Th. IV. Sect. III. Num. XIV. Hamburgischer Streit mit dem Ministerio.
[Spaltenumbruch]nior still. Darauff sagte Volsch: Als zum exempel/ Jhr Excell. neulichst ward gegen mir gesagt: Daß Herr D. Müller gerne leise überhin gehet/ sahe man unlängst daraus/ daß da er den rath Jetro, Moysi gegeben/ erklärete/ nur bloß Requisita Eligendorum an- führete/ nicht aber wie solcher leute wahl gar genau und in der furcht GOttes behutsam vorzunehmen. Darauff D. Müller: Solt ich öl ins feur giessen? Darauff Volsch: Man höret gleichwol/ Jhr Excell. daß es wun- derlich zugehen soll. Darauff der Hr. Senior: Wenn Hans/ Kethe/ Lene sagen: Der hat so viel Geld genommen/ solt ich das auff die can- tzel bringen? Das sage ich nicht/ sprach M. Volsch/ entschuldigte sich dar auff nochmahls auffs fleissigste/ ihm doch nichts zu verar- gen/ weil alles wolmeynentlich aus kindli- chem hertzen wäre geflossen/ und er gedrun- gen worden/ sein hertz hievon einmahl aus- zuleeren.
§. 10.
So hat auch zu diesen erinnerungen/ fuhr Volsch fort/ Jhr Excell. durch ihre eigene Predigten mir anlaß gegeben/ in dem sie in ei- ner Predigt erwehnet: zur zeit Lutheri/ wenn die Lehre verdorben gewest/ da hätte GOtt Lutherum tanquam reformatorem doctrinae ge- sandt; nunmehr wäre das leben gantz verdor- ben/ wäre also zu wünschen/ daß GOtt möchte einen schicken/ tanquam reformatorem vitae. Welches ich bald darauff Christlichen hertzen erzehlete/ daß der Herr Doctor also gepredi- get/ und also dadurch zuverstehen gegeben/ wie ers vor seine person vielleicht wol gut mei- nete mit auffrichtung des verfallenen Chri- stenthumbs. Darauff mir nicht uneben ge- antwortet ward; der Herr D. Müller mit sei- nen Herren Collegen könte und solte durch GOttes gnade selbst vitam Christianorum nach äusserstem fleiß reformiren. Darauff der Herr Senior: Jch sehe nicht/ was wir mehr thun solten/ als wir thun.
§. 11.
Hierauff sagte Volsch ferner: Noch ein- mahl führte Jhr Excell. merckliche worte in einer Predigt am vergangenen S. Johannis- Tage/ also sprechende: Es sind viele gottse- lige gelehrte Leute/ welche sehr klagen über das verfallene Christenthumb/ auch heylsame mittel vorgeschlagen/ wie solches durch GOt- tes gnade wieder auffzurichten. Jch meines theils/ sprach Jhr Excell. in selbiger Predigt/ achte es fürs rathsamste zu seyn/ daß mans mit der jugend in den schulen und häusern recht vornehme/ und sie auffs beste zur wahren GOttesfurcht brächte. Das wäre wol/ sprach Volsch/ unter andern ein sehr gutes mittel/ wann es nur in der that in acht genommen würde. Da sprach D. Müller: Wird die Jugend nicht in unsern schulen zur gottselig- keit gewehnet? Da sprach Volsch: Jch habe in der schul (leyder!) keine fundamenta pietatis geleget/ zu dem wissens die umbwohnenden an S. Johannis Schul gar wol/ was vor [Spaltenumbruch]
frömmigkeit die Knaben an ihnen mercken lassen/ wenn sie aus der Schule kommen. Uber das sind auch viele in der Stadt/ die da schulen anfangen und doch selbst nicht wis- sen/ was rechte gottseligkeit sey/ und das wahre Christenthumb erfordere. Darauff der Herr Senior: Jch bin manchmahl deß- wegen nach der schulen zugegangen/ auch wol in Neumanns buchladen gestanden/ umb den jungen eine furcht beyzubringen/ die auch/ wann sie mich sehen/ still sind. Jch kan aber nicht allezeit nach der schulen lauffen/ und al- lein darauff warten/ denn ich habe noch mehr zu thun. Was anlanget/ sprach der Herr Se- nior ferner/ daß der Herr sagte/ wie viele leu- te/ so da schulen anfiengen/ selbst nicht verstün- den/ was rechte gottseligkeit sey/ und das wah- re Christenthumb erfordere; darauff soll er wissen/ daß niemand de jure eine schule an- fangen muß/ der nicht von mir examiniret/ und also einen schein von mir bekommen. Wiewohl viel de facto sich hin und wieder se- tzen/ und unangemeldet schulen anfangen/ welches ich in dieser grossen Stadt allenthal- ben nicht wehren kan/ zumahl die Obrigkeit hierinn zu conniviren pfleget.
§. 12.
