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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal.

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Beiträge zur Beurtheilung der Judenfrage.
2. Jakob-Israel. -- Lichtstrahlen aus dem Talmud. -- Deutsche
Philosophen und die Juden.

Wenn wir uns nach Material zu einer Charakteristik der Juden umsehen,
so finden wir zunächst eine sehr beachtenswerthe Andeutung in dem Namen, den
sie unter den verschiedenen ihnen beigelegten vorziehen. Sodann giebt die
Literatur, die sie meist in der Diaspora aus sich selbst, ohne Anlehnung an
fremde Bildung, erzeugt haben, gute Fingerzeige. Endlich wird ihre Geschichte
in Europa weitere Anhaltspunkte liefern. Für heute beschäftigen wir uns nur
mit den beiden erstgenannten Quellen. Der nächste Abschnitt wird bringen, was
wir aus der dritten schöpften, und zeigen, daß der Typus, den wir aus jenen
gewannen, im Großen und Ganzen ein unveränderlicher ist.

Die Juden wollen nicht Juden, sondern Jsraeliten heißen. Sie halten
das für vornehmer. Wir aber glauben darin einem Jnstinct, einer Ahnung ihres
eigenen wahren Wesens zu begegnen, die in ihrem Interesse besser nicht laut
geworden wäre. Israel ist ein Beiname Jakobs, des dritten Patriarchen. Nun
sind die Patriarchen keine geschichtlichen Menschen, sondern, wenn sie nicht einst
Götter waren, ungefähr das, was wir bei nichtsemitischen Völkern als Heroen
bezeichnen. Sie sind Typen, Personificationen des Charakters der hebräischen
Nation, die Summe ihrer hervorstechenden Eigenschaften, der Ausdruck ihrer
durchschnittlichen Denkart, Spiegelbilder dessen, was sie im Allgemeinen -- denn
selbstverständlich geben wir Ausnahmen zu -- beim Handeln Andern gegenüber
für Recht und Pflicht, für gut und schön hält. In Jakob-Israel schaute also
das nach ihm benannte Volk sich selbst an, wenigstens in einigen seiner Haupt¬
charakterzüge, und erfreut es sich nach dem Obigen noch heute an sich selbst.
Und was für ein abstoßendes Bild tritt uns Deutschen in diesem sagenhaften
Erzvater der Juden entgegen! Er ist ein Hirt, aber zugleich ein abgefeimter
Geschäftsmann ohne Scham und Gewissen. Nach der Genesis macht er Ge-


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Beiträge zur Beurtheilung der Judenfrage.
2. Jakob-Israel. — Lichtstrahlen aus dem Talmud. — Deutsche
Philosophen und die Juden.

Wenn wir uns nach Material zu einer Charakteristik der Juden umsehen,
so finden wir zunächst eine sehr beachtenswerthe Andeutung in dem Namen, den
sie unter den verschiedenen ihnen beigelegten vorziehen. Sodann giebt die
Literatur, die sie meist in der Diaspora aus sich selbst, ohne Anlehnung an
fremde Bildung, erzeugt haben, gute Fingerzeige. Endlich wird ihre Geschichte
in Europa weitere Anhaltspunkte liefern. Für heute beschäftigen wir uns nur
mit den beiden erstgenannten Quellen. Der nächste Abschnitt wird bringen, was
wir aus der dritten schöpften, und zeigen, daß der Typus, den wir aus jenen
gewannen, im Großen und Ganzen ein unveränderlicher ist.

Die Juden wollen nicht Juden, sondern Jsraeliten heißen. Sie halten
das für vornehmer. Wir aber glauben darin einem Jnstinct, einer Ahnung ihres
eigenen wahren Wesens zu begegnen, die in ihrem Interesse besser nicht laut
geworden wäre. Israel ist ein Beiname Jakobs, des dritten Patriarchen. Nun
sind die Patriarchen keine geschichtlichen Menschen, sondern, wenn sie nicht einst
Götter waren, ungefähr das, was wir bei nichtsemitischen Völkern als Heroen
bezeichnen. Sie sind Typen, Personificationen des Charakters der hebräischen
Nation, die Summe ihrer hervorstechenden Eigenschaften, der Ausdruck ihrer
durchschnittlichen Denkart, Spiegelbilder dessen, was sie im Allgemeinen — denn
selbstverständlich geben wir Ausnahmen zu — beim Handeln Andern gegenüber
für Recht und Pflicht, für gut und schön hält. In Jakob-Israel schaute also
das nach ihm benannte Volk sich selbst an, wenigstens in einigen seiner Haupt¬
charakterzüge, und erfreut es sich nach dem Obigen noch heute an sich selbst.
Und was für ein abstoßendes Bild tritt uns Deutschen in diesem sagenhaften
Erzvater der Juden entgegen! Er ist ein Hirt, aber zugleich ein abgefeimter
Geschäftsmann ohne Scham und Gewissen. Nach der Genesis macht er Ge-


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[0361] Beiträge zur Beurtheilung der Judenfrage. 2. Jakob-Israel. — Lichtstrahlen aus dem Talmud. — Deutsche Philosophen und die Juden. Wenn wir uns nach Material zu einer Charakteristik der Juden umsehen, so finden wir zunächst eine sehr beachtenswerthe Andeutung in dem Namen, den sie unter den verschiedenen ihnen beigelegten vorziehen. Sodann giebt die Literatur, die sie meist in der Diaspora aus sich selbst, ohne Anlehnung an fremde Bildung, erzeugt haben, gute Fingerzeige. Endlich wird ihre Geschichte in Europa weitere Anhaltspunkte liefern. Für heute beschäftigen wir uns nur mit den beiden erstgenannten Quellen. Der nächste Abschnitt wird bringen, was wir aus der dritten schöpften, und zeigen, daß der Typus, den wir aus jenen gewannen, im Großen und Ganzen ein unveränderlicher ist. Die Juden wollen nicht Juden, sondern Jsraeliten heißen. Sie halten das für vornehmer. Wir aber glauben darin einem Jnstinct, einer Ahnung ihres eigenen wahren Wesens zu begegnen, die in ihrem Interesse besser nicht laut geworden wäre. Israel ist ein Beiname Jakobs, des dritten Patriarchen. Nun sind die Patriarchen keine geschichtlichen Menschen, sondern, wenn sie nicht einst Götter waren, ungefähr das, was wir bei nichtsemitischen Völkern als Heroen bezeichnen. Sie sind Typen, Personificationen des Charakters der hebräischen Nation, die Summe ihrer hervorstechenden Eigenschaften, der Ausdruck ihrer durchschnittlichen Denkart, Spiegelbilder dessen, was sie im Allgemeinen — denn selbstverständlich geben wir Ausnahmen zu — beim Handeln Andern gegenüber für Recht und Pflicht, für gut und schön hält. In Jakob-Israel schaute also das nach ihm benannte Volk sich selbst an, wenigstens in einigen seiner Haupt¬ charakterzüge, und erfreut es sich nach dem Obigen noch heute an sich selbst. Und was für ein abstoßendes Bild tritt uns Deutschen in diesem sagenhaften Erzvater der Juden entgegen! Er ist ein Hirt, aber zugleich ein abgefeimter Geschäftsmann ohne Scham und Gewissen. Nach der Genesis macht er Ge- Grenzboten I. 1SS0. 45

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157681/361>, abgerufen am 22.07.2024.