Generalmajors Rudolf
.Friederich, Chefs der Kriegsgeschichtlichen Ab¬
teilung II des Großen Generalstabes, über die
Befreiungskriege 1813 bis ,1815(1Bände,
Verlag von E. S. Mittler u. S., Berlin,
1911 bis 1913. Jeder Band geb. M. 6.S0)
hat mit dem vierten Bande seinen Abschluß
gefunden. Der erste Band behandelt den
Hrühjcchrsfeldzug, der zweite den Herbstfeld¬
zug 1813, der dritte und liierte Band die
Feldzüge 1814 und 181S. Das Werk ist der
Niederschlag fünfundzwanzigjährigen Spezial-
studiums und wendet sich, wie der Verfasser
im Vorwort sagt, an die Gebildeten des
Deutschen Volkes, ohne Unterschied des
Standes. Es will eine gründlichere Kenntnis
der Ursachen und Wirkungen der Ereignisse,
der Beweggründe des Handelns der Staats¬
männer und Heerführer, der die Armeen und
Völker beherrschenden Geistesströmungen ver¬
mitteln. Das stete Ineinandergreifen von
Politik und Kriegführung soll geschildert, der
Charakter der die Geschicke der Zeit leitenden
und beeinflussenden Personen gezeichnet und
die historischen Vorgänge sollen demi Stande
der heutigen Forschung entsprechend kritisch
beleuchtet werden. Die Erinnerungen an
Deutschlands zugleich schmachvollste und
glänzendsteZeiten sollen angesichts der hundert¬
jährigen Gedenktage dem deutschen Volke
erneut zum Bewußtsein gebracht werden.

Die Aufgabe, die Friederich sich gestellt, hat
er glänzend gelöst. Man kann dem aus¬
gezeichneten Werke nicht genug Leser wünschen.
Einleitend spricht der Verfasser über die Welt¬
lage im Jahre 1812, über Napoleons Macht¬
stellung, über die schwere Bedrückung des
französischen Volkes durch die Konskription
und die Zoll- und Handelspolitik des Kaisers.

[Spaltenumbruch]

Dann folgt eine kurze Schilderung des
russischen Feldzugs. Sein Mißlingen wird
in erster Linie darauf zurückgeführt, daß die
französische Heeresleitung vor Aufgaben ge¬
stellt war, die mit den Mitteln jener Zeit
nicht zu lösen waren. Ohne Hilfe des
Telegraphen ließen sich die auseinander¬
gezogenen Armeen nicht einheitlich leiten,
ohne Unterstützung von Eisenbahnen nicht
regelmäßig verpflegen. „An der Gluthitze
des Sommers, an der Kälte des nordischen
Winters, an der Länge der Märsche, an den
Folgen kalter und nasser Biwaks und der¬
gleichen wäre kein Mann, kein Pferd zugrunde
gegangen, wenn sie nur kräftig und vor allem
regelmäßig genährt worden wären" (I., S 69).
In rasender Eile war Napoleon nach Paris
zurückgereist. In kürzester Frist wollte er
für die untergegangene eine neue Armee
schaffen. „Niemals zeigt sich sein organi¬
satorisches Genie, seine ungeheure Arbeitskraft
und die allesumfassende Kenntnis der Hilfs¬
mittel seines Reiches in glänzenderen Lichte,
als in den trüben Wintertagen des Jahres
1812 auf 1813" it-, S. 161).' Das Bestreben
des Verfassers, „so objektiv wie möglich" zu
sein, auch dem Gegner volle Gerechtigkeit
widerfahren zu lassen, gehört zu den großen
Vorzügen des Friederichschen Buches. Es ist
selbstverständlich, daß er namentlich dem
Großen, der im Mittelpunkt der Darstellung
der vier Bände steht, gerecht zu werden be¬
müht ist. Man wird zugeben müssen, daß
ihm das gelungen ist. Ja, man glaubt eine
gewisse Voreingenommenheit für die dä¬
monische Gestalt Napoleons zu spüren. Sorg¬
fältig Prüft er die Angriffe und Vorwürfe,
die gegen des Kaisers Maßnahmen in den
Jahren der Befreiungskriege gerichtet werden,
und kommt meist zu einem freisprechenden
Urteil. Er will nichts wissen von Abnahme
der Geistes- und Willenskraft in dieser Periode,
von sinkender Feldherrngröße. Auch wo
Napoleon verhängnisvolle Irrtümer begangen
hat, urteilt Friederich, das; der Kaiser auf
Grund seines Wissens vom Stande der
Dinge nicht gut anders habe handeln können.
Nur in wenigen Füllen versagt er ihm die
Entschuldigung, so, als er sich Ende Mürz
1811 durch seine Marschälle bestimmen ließ,
die Bewegungen im Rücken der Schwarzen-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_324408/138>, abgerufen am 22.07.2024.