Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864.

Bild:
<< vorherige Seite

Schwiegervater desselben, der betagte Jntaphernes, der
Großvater jener Phädyme, welche wegen der Aegypterin
die Gunst des Königs verloren hatte, der Oberpriester
Oropastes, Krösus und hinter diesem Boges, der Eunu-
chenoberst. Zur Linken verweilten Bartja, dessen Hände
mit schweren Ketten gefesselt waren, Araspes, Darius,
Zopyros und Gyges. Jm Hintergrunde standen mehrere
hundert Würdenträger und Große.

Nach langem Schweigen erhob Kambyses seine Blicke,
ließ dieselben vernichtend auf dem gefesselten Jüngling
ruhn und sprach mit dumpfer Stimme: "Oberpriester, sage
uns, was den erwartet, der seinen Bruder betrügt, den
König entehrt und beleidigt und sein Herz mit schwarzen
Lügen verfinstert!"

Oropastes trat vor und antwortete: "Einen solchen
erwartet, sobald er überführt ist, ein qualvoller Tod in
dieser Welt und ein furchtbares Gericht auf der Brücke
Chinvat 100), denn ein solcher hat gegen die höchsten Gebote
gefrevelt und, indem er drei Verbrechen beging, jene Gunst
unsres Gesetzes verscherzt, die demjenigen, welcher nur
einmal sündigt, das Leben zu schenken gestattet 101)."

"So ist Bartja des Todes schuldig! Führt ihn fort,
ihr Wachen, und erdrosselt ihn! Führt ihn fort! Schweig
Elender, ich will Deine gleisnerische Stimme nie mehr
hören, nie mehr dieß lügnerische Auge sehn, welches Alles
mit buhlerischen Blicken betrügt und den Diws seinen Ur-
sprung verdankt. Fort, ihr Wachen!"

Der Hauptmann Bischen nahte, um den Befehl zu
vollstrecken; Krösus aber trat in diesem Augenblicke vor
den König, warf sich, den Estrich mit der Stirn berüh-
rend, zu Boden, erhob die Hände und sprach: "Jedes Jahr,
jeder Tag bringe Dir nichts als Glück, Auramazda spende

Schwiegervater deſſelben, der betagte Jntaphernes, der
Großvater jener Phädyme, welche wegen der Aegypterin
die Gunſt des Königs verloren hatte, der Oberprieſter
Oropaſtes, Kröſus und hinter dieſem Boges, der Eunu-
chenoberſt. Zur Linken verweilten Bartja, deſſen Hände
mit ſchweren Ketten gefeſſelt waren, Araspes, Darius,
Zopyros und Gyges. Jm Hintergrunde ſtanden mehrere
hundert Würdenträger und Große.

Nach langem Schweigen erhob Kambyſes ſeine Blicke,
ließ dieſelben vernichtend auf dem gefeſſelten Jüngling
ruhn und ſprach mit dumpfer Stimme: „Oberprieſter, ſage
uns, was den erwartet, der ſeinen Bruder betrügt, den
König entehrt und beleidigt und ſein Herz mit ſchwarzen
Lügen verfinſtert!“

Oropaſtes trat vor und antwortete: „Einen ſolchen
erwartet, ſobald er überführt iſt, ein qualvoller Tod in
dieſer Welt und ein furchtbares Gericht auf der Brücke
Chinvat 100), denn ein ſolcher hat gegen die höchſten Gebote
gefrevelt und, indem er drei Verbrechen beging, jene Gunſt
unſres Geſetzes verſcherzt, die demjenigen, welcher nur
einmal ſündigt, das Leben zu ſchenken geſtattet 101).“

„So iſt Bartja des Todes ſchuldig! Führt ihn fort,
ihr Wachen, und erdroſſelt ihn! Führt ihn fort! Schweig
Elender, ich will Deine gleisneriſche Stimme nie mehr
hören, nie mehr dieß lügneriſche Auge ſehn, welches Alles
mit buhleriſchen Blicken betrügt und den Diws ſeinen Ur-
ſprung verdankt. Fort, ihr Wachen!“

Der Hauptmann Biſchen nahte, um den Befehl zu
vollſtrecken; Kröſus aber trat in dieſem Augenblicke vor
den König, warf ſich, den Eſtrich mit der Stirn berüh-
rend, zu Boden, erhob die Hände und ſprach: „Jedes Jahr,
jeder Tag bringe Dir nichts als Glück, Auramazda ſpende

