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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr.

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Aus den Tagebüchern Theodor von Bernhardts

Strebens, nicht aber wie bei uns die Vermögenslage der Eltern über die Art
und Länge des Bildungsganges entscheide. In der That, auch wir würden
uns von einer derartigen Betrachtung etwas gutes versprechen. Wo aber
bliebe dann der preußische Finanzminister, der jene gähnende Kluft, die unser
Volk in zwei einander fremde Teile scheidet, dadurch erweitert, daß er für die
sämtlichen höhern Staatsschulen das Schulgeld um etwa zwanzig Prozent
erhöht hat?")




Aus den Tagebüchern Theodor von Bernhardts
Zwei Besuche am Hofe des Herzogs Ernst vou Sachsen-Aoburg-Gotha (Schluß)

achten mich der Herzog entlassen hat, in meinem Zimmer ge¬
schrieben; vieles überdacht.

Das Wetter klärt sich ein klein wenig auf; Philipp erscheint:
Diner bald nach vier, im Jagdanzug! Mir geht ein Licht auf:
der Frack ist hier die Ausnahme, die Gala!

Der Herzog, Erbach, Leiningen erscheinen bei Tisch in allerhand kurzen
Jacken und gewaltigen Wasserstiefeln und eilen davon, ehe noch das Mahl
ganz beendet ist. Wir andern im Überrock.

Spazierfahrt mit der Herzogin. Miß Gianetta mit dieser im Ponyphaethon,
den die Herzogin selbst führt; die beiden jünger" Misses Hughan, Fräulein
von Thümmel und ich in einer Kalesche. Wir fahren durch eines der, wie
die Sage berichtet, von der heiligen Elisabeth angelegten und mit Kolonisten
aus Ungarn bevölkerten Dörfer: Groß-Tabarz, dann ein Wald- und Wiesenthal,
in dem sich keine menschlichen Wohnungen zeigen, hinauf, endlich zu Fuß durch
deu Wald, die Berglehne hinan zum Thorstein.

Abends Soiree im Villardzimmer, wo geraucht wird; aber Frau von
Meyern ruht nicht, bis sie in deu Salon der Herzogin verlegt wird.

An neuen Gästen erscheint da der Fürst Hatzfeldt, Standesherr aus
Trachenberg in Schlesien, der ein Haus in Gotha besitzt und seine Winter
da verlebt, weil ihn seine eigentümlichen Familienverhältnisse und sein Libe¬
ralismus am preußischen Hofe mißliebig gemacht und mit dem schlesischen
Adel brouillirt haben. Ein sehr liebenswürdiger Gesellschafter. Dann erscheint,
durch G. Freytag eingeführt: Berthold Auerbach, der Verfasser der "Dorf-



Wir gedenken in einem der nächsten Hefte auf die Stellung der Konferenz zu der
oben behandelten Frage zurückzukommen.
Aus den Tagebüchern Theodor von Bernhardts

Strebens, nicht aber wie bei uns die Vermögenslage der Eltern über die Art
und Länge des Bildungsganges entscheide. In der That, auch wir würden
uns von einer derartigen Betrachtung etwas gutes versprechen. Wo aber
bliebe dann der preußische Finanzminister, der jene gähnende Kluft, die unser
Volk in zwei einander fremde Teile scheidet, dadurch erweitert, daß er für die
sämtlichen höhern Staatsschulen das Schulgeld um etwa zwanzig Prozent
erhöht hat?")




Aus den Tagebüchern Theodor von Bernhardts
Zwei Besuche am Hofe des Herzogs Ernst vou Sachsen-Aoburg-Gotha (Schluß)

achten mich der Herzog entlassen hat, in meinem Zimmer ge¬
schrieben; vieles überdacht.

Das Wetter klärt sich ein klein wenig auf; Philipp erscheint:
Diner bald nach vier, im Jagdanzug! Mir geht ein Licht auf:
der Frack ist hier die Ausnahme, die Gala!

Der Herzog, Erbach, Leiningen erscheinen bei Tisch in allerhand kurzen
Jacken und gewaltigen Wasserstiefeln und eilen davon, ehe noch das Mahl
ganz beendet ist. Wir andern im Überrock.

Spazierfahrt mit der Herzogin. Miß Gianetta mit dieser im Ponyphaethon,
den die Herzogin selbst führt; die beiden jünger» Misses Hughan, Fräulein
von Thümmel und ich in einer Kalesche. Wir fahren durch eines der, wie
die Sage berichtet, von der heiligen Elisabeth angelegten und mit Kolonisten
aus Ungarn bevölkerten Dörfer: Groß-Tabarz, dann ein Wald- und Wiesenthal,
in dem sich keine menschlichen Wohnungen zeigen, hinauf, endlich zu Fuß durch
deu Wald, die Berglehne hinan zum Thorstein.

Abends Soiree im Villardzimmer, wo geraucht wird; aber Frau von
Meyern ruht nicht, bis sie in deu Salon der Herzogin verlegt wird.

An neuen Gästen erscheint da der Fürst Hatzfeldt, Standesherr aus
Trachenberg in Schlesien, der ein Haus in Gotha besitzt und seine Winter
da verlebt, weil ihn seine eigentümlichen Familienverhältnisse und sein Libe¬
ralismus am preußischen Hofe mißliebig gemacht und mit dem schlesischen
Adel brouillirt haben. Ein sehr liebenswürdiger Gesellschafter. Dann erscheint,
durch G. Freytag eingeführt: Berthold Auerbach, der Verfasser der „Dorf-



Wir gedenken in einem der nächsten Hefte auf die Stellung der Konferenz zu der
oben behandelten Frage zurückzukommen.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_214455/550>, abgerufen am 03.07.2024.