Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr."Lreideutsche Zugendkultnr Ist die Wynekensche Richtung mit diesem Kampf gegen nationale und Nicht uninteressant ist vielleicht das Urteil eines Teilnehmers an der Ver¬ 4. Die Festschrift Freideutsche Jugend***) "Zur Jahrhundertfeier auf dem Hohen Meißner" wurde der Jugend von einer "weiblichen Jugendversammlung" (Verein für Frauenstimmrecht) in Berlin: "Also so sieht die Jugend aus, . . . von der das Vaterland Hilfe erwartet. Diese Jugend wird von einem Verein hergerufen, große Ziele werden ihr gezeigt, und diese Jugend antwortet: wir wollen uns amüsieren. Von dem Geist, der aus dieser Jugend spricht, ist nichts zu hoffen für das Vaterland, für das Volk. .. Ich muß sagen beim Anblick dieser Summe von Dekadence, ich bin entrüstet über den Geist, der aus der Jugend spricht..." Der "Anfang" begnügt sich vorläufig, diese Worte "als Urkunde völliger Verständnislosigkeit festzunageln", und schmäht dann den Bortrupp, weil er sich auf Einzelreformen und Selbstverständlichkeiten wie die Enthaltsamkeit von Rauschgetränken "so schrecklich viel zugute tue". Auch Wynekens Auslassungen über den Begriff des "Deutschtums", der doch in der frei- deutschen" Jugendbewegung eine maßgebende Rolle spielen sollte, in seinem Bortrag "Was ist Jugendkultur?" sind durchaus unbefriedigend, dürftig und unklar."' *") Er trat dort übrigens der "Unwissenheit" jenes freistudentischen "Vertreters der Grundidee unserer Nation erfreulich deutlich entgegen. Diese "Unwissenheit" im Schoße einer studentischen Gruppe, die ersichtlich sich zur Reform unseres gesamten bisherigen Er¬ ziehungswesens und zur Erarbeitung neuer Lebensformen legitimiert glaubt, spricht Bärbel Jena, Eugen Diederichs, 1913.
„Lreideutsche Zugendkultnr Ist die Wynekensche Richtung mit diesem Kampf gegen nationale und Nicht uninteressant ist vielleicht das Urteil eines Teilnehmers an der Ver¬ 4. Die Festschrift Freideutsche Jugend***) „Zur Jahrhundertfeier auf dem Hohen Meißner" wurde der Jugend von einer „weiblichen Jugendversammlung" (Verein für Frauenstimmrecht) in Berlin: „Also so sieht die Jugend aus, . . . von der das Vaterland Hilfe erwartet. Diese Jugend wird von einem Verein hergerufen, große Ziele werden ihr gezeigt, und diese Jugend antwortet: wir wollen uns amüsieren. Von dem Geist, der aus dieser Jugend spricht, ist nichts zu hoffen für das Vaterland, für das Volk. .. Ich muß sagen beim Anblick dieser Summe von Dekadence, ich bin entrüstet über den Geist, der aus der Jugend spricht..." Der „Anfang" begnügt sich vorläufig, diese Worte „als Urkunde völliger Verständnislosigkeit festzunageln", und schmäht dann den Bortrupp, weil er sich auf Einzelreformen und Selbstverständlichkeiten wie die Enthaltsamkeit von Rauschgetränken „so schrecklich viel zugute tue". Auch Wynekens Auslassungen über den Begriff des „Deutschtums", der doch in der frei- deutschen" Jugendbewegung eine maßgebende Rolle spielen sollte, in seinem Bortrag „Was ist Jugendkultur?" sind durchaus unbefriedigend, dürftig und unklar."' *") Er trat dort übrigens der „Unwissenheit" jenes freistudentischen „Vertreters der Grundidee unserer Nation erfreulich deutlich entgegen. Diese „Unwissenheit" im Schoße einer studentischen Gruppe, die ersichtlich sich zur Reform unseres gesamten bisherigen Er¬ ziehungswesens und zur Erarbeitung neuer Lebensformen legitimiert glaubt, spricht Bärbel Jena, Eugen Diederichs, 1913.
