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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band.

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Die Petrussagen.
2.

Eine der eigenthümlichsten Figuren der altchristlichen Sage ist der Magier
Simon. Man weiß, daß dieselbe auch in der Apostelgeschichte erscheint, freilich
in einer Gestalt, die ihre eigentliche Bedeutung kaum noch erkennen läßt. Erst
aus anderweitigen Angaben fällt ein volles Licht auf diese Figur, die durchaus
dem Kreis derselben Mythenbildungen angehört, deren Gegenstand die Apostel
Petrus und Paulus geworden sind.

Zufolge der Zerstreuung der Gemeinde nach dem Tod des Stefanus, so
erzählt die Apostelgeschichte, kam Philippus nach Samarien, dieses halbheidnische
Land, verrichtete Wunder und bekehrte Viele. Unter anderen einen gewissen
Simon, der Zauberei unter den Samaritanern getrieben, großen Einfluß auf
das Volk ausgeübt hatte und als eine große Gotteskraft angestaunt worden
war. Durch die Thaten des Philippus ließ er sich für das Evangelium ge-
winnen und nahm die Taufe an. Annahme der Taufe bedeutete aber noch nicht
die Mittheilung des heiligen Geistes. Als die in Jerusalem zurückgebliebenen
Apostel von den Erfolgen des Philippus hören, senden sie Petrus und Johannes
nach Samaria, welche den Neubekehrten durch Handauflegen den Geist mittheilen.
Den Simon verlangt es nun, derselben Macht theilhaftig zu werden, er möchte
gleich den Aposteln in den Stand gehest sein, durch Handauflegung den Geist
zu ertheilen, und er bietet zu diesem Zweck dem Petrus eine Summe Gelbes
an. Dieser aber dient ihm mit einer energischen Strafrede: verdammt seist du
mit deinem Gelde, daß du meinst Gottes Gabe erkaufen zu können. Simon
wird ermahnt, für seine Bosheit und Tücke Buße zu thun, und beschämt unter¬
wirft er sich den Aposteln und ruft deren Fürbitte für sich an. Bekanntlich ist
durch diese Erzählung Simon der Vater der "Simonie" geworden, des Mi߬
brauchs, das geistliche Amt durch Geld zu erkaufen.

Schon an sich spricht manches gegen den geschichtlichen Charakter dieser Erzäh¬
lung, abgesehen von den Wunderheilungen und Teufelsaustreibungen, durch welche
Philippus neben seiner Predigt wirkt. Auffallend ist namentlich die untergeordnete
Stellung, die ihm gegen die Apostel Petrus und Johannes zugetheilt ist. Nicht
als vollberechtigter Sendbote, sondern als ein Diakon tritt er auf; er predigt
wohl und tauft, aber die Gabe der Geistesmittheilung ist ihm versagt; diese ist
vielmehr als eine rein magische Handlung ausschließlich den Uraposteln vor¬
behalten. Offenbar ist dies ein Zug, der schon einer späteren Zeit angehört, in
welcher die Theorien von den apostolischen Vorrechten, von der Ordnung der
kirchlichen Aemter, von der magischen Wirkung der Handauflegung viel weiter


Die Petrussagen.
2.

Eine der eigenthümlichsten Figuren der altchristlichen Sage ist der Magier
Simon. Man weiß, daß dieselbe auch in der Apostelgeschichte erscheint, freilich
in einer Gestalt, die ihre eigentliche Bedeutung kaum noch erkennen läßt. Erst
aus anderweitigen Angaben fällt ein volles Licht auf diese Figur, die durchaus
dem Kreis derselben Mythenbildungen angehört, deren Gegenstand die Apostel
Petrus und Paulus geworden sind.

Zufolge der Zerstreuung der Gemeinde nach dem Tod des Stefanus, so
erzählt die Apostelgeschichte, kam Philippus nach Samarien, dieses halbheidnische
Land, verrichtete Wunder und bekehrte Viele. Unter anderen einen gewissen
Simon, der Zauberei unter den Samaritanern getrieben, großen Einfluß auf
das Volk ausgeübt hatte und als eine große Gotteskraft angestaunt worden
war. Durch die Thaten des Philippus ließ er sich für das Evangelium ge-
winnen und nahm die Taufe an. Annahme der Taufe bedeutete aber noch nicht
die Mittheilung des heiligen Geistes. Als die in Jerusalem zurückgebliebenen
Apostel von den Erfolgen des Philippus hören, senden sie Petrus und Johannes
nach Samaria, welche den Neubekehrten durch Handauflegen den Geist mittheilen.
Den Simon verlangt es nun, derselben Macht theilhaftig zu werden, er möchte
gleich den Aposteln in den Stand gehest sein, durch Handauflegung den Geist
zu ertheilen, und er bietet zu diesem Zweck dem Petrus eine Summe Gelbes
an. Dieser aber dient ihm mit einer energischen Strafrede: verdammt seist du
mit deinem Gelde, daß du meinst Gottes Gabe erkaufen zu können. Simon
wird ermahnt, für seine Bosheit und Tücke Buße zu thun, und beschämt unter¬
wirft er sich den Aposteln und ruft deren Fürbitte für sich an. Bekanntlich ist
durch diese Erzählung Simon der Vater der „Simonie" geworden, des Mi߬
brauchs, das geistliche Amt durch Geld zu erkaufen.