Hier ist auch endlich wol zu mercken/ daß der Herr Senior zu M. Volschen in diesem Privat-Gespräch gesagt: Alles was der Herr erinnert/ gehet mich nicht allein/ sondern das gantze Ministerium an/ derowegen so es der Herr begehret/ daß ichs demselben vortrage/ und man ihn gegenwärtig darüber höre/ wil ich dasselbe thun. Dar auff antwortete Volsch: Das wäre unser aller hertzliches ersuchen/ daß wir möchten von dem gantzen Ministerio gehö- ret/ und unser vornehmen Christlich examini- ret werden. Darauff ist M. Volsch mit aller ehrerbietung und freundlichkeit von dem Hn. Seniore gegangen mit nochmahls angehengter bitte/ ihme doch ja nichts zu verargen/ sondern alles im besten zu vermercken/ sintemahl es von ihm alles Christlich und wol gemeinet.
S. D. G. Copia Literarum D. Petri Ha- berkorn Prof. P. Giessensis ad J. C. Holz- hausen exaratarum. I. Adquaestionem propositam.
An quivis fidelis teneatur Christianum alium cujuscunque sexus, aetatis & dignitatis, cum quo consuetudinem antea non habuerit, mo- desta correptione de peccato quocunque, e. g. abusu nominis Jesu velDei, de juramento levi, execreatione, superbia in vestibus &c. scur- rilibus sermonibus &c. admonere, si fidelis ille tale peccatum vel in templo, vel in platea, foro, curia, aedibus &c. admitti videat? Re- spondeo.
I. Omnino quemlibet Christianum vi mandati divini teneri, ut proximum [fremdsprachliches Material - Zeichen fehlt]- [fremdsprachliches Material - Zeichen fehlt] viventem reprehendat, & monitio
fideli
Th. IV. Sect. III. Num. XIV. Hamburgiſcher Streit mit dem Miniſterio.
[Spaltenumbruch]nior ſtill. Darauff ſagte Volſch: Als zum exempel/ Jhr Excell. neulichſt ward gegen mir geſagt: Daß Herꝛ D. Muͤller gerne leiſe uͤberhin gehet/ ſahe man unlaͤngſt daraus/ daß da er den rath Jetro, Moyſi gegeben/ erklaͤrete/ nur bloß Requiſita Eligendorum an- fuͤhrete/ nicht aber wie ſolcher leute wahl gar genau und in der furcht GOttes behutſam vorzunehmen. Darauff D. Muͤller: Solt ich oͤl ins feur gieſſen? Darauff Volſch: Man hoͤret gleichwol/ Jhr Excell. daß es wun- derlich zugehen ſoll. Darauff der Hr. Senior: Wenn Hans/ Kethe/ Lene ſagen: Der hat ſo viel Geld genommen/ ſolt ich das auff die can- tzel bringen? Das ſage ich nicht/ ſprach M. Volſch/ entſchuldigte ſich dar auff nochmahls auffs fleiſſigſte/ ihm doch nichts zu verar- gen/ weil alles wolmeynentlich aus kindli- chem hertzen waͤre gefloſſen/ und er gedrun- gen worden/ ſein hertz hievon einmahl aus- zuleeren.
§. 10.
So hat auch zu dieſen erinnerungen/ fuhr Volſch fort/ Jhr Excell. durch ihre eigene Predigten mir anlaß gegeben/ in dem ſie in ei- ner Predigt erwehnet: zur zeit Lutheri/ wenn die Lehre verdorben geweſt/ da haͤtte GOtt Lutherum tanquam reformatorem doctrinæ ge- ſandt; nunmehr waͤre das leben gantz verdor- ben/ waͤre alſo zu wuͤnſchen/ daß GOtt moͤchte einen ſchicken/ tanquam reformatorem vitæ. Welches ich bald darauff Chriſtlichen hertzen erzehlete/ daß der Herꝛ Doctor alſo gepredi- get/ und alſo dadurch zuverſtehen gegeben/ wie ers vor ſeine perſon vielleicht wol gut mei- nete mit auffrichtung des verfallenen Chri- ſtenthumbs. Darauff mir nicht uneben ge- antwortet ward; der Herꝛ D. Muͤller mit ſei- nen Herren Collegen koͤnte und ſolte durch GOttes gnade ſelbſt vitam Chriſtianorum nach aͤuſſerſtem fleiß reformiren. Darauff der Herꝛ Senior: Jch ſehe nicht/ was wir mehr thun ſolten/ als wir thun.
§. 11.
