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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band.

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Ueue Untersuchungen über die Steinzeit.

Dänische Alterthumsforscher waren es, welche die heute allerdings nicht
mehr mustergiltige, aber der Bequemlichkeit halber immer noch beibehaltene
Eintheilung der vorhistorischen Zeit in Stein-, Bronze" und Eisenperiode
durchführten. In Dänemark z. B. nahm man an, daß die Eisenperiode etwa
bis zur Zeit der Geburt Christi zurückreiche, das Bronzealter noch ein oder
zwei Tausend Jahre weiter rückwärts und was vor diesem lag. nannte man
dann das Steinzeitalter. Die Anschauungen, welche dieser Eintheilung zu
Grunde lagen, waren etwa folgende: 1) Es gab eine Zeit im westlichen und
mittleren Europa, in welcher die Verwendung von Metallen für schneidende
Werkzeuge jeglicher Art unbekannt war und der Mensch sich daher mit Stei¬
nen, Knochen, Holz oder andern Substanzen zur Herstellung seiner Geräthe
und Waffen behelfen mußte. -- 2) Dieser Periode folgte eine andere, in
welcher der Gebrauch des Kupfers oder des mit Zinn vermischten Kupfers,
also der Bronze, bekannt wurde und allmählig den Gebrauch der Steinwerk¬
zeuge für gewisse Zwecke verdrängte, während diese für andere noch im Ge¬
brauche blieben. -- 3) Es kam dann eine Zeit, in der wieder die Bronze
ihrerseits von Eisen und Stahl abgelöst wurde; diese Periode währt bis
heute fort.

So ist die allgemein noch gültige Anschauung; doch liegt auf der Hand,
daß man bei der Annahme dieser Classification keinenfalls eine bestimmte
Chronologie mit in den Kauf zu nehmen hat oder um ein paar Hundert
oder gar Tausend Jahre herüber oder hinüber markten darf. Ebensowenig
darf man sich einbilden, daß durch ganz Mittel- oder Westeuropa gleichzeitig
überall das Stein- und dann das Bronzealter geherrscht habe. Der Zustand
der Civilisation war früher zwischen den einzelnen Ländern Europas noch weit
verschiedener, als heutzutage. Während der Serbe in der Herzegowina oder
Montenegro heute noch Wagen besitzt, an denen nicht ein Loth Eisen ver¬
wendet wurde, rollen wir auf Eisenbahnen dahin. Es müssen aber früher
noch schneidigere Unterschiede zwischen den einzelnen europäischen Völkern statt¬
gefunden haben, da der Verkehr ein weit beschränkterer als heute war und so
können wir uns recht gut vorstellen, daß z. B. in Italien schon die Eisenzeit
herrschte, während andere Länder Europas noch in der Bronzeperiode oder gar
in der Steinzeit steckten.

Nun läßt sich aber keineswegs annehmen, daß, wenn Bronze bei einem,
Volke in Gebrauch kam, sofort auch die Benutzung der Steingeräthe aufhörte
oder wenn das Eisen zur Verwendung gelangte, die Bronze gleich vollständig
bei Seite geworfen wurde. Im Gegentheil, beide werden immer noch eine
Zeit lang gemischt neben einander gebraucht worden sein, wie Segelschiffe


Ueue Untersuchungen über die Steinzeit.

Dänische Alterthumsforscher waren es, welche die heute allerdings nicht
mehr mustergiltige, aber der Bequemlichkeit halber immer noch beibehaltene
Eintheilung der vorhistorischen Zeit in Stein-, Bronze« und Eisenperiode
durchführten. In Dänemark z. B. nahm man an, daß die Eisenperiode etwa
bis zur Zeit der Geburt Christi zurückreiche, das Bronzealter noch ein oder
zwei Tausend Jahre weiter rückwärts und was vor diesem lag. nannte man
dann das Steinzeitalter. Die Anschauungen, welche dieser Eintheilung zu
Grunde lagen, waren etwa folgende: 1) Es gab eine Zeit im westlichen und
mittleren Europa, in welcher die Verwendung von Metallen für schneidende
Werkzeuge jeglicher Art unbekannt war und der Mensch sich daher mit Stei¬
nen, Knochen, Holz oder andern Substanzen zur Herstellung seiner Geräthe
und Waffen behelfen mußte. — 2) Dieser Periode folgte eine andere, in
welcher der Gebrauch des Kupfers oder des mit Zinn vermischten Kupfers,
also der Bronze, bekannt wurde und allmählig den Gebrauch der Steinwerk¬
zeuge für gewisse Zwecke verdrängte, während diese für andere noch im Ge¬
brauche blieben. — 3) Es kam dann eine Zeit, in der wieder die Bronze
ihrerseits von Eisen und Stahl abgelöst wurde; diese Periode währt bis
heute fort.