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0363" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/328463"/> <fw type="header" place="top"> „Lreideutsche Zugendkultnr</fw><lb/> <p xml:id="ID_1485"> Ist die Wynekensche Richtung mit diesem Kampf gegen nationale und<lb/> patriotische Gedanken vorderhand noch nicht zum Siege gelangt — gelockert ist<lb/> der Boden freilich bereits stark, wenn bei den Verhandlungen des Festtages<lb/> „der Vertreter der freien Studentenschaft" ausdrücklich erklären konnte: „Wir<lb/> können uns unter dem Worte .Deutsch' nichts mehr denken" (!!)*) —, so ist<lb/> sie dagegen erfolgreich geblieben in der Betonung des „Selbstbestimmungsrechts"<lb/> der Jugend, und diese Forderung wurde dann auch in der nach heißem Be¬<lb/> mühen zustande gekommenen Einigungsformel für den „gemeinsamen Kamp<lb/> gegen die gemeinsamen Feinde" an erster Stelle proklamiert: „1. Die Frei¬<lb/> deutsche Jugend will aus eigener Bestimmung, in eigener Verantwortung, mit<lb/> innerer Wahrhaftigkeit ihr Leben gestalten. 2. Für die innere Freiheit tritt die<lb/> Freideutsche Jugend unter allen Umständen geschlossen ein. 3. Zur gegen¬<lb/> seitigen Verständigung werden Freideutsche Jugendtage abgehalten."</p><lb/> <p xml:id="ID_1486"> Nicht uninteressant ist vielleicht das Urteil eines Teilnehmers an der Ver¬<lb/> anstaltung über die Rolle, die Dr. Wyneken auf dem Jugendtage gespielt hat.<lb/> or. Ullmann, einer der Redakteure des Kunstwart, der dort den „Dürer¬<lb/> bund" vertrat**), kam jüngst in einem im Wiener Frauenverein gehaltenen<lb/> Vortrag über den Freideutschen Jugendtag zu dem Schluß, daß Dr. Wyneken<lb/> der dort versammelten Jugend „zu hartes Brot gegeben habe", ein Urteil, das<lb/> er infolge einer erregten Diskusston dann dahin abschwächte, daß Wnnekens<lb/> Brot zwar doch recht hart sei, immerhin aber von der intellektuellen Jugend<lb/> genossen werden könne; freilich nur diese könne ihm folgen. Mit ähnlicher Vor¬<lb/> sicht und Zurückhaltung äußern sich andere urteilsfähige Freunde der Bewegung.</p><lb/> </div> <div n="2"> <head> 4. Die Festschrift Freideutsche Jugend***)</head><lb/> <p xml:id="ID_1487" next="#ID_1488"> „Zur Jahrhundertfeier auf dem Hohen Meißner" wurde der Jugend von<lb/> ihren erwachsenen „Freunden" eine Festschrift in die Hand gegeben, die</p><lb/> <note xml:id="FID_64" prev="#FID_63" place="foot"> einer „weiblichen Jugendversammlung" (Verein für Frauenstimmrecht) in Berlin: „Also so<lb/> sieht die Jugend aus, . . . von der das Vaterland Hilfe erwartet. Diese Jugend wird von<lb/> einem Verein hergerufen, große Ziele werden ihr gezeigt, und diese Jugend antwortet: wir<lb/> wollen uns amüsieren. Von dem Geist, der aus dieser Jugend spricht, ist nichts zu hoffen<lb/> für das Vaterland, für das Volk. .. Ich muß sagen beim Anblick dieser Summe von<lb/> Dekadence, ich bin entrüstet über den Geist, der aus der Jugend spricht..." Der „Anfang"<lb/> begnügt sich vorläufig, diese Worte „als Urkunde völliger Verständnislosigkeit festzunageln",<lb/> und schmäht dann den Bortrupp, weil er sich auf Einzelreformen und Selbstverständlichkeiten<lb/> wie die Enthaltsamkeit von Rauschgetränken „so schrecklich viel zugute tue".</note><lb/> <note xml:id="FID_65" place="foot"> Auch Wynekens Auslassungen über den Begriff des „Deutschtums", der doch in der frei-<lb/> deutschen" Jugendbewegung eine maßgebende Rolle spielen sollte, in seinem Bortrag „Was<lb/> ist Jugendkultur?" sind durchaus unbefriedigend, dürftig und unklar."'</note><lb/> <note xml:id="FID_66" place="foot"> *") Er trat dort übrigens der „Unwissenheit" jenes freistudentischen „Vertreters der<lb/> Grundidee unserer Nation erfreulich deutlich entgegen. Diese „Unwissenheit" im Schoße<lb/> einer studentischen Gruppe, die ersichtlich sich zur Reform unseres gesamten bisherigen Er¬<lb/> ziehungswesens und zur Erarbeitung neuer Lebensformen legitimiert glaubt, spricht Bärbel</note><lb/> <note xml:id="FID_67" place="foot"> Jena, Eugen Diederichs, 1913.</note><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0363]