Schon an sich spricht manches gegen den geschichtlichen Charakter dieser Erzäh¬
lung, abgesehen von den Wunderheilungen und Teufelsaustreibungen, durch welche
Philippus neben seiner Predigt wirkt. Auffallend ist namentlich die untergeordnete
Stellung, die ihm gegen die Apostel Petrus und Johannes zugetheilt ist. Nicht
als vollberechtigter Sendbote, sondern als ein Diakon tritt er auf; er predigt
wohl und tauft, aber die Gabe der Geistesmittheilung ist ihm versagt; diese ist
vielmehr als eine rein magische Handlung ausschließlich den Uraposteln vor¬
behalten. Offenbar ist dies ein Zug, der schon einer späteren Zeit angehört, in
welcher die Theorien von den apostolischen Vorrechten, von der Ordnung der
kirchlichen Aemter, von der magischen Wirkung der Handauflegung viel weiter


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[0138] Die Petrussagen. 2. Eine der eigenthümlichsten Figuren der altchristlichen Sage ist der Magier Simon. Man weiß, daß dieselbe auch in der Apostelgeschichte erscheint, freilich in einer Gestalt, die ihre eigentliche Bedeutung kaum noch erkennen läßt. Erst aus anderweitigen Angaben fällt ein volles Licht auf diese Figur, die durchaus dem Kreis derselben Mythenbildungen angehört, deren Gegenstand die Apostel Petrus und Paulus geworden sind. Zufolge der Zerstreuung der Gemeinde nach dem Tod des Stefanus, so erzählt die Apostelgeschichte, kam Philippus nach Samarien, dieses halbheidnische Land, verrichtete Wunder und bekehrte Viele. Unter anderen einen gewissen Simon, der Zauberei unter den Samaritanern getrieben, großen Einfluß auf das Volk ausgeübt hatte und als eine große Gotteskraft angestaunt worden war. Durch die Thaten des Philippus ließ er sich für das Evangelium ge- winnen und nahm die Taufe an. Annahme der Taufe bedeutete aber noch nicht die Mittheilung des heiligen Geistes. Als die in Jerusalem zurückgebliebenen Apostel von den Erfolgen des Philippus hören, senden sie Petrus und Johannes nach Samaria, welche den Neubekehrten durch Handauflegen den Geist mittheilen. Den Simon verlangt es nun, derselben Macht theilhaftig zu werden, er möchte gleich den Aposteln in den Stand gehest sein, durch Handauflegung den Geist zu ertheilen, und er bietet zu diesem Zweck dem Petrus eine Summe Gelbes an. Dieser aber dient ihm mit einer energischen Strafrede: verdammt seist du mit deinem Gelde, daß du meinst Gottes Gabe erkaufen zu können. Simon wird ermahnt, für seine Bosheit und Tücke Buße zu thun, und beschämt unter¬ wirft er sich den Aposteln und ruft deren Fürbitte für sich an. Bekanntlich ist durch diese Erzählung Simon der Vater der „Simonie" geworden, des Mi߬ brauchs, das geistliche Amt durch Geld zu erkaufen. Schon an sich spricht manches gegen den geschichtlichen Charakter dieser Erzäh¬ lung, abgesehen von den Wunderheilungen und Teufelsaustreibungen, durch welche Philippus neben seiner Predigt wirkt. Auffallend ist namentlich die untergeordnete Stellung, die ihm gegen die Apostel Petrus und Johannes zugetheilt ist. Nicht als vollberechtigter Sendbote, sondern als ein Diakon tritt er auf; er predigt wohl und tauft, aber die Gabe der Geistesmittheilung ist ihm versagt; diese ist vielmehr als eine rein magische Handlung ausschließlich den Uraposteln vor¬ behalten. Offenbar ist dies ein Zug, der schon einer späteren Zeit angehört, in welcher die Theorien von den apostolischen Vorrechten, von der Ordnung der kirchlichen Aemter, von der magischen Wirkung der Handauflegung viel weiter

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_191229/138>, abgerufen am 15.01.2025.