So ist die allgemein noch gültige Anschauung; doch liegt auf der Hand,
daß man bei der Annahme dieser Classification keinenfalls eine bestimmte
Chronologie mit in den Kauf zu nehmen hat oder um ein paar Hundert
oder gar Tausend Jahre herüber oder hinüber markten darf. Ebensowenig
darf man sich einbilden, daß durch ganz Mittel- oder Westeuropa gleichzeitig
überall das Stein- und dann das Bronzealter geherrscht habe. Der Zustand
der Civilisation war früher zwischen den einzelnen Ländern Europas noch weit
verschiedener, als heutzutage. Während der Serbe in der Herzegowina oder
Montenegro heute noch Wagen besitzt, an denen nicht ein Loth Eisen ver¬
wendet wurde, rollen wir auf Eisenbahnen dahin. Es müssen aber früher
noch schneidigere Unterschiede zwischen den einzelnen europäischen Völkern statt¬
gefunden haben, da der Verkehr ein weit beschränkterer als heute war und so
können wir uns recht gut vorstellen, daß z. B. in Italien schon die Eisenzeit
herrschte, während andere Länder Europas noch in der Bronzeperiode oder gar
in der Steinzeit steckten.

Nun läßt sich aber keineswegs annehmen, daß, wenn Bronze bei einem,
Volke in Gebrauch kam, sofort auch die Benutzung der Steingeräthe aufhörte
oder wenn das Eisen zur Verwendung gelangte, die Bronze gleich vollständig
bei Seite geworfen wurde. Im Gegentheil, beide werden immer noch eine
Zeit lang gemischt neben einander gebraucht worden sein, wie Segelschiffe


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[0302] Ueue Untersuchungen über die Steinzeit. Dänische Alterthumsforscher waren es, welche die heute allerdings nicht mehr mustergiltige, aber der Bequemlichkeit halber immer noch beibehaltene Eintheilung der vorhistorischen Zeit in Stein-, Bronze« und Eisenperiode durchführten. In Dänemark z. B. nahm man an, daß die Eisenperiode etwa bis zur Zeit der Geburt Christi zurückreiche, das Bronzealter noch ein oder zwei Tausend Jahre weiter rückwärts und was vor diesem lag. nannte man dann das Steinzeitalter. Die Anschauungen, welche dieser Eintheilung zu Grunde lagen, waren etwa folgende: 1) Es gab eine Zeit im westlichen und mittleren Europa, in welcher die Verwendung von Metallen für schneidende Werkzeuge jeglicher Art unbekannt war und der Mensch sich daher mit Stei¬ nen, Knochen, Holz oder andern Substanzen zur Herstellung seiner Geräthe und Waffen behelfen mußte. — 2) Dieser Periode folgte eine andere, in welcher der Gebrauch des Kupfers oder des mit Zinn vermischten Kupfers, also der Bronze, bekannt wurde und allmählig den Gebrauch der Steinwerk¬ zeuge für gewisse Zwecke verdrängte, während diese für andere noch im Ge¬ brauche blieben. — 3) Es kam dann eine Zeit, in der wieder die Bronze ihrerseits von Eisen und Stahl abgelöst wurde; diese Periode währt bis heute fort. So ist die allgemein noch gültige Anschauung; doch liegt auf der Hand, daß man bei der Annahme dieser Classification keinenfalls eine bestimmte Chronologie mit in den Kauf zu nehmen hat oder um ein paar Hundert oder gar Tausend Jahre herüber oder hinüber markten darf. Ebensowenig darf man sich einbilden, daß durch ganz Mittel- oder Westeuropa gleichzeitig überall das Stein- und dann das Bronzealter geherrscht habe. Der Zustand der Civilisation war früher zwischen den einzelnen Ländern Europas noch weit verschiedener, als heutzutage. Während der Serbe in der Herzegowina oder Montenegro heute noch Wagen besitzt, an denen nicht ein Loth Eisen ver¬ wendet wurde, rollen wir auf Eisenbahnen dahin. Es müssen aber früher noch schneidigere Unterschiede zwischen den einzelnen europäischen Völkern statt¬ gefunden haben, da der Verkehr ein weit beschränkterer als heute war und so können wir uns recht gut vorstellen, daß z. B. in Italien schon die Eisenzeit herrschte, während andere Länder Europas noch in der Bronzeperiode oder gar in der Steinzeit steckten. Nun läßt sich aber keineswegs annehmen, daß, wenn Bronze bei einem, Volke in Gebrauch kam, sofort auch die Benutzung der Steingeräthe aufhörte oder wenn das Eisen zur Verwendung gelangte, die Bronze gleich vollständig bei Seite geworfen wurde. Im Gegentheil, beide werden immer noch eine Zeit lang gemischt neben einander gebraucht worden sein, wie Segelschiffe

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_128453/302>, abgerufen am 28.06.2024.