„Lreideutsche Zugendkultnr
Ist die Wynekensche Richtung mit diesem Kampf gegen nationale und
patriotische Gedanken vorderhand noch nicht zum Siege gelangt — gelockert ist
der Boden freilich bereits stark, wenn bei den Verhandlungen des Festtages
„der Vertreter der freien Studentenschaft" ausdrücklich erklären konnte: „Wir
können uns unter dem Worte .Deutsch' nichts mehr denken" (!!)*) —, so ist
sie dagegen erfolgreich geblieben in der Betonung des „Selbstbestimmungsrechts"
der Jugend, und diese Forderung wurde dann auch in der nach heißem Be¬
mühen zustande gekommenen Einigungsformel für den „gemeinsamen Kamp
gegen die gemeinsamen Feinde" an erster Stelle proklamiert: „1. Die Frei¬
deutsche Jugend will aus eigener Bestimmung, in eigener Verantwortung, mit
innerer Wahrhaftigkeit ihr Leben gestalten. 2. Für die innere Freiheit tritt die
Freideutsche Jugend unter allen Umständen geschlossen ein. 3. Zur gegen¬
seitigen Verständigung werden Freideutsche Jugendtage abgehalten."
Nicht uninteressant ist vielleicht das Urteil eines Teilnehmers an der Ver¬
anstaltung über die Rolle, die Dr. Wyneken auf dem Jugendtage gespielt hat.
or. Ullmann, einer der Redakteure des Kunstwart, der dort den „Dürer¬
bund" vertrat**), kam jüngst in einem im Wiener Frauenverein gehaltenen
Vortrag über den Freideutschen Jugendtag zu dem Schluß, daß Dr. Wyneken
der dort versammelten Jugend „zu hartes Brot gegeben habe", ein Urteil, das
er infolge einer erregten Diskusston dann dahin abschwächte, daß Wnnekens
Brot zwar doch recht hart sei, immerhin aber von der intellektuellen Jugend
genossen werden könne; freilich nur diese könne ihm folgen. Mit ähnlicher Vor¬
sicht und Zurückhaltung äußern sich andere urteilsfähige Freunde der Bewegung.
4. Die Festschrift Freideutsche Jugend***)
„Zur Jahrhundertfeier auf dem Hohen Meißner" wurde der Jugend von
ihren erwachsenen „Freunden" eine Festschrift in die Hand gegeben, die
einer „weiblichen Jugendversammlung" (Verein für Frauenstimmrecht) in Berlin: „Also so
sieht die Jugend aus, . . . von der das Vaterland Hilfe erwartet. Diese Jugend wird von
einem Verein hergerufen, große Ziele werden ihr gezeigt, und diese Jugend antwortet: wir
wollen uns amüsieren. Von dem Geist, der aus dieser Jugend spricht, ist nichts zu hoffen
für das Vaterland, für das Volk. .. Ich muß sagen beim Anblick dieser Summe von
Dekadence, ich bin entrüstet über den Geist, der aus der Jugend spricht..." Der „Anfang"
begnügt sich vorläufig, diese Worte „als Urkunde völliger Verständnislosigkeit festzunageln",
und schmäht dann den Bortrupp, weil er sich auf Einzelreformen und Selbstverständlichkeiten
wie die Enthaltsamkeit von Rauschgetränken „so schrecklich viel zugute tue".
Auch Wynekens Auslassungen über den Begriff des „Deutschtums", der doch in der frei-
deutschen" Jugendbewegung eine maßgebende Rolle spielen sollte, in seinem Bortrag „Was
ist Jugendkultur?" sind durchaus unbefriedigend, dürftig und unklar."'
*") Er trat dort übrigens der „Unwissenheit" jenes freistudentischen „Vertreters der
Grundidee unserer Nation erfreulich deutlich entgegen. Diese „Unwissenheit" im Schoße
einer studentischen Gruppe, die ersichtlich sich zur Reform unseres gesamten bisherigen Er¬
ziehungswesens und zur Erarbeitung neuer Lebensformen legitimiert glaubt, spricht Bärbel
Jena, Eugen Diederichs, 1913.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |