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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr.

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Litteratur.

Hans, was guckscht so still für ti
Über 's Brücke'gliinder;
Sag, deutsche grad vielleicht an mi,
Oder nachsehe Kalender? --
Noi', Kalender mach i net,
Aber denk mit Schmerze,
Wenn i no de Schlüssel hätt
Zu me gewisse Herze! --
's schwimmt a Fischte lvohl damit
Zwische Berg und Wange ^),
Und wenn du de Schlüssel witt,
Muescht halt 's Fischte fange! --

Was zum Schluß die Orthographie betrifft, so herrscht dabei völlige
Willkür. Jeder Dichter macht sich seine eigne. Es wäre von unzweifelhaften"
Vorteil, wenn in dieser Beziehung ein Zusammengehen erstrebt würde. Auch
Bischer, der wohl als erste Autorität Geltung hätte haben sollen, ist nicht durch-
gedrungen. Grimminger hat die Orthographie in "Mei Derhoim" wohl am
frühsten etwas zu regeln versucht. Vielleicht ließe sich aber doch eine Einigung
erzielen -- wenigstens soweit es bei den verschiedenen Lautklängen und Schatti-
rungen der Aussprache überhaupt möglich ist -- wenn guter Wille dazu vor¬
handen wäre. Wir kommen später vielleicht einmal ausführlicher hierauf zurück,
ebenso auf die hier nicht berücksichtigte schwäbische Prosadichtung.





Litteratur.
Confucius und seine Lehre. Von Georg von der Gabelentz. Mit Titelbild.
Leipzig, Brockhaus, 1888.

China kann man nach der Meinung des Verfassers mit mehr Recht con-
fucianisch, als Europa christlich nennen, und so hat sich ihm die gedankenreiche, vou
großen Gesichtspunkten aus entworfene Charakteristik des Confucius zu einem
Charakterbilde des chiuesisthen Staatswesens in fortlaufendem Vergleich mit der
europäischen Kultur ausgeweidet. Für Gabelentz ist Confucius einer der gröszten
Menschen, die je gelebt haben, wenn man die geschichtliche Größe eines Mannes
nach der Zeit, dem Raume und der anhaltenden Kraft seiner Wirksamkeit bemessen
kann. Confucius beherrscht China seit dem sechsten Jahrhundert vor unsrer Zeit¬
rechnung bis auf den heutigen Tag; weder der Buddhismus, noch die Völkerkriege,
noch der Mohammedanismus konnten seine Macht im Laufe der Jahrhunderte
schwächen, vielmehr haben die zähen Chinesen ihre Eroberer bekehrt. Man darf


*) Zwei Dörfer am Neckar, nahe bei Stuttgart.
Litteratur.

Hans, was guckscht so still für ti
Über 's Brücke'gliinder;
Sag, deutsche grad vielleicht an mi,
Oder nachsehe Kalender? —
Noi', Kalender mach i net,
Aber denk mit Schmerze,
Wenn i no de Schlüssel hätt
Zu me gewisse Herze! —
's schwimmt a Fischte lvohl damit
Zwische Berg und Wange ^),
Und wenn du de Schlüssel witt,
Muescht halt 's Fischte fange! —

Was zum Schluß die Orthographie betrifft, so herrscht dabei völlige
Willkür. Jeder Dichter macht sich seine eigne. Es wäre von unzweifelhaften«
Vorteil, wenn in dieser Beziehung ein Zusammengehen erstrebt würde. Auch
Bischer, der wohl als erste Autorität Geltung hätte haben sollen, ist nicht durch-
gedrungen. Grimminger hat die Orthographie in „Mei Derhoim" wohl am
frühsten etwas zu regeln versucht. Vielleicht ließe sich aber doch eine Einigung
erzielen — wenigstens soweit es bei den verschiedenen Lautklängen und Schatti-
rungen der Aussprache überhaupt möglich ist — wenn guter Wille dazu vor¬
handen wäre. Wir kommen später vielleicht einmal ausführlicher hierauf zurück,
ebenso auf die hier nicht berücksichtigte schwäbische Prosadichtung.