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0161" n="159"/>
Schwiegervater de&#x017F;&#x017F;elben, der betagte Jntaphernes, der<lb/>
Großvater jener Phädyme, welche wegen der Aegypterin<lb/>
die Gun&#x017F;t des Königs verloren hatte, der Oberprie&#x017F;ter<lb/>
Oropa&#x017F;tes, Krö&#x017F;us und hinter die&#x017F;em Boges, der Eunu-<lb/>
chenober&#x017F;t. Zur Linken verweilten Bartja, de&#x017F;&#x017F;en Hände<lb/>
mit &#x017F;chweren Ketten gefe&#x017F;&#x017F;elt waren, Araspes, Darius,<lb/>
Zopyros und Gyges. Jm Hintergrunde &#x017F;tanden mehrere<lb/>
hundert Würdenträger und Große.</p><lb/>
        <p>Nach langem Schweigen erhob Kamby&#x017F;es &#x017F;eine Blicke,<lb/>
ließ die&#x017F;elben vernichtend auf dem gefe&#x017F;&#x017F;elten Jüngling<lb/>
ruhn und &#x017F;prach mit dumpfer Stimme: &#x201E;Oberprie&#x017F;ter, &#x017F;age<lb/>
uns, was den erwartet, der &#x017F;einen Bruder betrügt, den<lb/>
König entehrt und beleidigt und &#x017F;ein Herz mit &#x017F;chwarzen<lb/>
Lügen verfin&#x017F;tert!&#x201C;</p><lb/>
        <p>Oropa&#x017F;tes trat vor und antwortete: &#x201E;Einen &#x017F;olchen<lb/>
erwartet, &#x017F;obald er überführt i&#x017F;t, ein qualvoller Tod in<lb/>
die&#x017F;er Welt und ein furchtbares Gericht auf der Brücke<lb/>
Chinvat <hi rendition="#sup">100</hi>), denn ein &#x017F;olcher hat gegen die höch&#x017F;ten Gebote<lb/>
gefrevelt und, indem er drei Verbrechen beging, jene Gun&#x017F;t<lb/>
un&#x017F;res Ge&#x017F;etzes ver&#x017F;cherzt, die demjenigen, welcher nur<lb/>
einmal &#x017F;ündigt, das Leben zu &#x017F;chenken ge&#x017F;tattet <hi rendition="#sup">101</hi>).&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;So i&#x017F;t Bartja des Todes &#x017F;chuldig! Führt ihn fort,<lb/>
ihr Wachen, und erdro&#x017F;&#x017F;elt ihn! Führt ihn fort! Schweig<lb/>
Elender, ich will Deine gleisneri&#x017F;che Stimme nie mehr<lb/>
hören, nie mehr dieß lügneri&#x017F;che Auge &#x017F;ehn, welches Alles<lb/>
mit buhleri&#x017F;chen Blicken betrügt und den Diws &#x017F;einen Ur-<lb/>
&#x017F;prung verdankt. Fort, ihr Wachen!&#x201C;</p><lb/>
        <p>Der Hauptmann Bi&#x017F;chen nahte, um den Befehl zu<lb/>
voll&#x017F;trecken; Krö&#x017F;us aber trat in die&#x017F;em Augenblicke vor<lb/>
den König, warf &#x017F;ich, den E&#x017F;trich mit der Stirn berüh-<lb/>
rend, zu Boden, erhob die Hände und &#x017F;prach: &#x201E;Jedes Jahr,<lb/>
jeder Tag bringe Dir nichts als Glück, Auramazda &#x017F;pende<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[159/0161] Schwiegervater deſſelben, der betagte Jntaphernes, der Großvater jener Phädyme, welche wegen der Aegypterin die Gunſt des Königs verloren hatte, der Oberprieſter Oropaſtes, Kröſus und hinter dieſem Boges, der Eunu- chenoberſt. Zur Linken verweilten Bartja, deſſen Hände mit ſchweren Ketten gefeſſelt waren, Araspes, Darius, Zopyros und Gyges. Jm Hintergrunde ſtanden mehrere hundert Würdenträger und Große. Nach langem Schweigen erhob Kambyſes ſeine Blicke, ließ dieſelben vernichtend auf dem gefeſſelten Jüngling ruhn und ſprach mit dumpfer Stimme: „Oberprieſter, ſage uns, was den erwartet, der ſeinen Bruder betrügt, den König entehrt und beleidigt und ſein Herz mit ſchwarzen Lügen verfinſtert!“ Oropaſtes trat vor und antwortete: „Einen ſolchen erwartet, ſobald er überführt iſt, ein qualvoller Tod in dieſer Welt und ein furchtbares Gericht auf der Brücke Chinvat 100), denn ein ſolcher hat gegen die höchſten Gebote gefrevelt und, indem er drei Verbrechen beging, jene Gunſt unſres Geſetzes verſcherzt, die demjenigen, welcher nur einmal ſündigt, das Leben zu ſchenken geſtattet 101).“ „So iſt Bartja des Todes ſchuldig! Führt ihn fort, ihr Wachen, und erdroſſelt ihn! Führt ihn fort! Schweig Elender, ich will Deine gleisneriſche Stimme nie mehr hören, nie mehr dieß lügneriſche Auge ſehn, welches Alles mit buhleriſchen Blicken betrügt und den Diws ſeinen Ur- ſprung verdankt. Fort, ihr Wachen!“ Der Hauptmann Biſchen nahte, um den Befehl zu vollſtrecken; Kröſus aber trat in dieſem Augenblicke vor den König, warf ſich, den Eſtrich mit der Stirn berüh- rend, zu Boden, erhob die Hände und ſprach: „Jedes Jahr, jeder Tag bringe Dir nichts als Glück, Auramazda ſpende

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter02_1864
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter02_1864/161
Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter02_1864/161>, abgerufen am 26.04.2024.