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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Zweites Vierteljahr.

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Mdaskinder
V Hermann Geser on (Fvvtschung)

is er etwa fünfundzwanzig Jahre alt war, begann Fabricius, und
feinem Vater in der Bewirtschaftung des Gutes so geholfen hatte,
wie wir wissen, daß er anfassen kann, bekam er einmal Lust wie
andre, ein wenig die Welt zu sehen. Der alte Herr hatte strenge
Grundsätze. Die wissenschaftliche Ausbildung hatte er seinem Sohne
gegönnt, Wie es sich gehörte, aber in den Ferien hatte er ihn immer
zu Hause behalten, und nun wollte dieser Vogel einmal fliegen. Es kamen
schöne Septembertage, der Sohn hielt um die Erlaubnis zu eiuer mehrwöchigen
Wanderung an, der alte Herr sagte: Die Zeiten sind schwer, wir Landwirte müssen
eben jeden Kreuzer zusammenhalte!?. Der Sohn sagte, er habe ein paar Gulden
zusammengespart, die Reise solle den Vater nichts kosten. Die Mutter legte sich
ins Mittel, endlich sagte der alte Herr: Nun denn, dann packe und gehe, gehe
gleich, wohin du willst, aber mit Gott! Unser Freund war in weniger als einer
Viertelstunde reisefertig, und der Abschied zwischen diesen schweigsamen Menschen
wird nicht viel Worte gekostet haben. Als der Sohn aber durch den Garten ging,
um von dort die Landstraße zu erreichen, erschien sein Vater oben am Fenster und
warf dem Sohne ohne ein Wort zu sagen ein Füufzigfrankeustück in Gold herab
und winkte ihm einen Gruß nach.

Nein, das war nicht rauh, unterbrach Fnbrieius seine Erzählung, da eine
Bewegung im Zuhörerkreise das Verfahre" des alten Herrn zu verurteilen schien;
der alte Herr war ein edler, stolzer Charakter; er machte den Seinen nicht alles
leicht, das ist wahr. Aber hören Sie einmal deu Sohn vou seinem Vater reden!
Und er hat an, der Stelle, wo er das Goldstück aufhob, einen kleinen Denkstein
errichtet mit der Zuschrift des Tages. Sie sehen, wie er das ansahl

Nun wohl, der junge Mann ging über Haßlnch auf das Gebirge zu, er
kannte es von Jugend auf und hatte sich vorgenommen, einmal die Lande hinter
Ihrem schönen Bergland kennen zu lerne" und womöglich dabei das goldne Füchs-
lein von der Reise wieder mit nach Hause zu bringen. Wie er hinter Marienborn
das Gebirge hinaufstieg, traf er auf eine Reisegesellschaft, Vater, Tochter, Söhne,
die sich das Kloster angesehen und dort gezeichnet hatten und nun über den Ge-
birgskamm hinüber zu ihr"" Gepäck gelangen wollte", das ih"e" die Post oder die
Bahn dort schon irgendwo abgesetzt hatte. Sie waren des Wegs unkundig, und




Mdaskinder
V Hermann Geser on (Fvvtschung)

is er etwa fünfundzwanzig Jahre alt war, begann Fabricius, und
feinem Vater in der Bewirtschaftung des Gutes so geholfen hatte,
wie wir wissen, daß er anfassen kann, bekam er einmal Lust wie
andre, ein wenig die Welt zu sehen. Der alte Herr hatte strenge
Grundsätze. Die wissenschaftliche Ausbildung hatte er seinem Sohne
gegönnt, Wie es sich gehörte, aber in den Ferien hatte er ihn immer
zu Hause behalten, und nun wollte dieser Vogel einmal fliegen. Es kamen
schöne Septembertage, der Sohn hielt um die Erlaubnis zu eiuer mehrwöchigen
Wanderung an, der alte Herr sagte: Die Zeiten sind schwer, wir Landwirte müssen
eben jeden Kreuzer zusammenhalte!?. Der Sohn sagte, er habe ein paar Gulden
zusammengespart, die Reise solle den Vater nichts kosten. Die Mutter legte sich
ins Mittel, endlich sagte der alte Herr: Nun denn, dann packe und gehe, gehe
gleich, wohin du willst, aber mit Gott! Unser Freund war in weniger als einer
Viertelstunde reisefertig, und der Abschied zwischen diesen schweigsamen Menschen
wird nicht viel Worte gekostet haben. Als der Sohn aber durch den Garten ging,
um von dort die Landstraße zu erreichen, erschien sein Vater oben am Fenster und
warf dem Sohne ohne ein Wort zu sagen ein Füufzigfrankeustück in Gold herab
und winkte ihm einen Gruß nach.

