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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr.

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Der Zollanschluß Hamburgs und Bremens.
i.

l n der Nacht vom 14. zum 15. Oktober hat auf Anordnung des
Bundesrates der Anschluß der Hansestädte Hamburg und Bremen
an die deutsche Zollgcmeinschaft stattgefunden. Es hat damit der
etzte Akt der ruhmreichen preußisch-deutschen Zollvereinsgeschichte
geendet, die letzte Episode einer Entwicklung, der die jüngern bei¬
nahe rat- und teilnahmlos gegenüberstehen, deren Krisen aber unsre Väter
und die ältern unter uns bisweilen in zwei große feindliche Heerlager gleich
den mittelalterlichen Guelfen und Ghibellinen spaltete. Wie in allen frühern
Phasen des großen funfzigjährigen Krieges, sperrte sich auch in diesem Falle
ein nicht geringer Teil der anzuschließenden Bevölkerung mit leidenschaftlicher
Verblendung gegen ihr eignes und des Vaterlandes Wohl. Wie so oft, behielt
auch in diesem Falle die kluge Besonnenheit und die ruhige Festigkeit Preußens
zuletzt den Sieg über alle entgegenstehenden Vorurteile und unbelehrbarer Ge¬
hässigkeiten. Wiederum mußte der gefürchtete Anschluß an Preußen durch die
bessere Einsicht des Hamburger Senats über die Köpfe der Bürgerschaft hin¬
weg bewerkstelligt werden. Und wiederum ist die Hamburger Bevölkerung, nach¬
dem die vollendete Thatsache ihren Zauber auf sie zu üben begonnen hat, auf
dem besten Wege, die Notwendigkeit und Heilsamkeit der einst so heftig bekämpf¬
ten Änderung nachträglich dankbar anzuerkennen.

Man weiß, daß der hanseatische Handel aus eigner Kraft, ohne Hilfe von
Kaiser und Reich oder gar vom Frankfurter Bundestage, die Stellung einer
Weltmacht errungen hat in Zeiten, wo Deutschlands Ansehn tief danieder lag.
Wohl hatte das ehrwürdige Lübeck, nachdem die Nationen des Nordens, die
es einst mit seinem Kapital und seinen Waffen beherrscht hatte, mündig gewor-


Grenzbotcn IV. 1888. 49


Der Zollanschluß Hamburgs und Bremens.
i.

l n der Nacht vom 14. zum 15. Oktober hat auf Anordnung des
Bundesrates der Anschluß der Hansestädte Hamburg und Bremen
an die deutsche Zollgcmeinschaft stattgefunden. Es hat damit der
etzte Akt der ruhmreichen preußisch-deutschen Zollvereinsgeschichte
geendet, die letzte Episode einer Entwicklung, der die jüngern bei¬
nahe rat- und teilnahmlos gegenüberstehen, deren Krisen aber unsre Väter
und die ältern unter uns bisweilen in zwei große feindliche Heerlager gleich
den mittelalterlichen Guelfen und Ghibellinen spaltete. Wie in allen frühern
Phasen des großen funfzigjährigen Krieges, sperrte sich auch in diesem Falle
ein nicht geringer Teil der anzuschließenden Bevölkerung mit leidenschaftlicher
Verblendung gegen ihr eignes und des Vaterlandes Wohl. Wie so oft, behielt
auch in diesem Falle die kluge Besonnenheit und die ruhige Festigkeit Preußens
zuletzt den Sieg über alle entgegenstehenden Vorurteile und unbelehrbarer Ge¬
hässigkeiten. Wiederum mußte der gefürchtete Anschluß an Preußen durch die
bessere Einsicht des Hamburger Senats über die Köpfe der Bürgerschaft hin¬
weg bewerkstelligt werden. Und wiederum ist die Hamburger Bevölkerung, nach¬
dem die vollendete Thatsache ihren Zauber auf sie zu üben begonnen hat, auf
dem besten Wege, die Notwendigkeit und Heilsamkeit der einst so heftig bekämpf¬
ten Änderung nachträglich dankbar anzuerkennen.

Man weiß, daß der hanseatische Handel aus eigner Kraft, ohne Hilfe von
Kaiser und Reich oder gar vom Frankfurter Bundestage, die Stellung einer
Weltmacht errungen hat in Zeiten, wo Deutschlands Ansehn tief danieder lag.
Wohl hatte das ehrwürdige Lübeck, nachdem die Nationen des Nordens, die
es einst mit seinem Kapital und seinen Waffen beherrscht hatte, mündig gewor-


Grenzbotcn IV. 1888. 49
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[0393] [Abbildung] Der Zollanschluß Hamburgs und Bremens. i. l n der Nacht vom 14. zum 15. Oktober hat auf Anordnung des Bundesrates der Anschluß der Hansestädte Hamburg und Bremen an die deutsche Zollgcmeinschaft stattgefunden. Es hat damit der etzte Akt der ruhmreichen preußisch-deutschen Zollvereinsgeschichte geendet, die letzte Episode einer Entwicklung, der die jüngern bei¬ nahe rat- und teilnahmlos gegenüberstehen, deren Krisen aber unsre Väter und die ältern unter uns bisweilen in zwei große feindliche Heerlager gleich den mittelalterlichen Guelfen und Ghibellinen spaltete. Wie in allen frühern Phasen des großen funfzigjährigen Krieges, sperrte sich auch in diesem Falle ein nicht geringer Teil der anzuschließenden Bevölkerung mit leidenschaftlicher Verblendung gegen ihr eignes und des Vaterlandes Wohl. Wie so oft, behielt auch in diesem Falle die kluge Besonnenheit und die ruhige Festigkeit Preußens zuletzt den Sieg über alle entgegenstehenden Vorurteile und unbelehrbarer Ge¬ hässigkeiten. Wiederum mußte der gefürchtete Anschluß an Preußen durch die bessere Einsicht des Hamburger Senats über die Köpfe der Bürgerschaft hin¬ weg bewerkstelligt werden. Und wiederum ist die Hamburger Bevölkerung, nach¬ dem die vollendete Thatsache ihren Zauber auf sie zu üben begonnen hat, auf dem besten Wege, die Notwendigkeit und Heilsamkeit der einst so heftig bekämpf¬ ten Änderung nachträglich dankbar anzuerkennen. Man weiß, daß der hanseatische Handel aus eigner Kraft, ohne Hilfe von Kaiser und Reich oder gar vom Frankfurter Bundestage, die Stellung einer Weltmacht errungen hat in Zeiten, wo Deutschlands Ansehn tief danieder lag. Wohl hatte das ehrwürdige Lübeck, nachdem die Nationen des Nordens, die es einst mit seinem Kapital und seinen Waffen beherrscht hatte, mündig gewor- Grenzbotcn IV. 1888. 49

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_203434/393>, abgerufen am 22.07.2024.