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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band.

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bildung ihres Sinnes und Charakters streitet. Der Kampf gegen die jesui¬
tische Pädagogik, der Kampf gegen die Jesuiten ist eine Lebensaufgabe des
Protestantismus, In diesem Kampfe steht er nicht mehr allein. Katholische
und protestantische Regierungen stehen ihm zur Seite, und aus dem Schoße
der katholischen Kirche selbst ist eine Gemeinschaft hervorgegangen, die in die¬
sem Streite wenigstens mit dem Protestantismus Waffenbrüderschaft geschlossen
hat. In diesem Kampf kann uns der Sieg nicht fehlen, denn es wird um
die höchsten Güter der Menschheit gekämpft, um die Echtheit christlicher Fröm¬
migkeit, um die Wahrheit christlicher Gesinnung.




ZUM Tiefurter Journal. Nachtrag.
Von
C. A. H. Burkhardt.

Als wir zum ersten Male in unserm Aufsatze über das Tiefurter Jour¬
nal (Grenzboten 1871) den Versuch machten, die literarische Thätigkeit der
weimarischen Hofkreise festzustellen, in so weit sich dieselbe in jenem berühmten
Tiefurter Unternehmen abspiegelt, blieb in Mangel geeigneten Materials
unaufgeklärt, ob nicht auch die Herzogin Anna Amalia sich mit Beiträgen
für jenes Journal befaßt habe. Merkwürdiger Weise fand sich in ihrem be¬
deutenden literarischen Nachlasse, der reich an Excerpten aus ihrer Lectüre, an
Ausarbeitungen, Uebersetzungen aus dem Griechischen und Lateinischen, aus
dem Englischen und Italienischen sich erwies, kein Product, welches auf ihre
Theilnahme an jener Wochenschrift hindeuten konnte. Erst in den letzten
Tagen ist uns gelungen, einen Beitrag der Herzogin in der Urschrift zu
entdecken. Es ist der Aufsatz: Amor und Psyche, welcher in den Stücken Ur.
12 bis 21 sich wiederfindet. -- Bei näherer Untersuchung stellte sich heraus,
daß sie die bekannte Erzählung des Apulejus aus dem Italienischen des
Agnolo Firenzuola unter Wieland's Leitung übersetzte, der sie an vielen
Stellen verbesserte, Unwesentliches entfernte und mit kritischen Rand¬
bemerkungen versah, welche sich meist gegen die Vollkommenheit der Arbeit des
Firenzuola richteten. Haben wir mit der Auffindung dieses Beitrags einen
neuen Beleg für die Thätigkeit der Herzogin und Wieland's erhalten, so ist
derselbe für die Geschichte des Journals von um so größerm Interesse, weil
wir aus jenem sehen, mit welcher Rücksichtslosigkeit selbst die Arbeiten der
Herzogin für das Journal behandelt wurden, ehe sie abschriftlich in den
Curs gesetzt wurden. Wieland nahm keinen Anstand ganze Stellen der Ar-


bildung ihres Sinnes und Charakters streitet. Der Kampf gegen die jesui¬
tische Pädagogik, der Kampf gegen die Jesuiten ist eine Lebensaufgabe des
Protestantismus, In diesem Kampfe steht er nicht mehr allein. Katholische
und protestantische Regierungen stehen ihm zur Seite, und aus dem Schoße
der katholischen Kirche selbst ist eine Gemeinschaft hervorgegangen, die in die¬
sem Streite wenigstens mit dem Protestantismus Waffenbrüderschaft geschlossen
hat. In diesem Kampf kann uns der Sieg nicht fehlen, denn es wird um
die höchsten Güter der Menschheit gekämpft, um die Echtheit christlicher Fröm¬
migkeit, um die Wahrheit christlicher Gesinnung.




ZUM Tiefurter Journal. Nachtrag.
Von
C. A. H. Burkhardt.