Nein, das war nicht rauh, unterbrach Fnbrieius seine Erzählung, da eine
Bewegung im Zuhörerkreise das Verfahre» des alten Herrn zu verurteilen schien;
der alte Herr war ein edler, stolzer Charakter; er machte den Seinen nicht alles
leicht, das ist wahr. Aber hören Sie einmal deu Sohn vou seinem Vater reden!
Und er hat an, der Stelle, wo er das Goldstück aufhob, einen kleinen Denkstein
errichtet mit der Zuschrift des Tages. Sie sehen, wie er das ansahl

Nun wohl, der junge Mann ging über Haßlnch auf das Gebirge zu, er
kannte es von Jugend auf und hatte sich vorgenommen, einmal die Lande hinter
Ihrem schönen Bergland kennen zu lerne» und womöglich dabei das goldne Füchs-
lein von der Reise wieder mit nach Hause zu bringen. Wie er hinter Marienborn
das Gebirge hinaufstieg, traf er auf eine Reisegesellschaft, Vater, Tochter, Söhne,
die sich das Kloster angesehen und dort gezeichnet hatten und nun über den Ge-
birgskamm hinüber zu ihr»» Gepäck gelangen wollte», das ih»e» die Post oder die
Bahn dort schon irgendwo abgesetzt hatte. Sie waren des Wegs unkundig, und


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[0299] [Abbildung] Mdaskinder V Hermann Geser on (Fvvtschung) is er etwa fünfundzwanzig Jahre alt war, begann Fabricius, und feinem Vater in der Bewirtschaftung des Gutes so geholfen hatte, wie wir wissen, daß er anfassen kann, bekam er einmal Lust wie andre, ein wenig die Welt zu sehen. Der alte Herr hatte strenge Grundsätze. Die wissenschaftliche Ausbildung hatte er seinem Sohne gegönnt, Wie es sich gehörte, aber in den Ferien hatte er ihn immer zu Hause behalten, und nun wollte dieser Vogel einmal fliegen. Es kamen schöne Septembertage, der Sohn hielt um die Erlaubnis zu eiuer mehrwöchigen Wanderung an, der alte Herr sagte: Die Zeiten sind schwer, wir Landwirte müssen eben jeden Kreuzer zusammenhalte!?. Der Sohn sagte, er habe ein paar Gulden zusammengespart, die Reise solle den Vater nichts kosten. Die Mutter legte sich ins Mittel, endlich sagte der alte Herr: Nun denn, dann packe und gehe, gehe gleich, wohin du willst, aber mit Gott! Unser Freund war in weniger als einer Viertelstunde reisefertig, und der Abschied zwischen diesen schweigsamen Menschen wird nicht viel Worte gekostet haben. Als der Sohn aber durch den Garten ging, um von dort die Landstraße zu erreichen, erschien sein Vater oben am Fenster und warf dem Sohne ohne ein Wort zu sagen ein Füufzigfrankeustück in Gold herab und winkte ihm einen Gruß nach. Nein, das war nicht rauh, unterbrach Fnbrieius seine Erzählung, da eine Bewegung im Zuhörerkreise das Verfahre» des alten Herrn zu verurteilen schien; der alte Herr war ein edler, stolzer Charakter; er machte den Seinen nicht alles leicht, das ist wahr. Aber hören Sie einmal deu Sohn vou seinem Vater reden! Und er hat an, der Stelle, wo er das Goldstück aufhob, einen kleinen Denkstein errichtet mit der Zuschrift des Tages. Sie sehen, wie er das ansahl Nun wohl, der junge Mann ging über Haßlnch auf das Gebirge zu, er kannte es von Jugend auf und hatte sich vorgenommen, einmal die Lande hinter Ihrem schönen Bergland kennen zu lerne» und womöglich dabei das goldne Füchs- lein von der Reise wieder mit nach Hause zu bringen. Wie er hinter Marienborn das Gebirge hinaufstieg, traf er auf eine Reisegesellschaft, Vater, Tochter, Söhne, die sich das Kloster angesehen und dort gezeichnet hatten und nun über den Ge- birgskamm hinüber zu ihr»» Gepäck gelangen wollte», das ih»e» die Post oder die Bahn dort schon irgendwo abgesetzt hatte. Sie waren des Wegs unkundig, und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_224927/299>, abgerufen am 23.07.2024.