Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band.Die Bildhauerkunst in Berlin. Wenn der Berliner von der Architektur und bildenden Kunst seiner Stadt In solchen Jrrgängen erging sich die Kunst des achtzehnten Jahrhunderts. Grenzboten. I. 1851. 46
Die Bildhauerkunst in Berlin. Wenn der Berliner von der Architektur und bildenden Kunst seiner Stadt In solchen Jrrgängen erging sich die Kunst des achtzehnten Jahrhunderts. Grenzboten. I. 1851. 46
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Die Bildhauerkunst in Berlin.
Wenn der Berliner von der Architektur und bildenden Kunst seiner Stadt
spricht, so beginnt er unfehlbar die Aufzählung der Kunsthelden seines Stammes
mit dem großen alten Häuptling S es inter. Erlauben Sie deßhalb auch mir, in
meiner Betrachtung der Berliner Sculptur von Schlüter anzufangen und die Gegen¬
sätze in der Kunst des achtzehnten Jahrhunderts in der kolossalen Reiterstatue des
großen Kurfürsten auf der laugen Brücke und in den beiden Standbildern der
Generäle Schwerin und Winterfeldt auf dem Wilhelmsplatze einander gegenüber
zu stellen. Alle drei Statuen sind im Charakter des Rococo gearbeitet, der
bronzene Sieger von Fehrbellin, wie die beiden marmornen Feldherren des sie¬
benjährigen Krieges. Aber was dort Hoheit und Großartigkeit war, wird hier
zur Kleinlichkeit und Komödie. Das römische Kostüm harmonirt mit der antiken
Nuhe, der selbstbewußten, in sich geschlossenen Heldengrvße, welche aus Haltung
und Blick des Kurfürsten sprechen, und nur die Allongenperrücke verräth dem
modernen Blicke die Seltsamkeit des Rococo. Viel ungeschickter ist die Vereini¬
gung des antiken und modernen Kostüms in den beiden Marmorstatuen, von de¬
nen die eine, der Generalfeldmarschall Schwerin, im Jahre 1771, die andere,
der Generallieutenant Winterfeldt, im Jahre 1777 aufgestellt wurden, während
die Aufstellung jener Reiterstatue bereits im Jahre 1703 erfolgt war. Bei allen
dreien fällt die Zeit der Ausführung in die kurz vorhergehenden Jahre. Die
Gestalt Schwerin's ist fein und zierlich gearbeitet, die Winterfeldt's dagegen
etwas plump; beide tragen, jener ans dem Harnisch, dieser ans der römischen
Toga, den schwarzen Adlerorden, und eine Perrücke deckt ihre Scheitel die an¬
tike Tracht, welche Arme und Beine nackt läßt, bekrönend, wogegen Sandalen
die Stelle der Stiefeletten zu vertreten haben.
In solchen Jrrgängen erging sich die Kunst des achtzehnten Jahrhunderts.
Die sogenannte klassische Poesie der Franzosen hatte das Alterthum zu einem
Grenzboten. I. 1851. 46
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