Als wir zum ersten Male in unserm Aufsatze über das Tiefurter Jour¬
nal (Grenzboten 1871) den Versuch machten, die literarische Thätigkeit der
weimarischen Hofkreise festzustellen, in so weit sich dieselbe in jenem berühmten
Tiefurter Unternehmen abspiegelt, blieb in Mangel geeigneten Materials
unaufgeklärt, ob nicht auch die Herzogin Anna Amalia sich mit Beiträgen
für jenes Journal befaßt habe. Merkwürdiger Weise fand sich in ihrem be¬
deutenden literarischen Nachlasse, der reich an Excerpten aus ihrer Lectüre, an
Ausarbeitungen, Uebersetzungen aus dem Griechischen und Lateinischen, aus
dem Englischen und Italienischen sich erwies, kein Product, welches auf ihre
Theilnahme an jener Wochenschrift hindeuten konnte. Erst in den letzten
Tagen ist uns gelungen, einen Beitrag der Herzogin in der Urschrift zu
entdecken. Es ist der Aufsatz: Amor und Psyche, welcher in den Stücken Ur.
12 bis 21 sich wiederfindet. — Bei näherer Untersuchung stellte sich heraus,
daß sie die bekannte Erzählung des Apulejus aus dem Italienischen des
Agnolo Firenzuola unter Wieland's Leitung übersetzte, der sie an vielen
Stellen verbesserte, Unwesentliches entfernte und mit kritischen Rand¬
bemerkungen versah, welche sich meist gegen die Vollkommenheit der Arbeit des
Firenzuola richteten. Haben wir mit der Auffindung dieses Beitrags einen
neuen Beleg für die Thätigkeit der Herzogin und Wieland's erhalten, so ist
derselbe für die Geschichte des Journals von um so größerm Interesse, weil
wir aus jenem sehen, mit welcher Rücksichtslosigkeit selbst die Arbeiten der
Herzogin für das Journal behandelt wurden, ehe sie abschriftlich in den
Curs gesetzt wurden. Wieland nahm keinen Anstand ganze Stellen der Ar-


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[0269] bildung ihres Sinnes und Charakters streitet. Der Kampf gegen die jesui¬ tische Pädagogik, der Kampf gegen die Jesuiten ist eine Lebensaufgabe des Protestantismus, In diesem Kampfe steht er nicht mehr allein. Katholische und protestantische Regierungen stehen ihm zur Seite, und aus dem Schoße der katholischen Kirche selbst ist eine Gemeinschaft hervorgegangen, die in die¬ sem Streite wenigstens mit dem Protestantismus Waffenbrüderschaft geschlossen hat. In diesem Kampf kann uns der Sieg nicht fehlen, denn es wird um die höchsten Güter der Menschheit gekämpft, um die Echtheit christlicher Fröm¬ migkeit, um die Wahrheit christlicher Gesinnung. ZUM Tiefurter Journal. Nachtrag. Von C. A. H. Burkhardt. Als wir zum ersten Male in unserm Aufsatze über das Tiefurter Jour¬ nal (Grenzboten 1871) den Versuch machten, die literarische Thätigkeit der weimarischen Hofkreise festzustellen, in so weit sich dieselbe in jenem berühmten Tiefurter Unternehmen abspiegelt, blieb in Mangel geeigneten Materials unaufgeklärt, ob nicht auch die Herzogin Anna Amalia sich mit Beiträgen für jenes Journal befaßt habe. Merkwürdiger Weise fand sich in ihrem be¬ deutenden literarischen Nachlasse, der reich an Excerpten aus ihrer Lectüre, an Ausarbeitungen, Uebersetzungen aus dem Griechischen und Lateinischen, aus dem Englischen und Italienischen sich erwies, kein Product, welches auf ihre Theilnahme an jener Wochenschrift hindeuten konnte. Erst in den letzten Tagen ist uns gelungen, einen Beitrag der Herzogin in der Urschrift zu entdecken. Es ist der Aufsatz: Amor und Psyche, welcher in den Stücken Ur. 12 bis 21 sich wiederfindet. — Bei näherer Untersuchung stellte sich heraus, daß sie die bekannte Erzählung des Apulejus aus dem Italienischen des Agnolo Firenzuola unter Wieland's Leitung übersetzte, der sie an vielen Stellen verbesserte, Unwesentliches entfernte und mit kritischen Rand¬ bemerkungen versah, welche sich meist gegen die Vollkommenheit der Arbeit des Firenzuola richteten. Haben wir mit der Auffindung dieses Beitrags einen neuen Beleg für die Thätigkeit der Herzogin und Wieland's erhalten, so ist derselbe für die Geschichte des Journals von um so größerm Interesse, weil wir aus jenem sehen, mit welcher Rücksichtslosigkeit selbst die Arbeiten der Herzogin für das Journal behandelt wurden, ehe sie abschriftlich in den Curs gesetzt wurden. Wieland nahm keinen Anstand ganze Stellen der Ar-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395/269>, abgerufen am 22.07.2024.