Litteratur.
Confucius und seine Lehre. Von Georg von der Gabelentz. Mit Titelbild.
Leipzig, Brockhaus, 1888.

China kann man nach der Meinung des Verfassers mit mehr Recht con-
fucianisch, als Europa christlich nennen, und so hat sich ihm die gedankenreiche, vou
großen Gesichtspunkten aus entworfene Charakteristik des Confucius zu einem
Charakterbilde des chiuesisthen Staatswesens in fortlaufendem Vergleich mit der
europäischen Kultur ausgeweidet. Für Gabelentz ist Confucius einer der gröszten
Menschen, die je gelebt haben, wenn man die geschichtliche Größe eines Mannes
nach der Zeit, dem Raume und der anhaltenden Kraft seiner Wirksamkeit bemessen
kann. Confucius beherrscht China seit dem sechsten Jahrhundert vor unsrer Zeit¬
rechnung bis auf den heutigen Tag; weder der Buddhismus, noch die Völkerkriege,
noch der Mohammedanismus konnten seine Macht im Laufe der Jahrhunderte
schwächen, vielmehr haben die zähen Chinesen ihre Eroberer bekehrt. Man darf


*) Zwei Dörfer am Neckar, nahe bei Stuttgart.
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[0293] Litteratur. Hans, was guckscht so still für ti Über 's Brücke'gliinder; Sag, deutsche grad vielleicht an mi, Oder nachsehe Kalender? — Noi', Kalender mach i net, Aber denk mit Schmerze, Wenn i no de Schlüssel hätt Zu me gewisse Herze! — 's schwimmt a Fischte lvohl damit Zwische Berg und Wange ^), Und wenn du de Schlüssel witt, Muescht halt 's Fischte fange! — Was zum Schluß die Orthographie betrifft, so herrscht dabei völlige Willkür. Jeder Dichter macht sich seine eigne. Es wäre von unzweifelhaften« Vorteil, wenn in dieser Beziehung ein Zusammengehen erstrebt würde. Auch Bischer, der wohl als erste Autorität Geltung hätte haben sollen, ist nicht durch- gedrungen. Grimminger hat die Orthographie in „Mei Derhoim" wohl am frühsten etwas zu regeln versucht. Vielleicht ließe sich aber doch eine Einigung erzielen — wenigstens soweit es bei den verschiedenen Lautklängen und Schatti- rungen der Aussprache überhaupt möglich ist — wenn guter Wille dazu vor¬ handen wäre. Wir kommen später vielleicht einmal ausführlicher hierauf zurück, ebenso auf die hier nicht berücksichtigte schwäbische Prosadichtung. Litteratur. Confucius und seine Lehre. Von Georg von der Gabelentz. Mit Titelbild. Leipzig, Brockhaus, 1888. China kann man nach der Meinung des Verfassers mit mehr Recht con- fucianisch, als Europa christlich nennen, und so hat sich ihm die gedankenreiche, vou großen Gesichtspunkten aus entworfene Charakteristik des Confucius zu einem Charakterbilde des chiuesisthen Staatswesens in fortlaufendem Vergleich mit der europäischen Kultur ausgeweidet. Für Gabelentz ist Confucius einer der gröszten Menschen, die je gelebt haben, wenn man die geschichtliche Größe eines Mannes nach der Zeit, dem Raume und der anhaltenden Kraft seiner Wirksamkeit bemessen kann. Confucius beherrscht China seit dem sechsten Jahrhundert vor unsrer Zeit¬ rechnung bis auf den heutigen Tag; weder der Buddhismus, noch die Völkerkriege, noch der Mohammedanismus konnten seine Macht im Laufe der Jahrhunderte schwächen, vielmehr haben die zähen Chinesen ihre Eroberer bekehrt. Man darf *) Zwei Dörfer am Neckar, nahe bei Stuttgart.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_203434/293>, abgerufen am 28.06.2024.