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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band.

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Beide große Reformen, die des Zolltarifs sowohl als die des Zollver¬
fahrens, haben ihre Bedeutung auch für die von manchem so lebhaft ersehnte
und unzweifelhaft erstrebenswerthe Verlegung der Zollgrenze auf allen Punk¬
ten ohne Ausnahme an die Reichsgrenze, d. h. praktisch gesprochen sür die
Hereinziehung Hamburgs und Bremens in die allgemeine deutsche Zolllinie.
Das jetzige Zollverfahren ist auf den Massenverkehr dieser beiden Welthan¬
delsplätze schlechthin unanwendbar. Der bestehende Tarif mit seinen zahl¬
reichen Positionen und hohen Sätzen würde einen so beträchtlichen Theil ihres
Platzverkehrs in die Zollniederlage verweisen, daß eine tiefgehende Verletzung
ihres Geschäftsumsatzes zu Gunsten concurrirender auswärtiger Häfen kaum
ausbleiben könnte. Wer daher thatsächlich etwas thun will zur Verwischung
dieser letzten und relativ berechtigten Anomalie, der wirke für einen auf
wenige einträgliche Zölle zurückgeführten Tarif und ein den Erfordernissen
modernen Verkehrs entsprechendes Verfahren; anders geartete Versuche, zum
Ziel zu kommen, werden nur fruchtlos die Leidenschaften erregen und wahr¬
haft praktischer Reformthätigkeit in den Weg treten.

Neben diesen eigentlichen, sozusagen technischen Aufgaben hat das Zoll-
Parlament unzweifelhaft auch noch eine hohe politische Mission, die in der
öffentlichen Discussion, bei den Wahlen in Süddeutschland u. s. w. sogar in
den Vordergrund getreten ist. Allein dieselbe hängt, was ihre speciellere
Praktische Behandlung betrifft, eben völlig von der politischen Lage* ab. Sie
läßt sich nicht wohl auf Wochen im voraus und gewiß nicht ohne Anschlag
und Ueberblick der gesammten deutsch-europäischen Situation mit Nutzen be¬
sprechen. Was feststeht, ist nur, daß schon eine wohlbemessene und nicht zu
zaghafte Reform der Zollvereinsgesetzgebung, den Tarif eingeschlossen, die
wünschenswerte Wirkung haben wird, der neuen deutschen, Gesammtverfassung
das öffentliche Vertrauen zu gewinnen; daß also auch dann, wenn Erweite¬
rungen dieser Verfassung schon während der bevorstehenden ersten Session
ihrer Repräsentativorgane möglich sein sollten, eine glückliche Lösung der
Zollgesetzgebungsfragen immer hohe Bedeutung behalten wird.




Ein Schreiben des Freiherrn Georg von Vincke:
"Der hannoversche Provinzicilfonds und der preußische Landtag."

Was gibts denn hier so Hochgefährlichcs?
Ihr macht mir Meugier, näher hinzuschauen.

Nach der Heimkehr vom preußischen Landtage finde ich den Aufsatz glei¬
cher Ueberschrift in Heft 7 Ihrer Zeitschrift hier vor. Sie wollen einem


Beide große Reformen, die des Zolltarifs sowohl als die des Zollver¬
fahrens, haben ihre Bedeutung auch für die von manchem so lebhaft ersehnte
und unzweifelhaft erstrebenswerthe Verlegung der Zollgrenze auf allen Punk¬
ten ohne Ausnahme an die Reichsgrenze, d. h. praktisch gesprochen sür die
Hereinziehung Hamburgs und Bremens in die allgemeine deutsche Zolllinie.
Das jetzige Zollverfahren ist auf den Massenverkehr dieser beiden Welthan¬
delsplätze schlechthin unanwendbar. Der bestehende Tarif mit seinen zahl¬
reichen Positionen und hohen Sätzen würde einen so beträchtlichen Theil ihres
Platzverkehrs in die Zollniederlage verweisen, daß eine tiefgehende Verletzung
ihres Geschäftsumsatzes zu Gunsten concurrirender auswärtiger Häfen kaum
ausbleiben könnte. Wer daher thatsächlich etwas thun will zur Verwischung
dieser letzten und relativ berechtigten Anomalie, der wirke für einen auf
wenige einträgliche Zölle zurückgeführten Tarif und ein den Erfordernissen
modernen Verkehrs entsprechendes Verfahren; anders geartete Versuche, zum
Ziel zu kommen, werden nur fruchtlos die Leidenschaften erregen und wahr¬
haft praktischer Reformthätigkeit in den Weg treten.

Neben diesen eigentlichen, sozusagen technischen Aufgaben hat das Zoll-
Parlament unzweifelhaft auch noch eine hohe politische Mission, die in der
öffentlichen Discussion, bei den Wahlen in Süddeutschland u. s. w. sogar in
den Vordergrund getreten ist. Allein dieselbe hängt, was ihre speciellere
Praktische Behandlung betrifft, eben völlig von der politischen Lage* ab. Sie
läßt sich nicht wohl auf Wochen im voraus und gewiß nicht ohne Anschlag
und Ueberblick der gesammten deutsch-europäischen Situation mit Nutzen be¬
sprechen. Was feststeht, ist nur, daß schon eine wohlbemessene und nicht zu
zaghafte Reform der Zollvereinsgesetzgebung, den Tarif eingeschlossen, die
wünschenswerte Wirkung haben wird, der neuen deutschen, Gesammtverfassung
das öffentliche Vertrauen zu gewinnen; daß also auch dann, wenn Erweite¬
rungen dieser Verfassung schon während der bevorstehenden ersten Session
ihrer Repräsentativorgane möglich sein sollten, eine glückliche Lösung der
Zollgesetzgebungsfragen immer hohe Bedeutung behalten wird.




Ein Schreiben des Freiherrn Georg von Vincke:
„Der hannoversche Provinzicilfonds und der preußische Landtag."

Was gibts denn hier so Hochgefährlichcs?
Ihr macht mir Meugier, näher hinzuschauen.

Nach der Heimkehr vom preußischen Landtage finde ich den Aufsatz glei¬
cher Ueberschrift in Heft 7 Ihrer Zeitschrift hier vor. Sie wollen einem


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[0511] Beide große Reformen, die des Zolltarifs sowohl als die des Zollver¬ fahrens, haben ihre Bedeutung auch für die von manchem so lebhaft ersehnte und unzweifelhaft erstrebenswerthe Verlegung der Zollgrenze auf allen Punk¬ ten ohne Ausnahme an die Reichsgrenze, d. h. praktisch gesprochen sür die Hereinziehung Hamburgs und Bremens in die allgemeine deutsche Zolllinie. Das jetzige Zollverfahren ist auf den Massenverkehr dieser beiden Welthan¬ delsplätze schlechthin unanwendbar. Der bestehende Tarif mit seinen zahl¬ reichen Positionen und hohen Sätzen würde einen so beträchtlichen Theil ihres Platzverkehrs in die Zollniederlage verweisen, daß eine tiefgehende Verletzung ihres Geschäftsumsatzes zu Gunsten concurrirender auswärtiger Häfen kaum ausbleiben könnte. Wer daher thatsächlich etwas thun will zur Verwischung dieser letzten und relativ berechtigten Anomalie, der wirke für einen auf wenige einträgliche Zölle zurückgeführten Tarif und ein den Erfordernissen modernen Verkehrs entsprechendes Verfahren; anders geartete Versuche, zum Ziel zu kommen, werden nur fruchtlos die Leidenschaften erregen und wahr¬ haft praktischer Reformthätigkeit in den Weg treten. Neben diesen eigentlichen, sozusagen technischen Aufgaben hat das Zoll- Parlament unzweifelhaft auch noch eine hohe politische Mission, die in der öffentlichen Discussion, bei den Wahlen in Süddeutschland u. s. w. sogar in den Vordergrund getreten ist. Allein dieselbe hängt, was ihre speciellere Praktische Behandlung betrifft, eben völlig von der politischen Lage* ab. Sie läßt sich nicht wohl auf Wochen im voraus und gewiß nicht ohne Anschlag und Ueberblick der gesammten deutsch-europäischen Situation mit Nutzen be¬ sprechen. Was feststeht, ist nur, daß schon eine wohlbemessene und nicht zu zaghafte Reform der Zollvereinsgesetzgebung, den Tarif eingeschlossen, die wünschenswerte Wirkung haben wird, der neuen deutschen, Gesammtverfassung das öffentliche Vertrauen zu gewinnen; daß also auch dann, wenn Erweite¬ rungen dieser Verfassung schon während der bevorstehenden ersten Session ihrer Repräsentativorgane möglich sein sollten, eine glückliche Lösung der Zollgesetzgebungsfragen immer hohe Bedeutung behalten wird. Ein Schreiben des Freiherrn Georg von Vincke: „Der hannoversche Provinzicilfonds und der preußische Landtag." Was gibts denn hier so Hochgefährlichcs? Ihr macht mir Meugier, näher hinzuschauen. Nach der Heimkehr vom preußischen Landtage finde ich den Aufsatz glei¬ cher Ueberschrift in Heft 7 Ihrer Zeitschrift hier vor. Sie wollen einem

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_117005/511>, abgerufen am 29.06.2024.