Hierauff ſagte Volſch ferner: Noch ein- mahl fuͤhrte Jhr Excell. merckliche worte in einer Predigt am vergangenen S. Johannis- Tage/ alſo ſprechende: Es ſind viele gottſe- lige gelehrte Leute/ welche ſehr klagen uͤber das verfallene Chriſtenthumb/ auch heylſame mittel vorgeſchlagen/ wie ſolches durch GOt- tes gnade wieder auffzurichten. Jch meines theils/ ſprach Jhr Excell. in ſelbiger Predigt/ achte es fuͤrs rathſamſte zu ſeyn/ daß mans mit der jugend in den ſchulen und haͤuſern recht vornehme/ und ſie auffs beſte zur wahren GOttesfurcht braͤchte. Das waͤre wol/ ſprach Volſch/ unter andern ein ſehr gutes mittel/ wann es nur in der that in acht genommen wuͤrde. Da ſprach D. Muͤller: Wird die Jugend nicht in unſern ſchulen zur gottſelig- keit gewehnet? Da ſprach Volſch: Jch habe in der ſchul (leyder!) keine fundamenta pietatis geleget/ zu dem wiſſens die umbwohnenden an S. Johannis Schul gar wol/ was vor [Spaltenumbruch]
froͤmmigkeit die Knaben an ihnen mercken laſſen/ wenn ſie aus der Schule kommen. Uber das ſind auch viele in der Stadt/ die da ſchulen anfangen und doch ſelbſt nicht wiſ- ſen/ was rechte gottſeligkeit ſey/ und das wahre Chriſtenthumb erfordere. Darauff der Herꝛ Senior: Jch bin manchmahl deß- wegen nach der ſchulen zugegangen/ auch wol in Neumanns buchladen geſtanden/ umb den jungen eine furcht beyzubringen/ die auch/ wann ſie mich ſehen/ ſtill ſind. Jch kan aber nicht allezeit nach der ſchulen lauffen/ und al- lein darauff warten/ denn ich habe noch mehr zu thun. Was anlanget/ ſprach der Herꝛ Se- nior ferner/ daß der Herꝛ ſagte/ wie viele leu- te/ ſo da ſchulen anfiengen/ ſelbſt nicht verſtuͤn- den/ was rechte gottſeligkeit ſey/ und das wah- re Chriſtenthumb erfordere; darauff ſoll er wiſſen/ daß niemand de jure eine ſchule an- fangen muß/ der nicht von mir examiniret/ und alſo einen ſchein von mir bekommen. Wiewohl viel de facto ſich hin und wieder ſe- tzen/ und unangemeldet ſchulen anfangen/ welches ich in dieſer groſſen Stadt allenthal- ben nicht wehren kan/ zumahl die Obrigkeit hierinn zu conniviren pfleget.
§. 12.
Hier iſt auch endlich wol zu mercken/ daß der Herꝛ Senior zu M. Volſchen in dieſem Privat-Geſpraͤch geſagt: Alles was der Herꝛ erinnert/ gehet mich nicht allein/ ſondern das gantze Miniſterium an/ derowegen ſo es der Herꝛ begehret/ daß ichs demſelben vortrage/ und man ihn gegenwaͤrtig daruͤber hoͤre/ wil ich daſſelbe thun. Dar auff antwortete Volſch: Das waͤre unſer aller hertzliches erſuchen/ daß wir moͤchten von dem gantzen Miniſterio gehoͤ- ret/ und unſer vornehmen Chriſtlich examini- ret werden. Darauff iſt M. Volſch mit aller ehrerbietung und freundlichkeit von dem Hn. Seniore gegangen mit nochmahls angehengter bitte/ ihme doch ja nichts zu verargen/ ſondern alles im beſten zu vermercken/ ſintemahl es von ihm alles Chriſtlich und wol gemeinet.
S. D. G. Copia Literarum D. Petri Ha- berkorn Prof. P. Gieſſenſis ad J. C. Holz- hauſen exaratarum. I. Adquæſtionem propoſitam.
An quivis fidelis teneatur Chriſtianum alium cujuscunque ſexus, ætatis & dignitatis, cum quo conſuetudinem antea non habuerit, mo- deſta correptione de peccato quocunque, e. g. abuſu nominis Jeſu velDei, de juramento levi, execreatione, ſuperbia in veſtibus &c. ſcur- rilibus ſermonibus &c. admonere, ſi fidelis ille tale peccatum vel in templo, vel in plateâ, foro, curiâ, ædibus &c. admitti videat? Re- ſpondeo.
I. Omnino quemlibet Chriſtianum vi mandati divini teneri, ut proximum [fremdsprachliches Material – Zeichen fehlt]- [fremdsprachliches Material – Zeichen fehlt] viventem reprehendat, & monitio
fideli
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[678/0986]
Th. IV. Sect. III. Num. XIV. Hamburgiſcher Streit mit dem Miniſterio.
nior ſtill. Darauff ſagte Volſch: Als zum
exempel/ Jhr Excell. neulichſt ward gegen
mir geſagt: Daß Herꝛ D. Muͤller gerne leiſe
uͤberhin gehet/ ſahe man unlaͤngſt daraus/
daß da er den rath Jetro, Moyſi gegeben/
erklaͤrete/ nur bloß Requiſita Eligendorum an-
fuͤhrete/ nicht aber wie ſolcher leute wahl gar
genau und in der furcht GOttes behutſam
vorzunehmen. Darauff D. Muͤller: Solt
ich oͤl ins feur gieſſen? Darauff Volſch:
Man hoͤret gleichwol/ Jhr Excell. daß es wun-
derlich zugehen ſoll. Darauff der Hr. Senior:
Wenn Hans/ Kethe/ Lene ſagen: Der hat ſo
viel Geld genommen/ ſolt ich das auff die can-
tzel bringen? Das ſage ich nicht/ ſprach M.
Volſch/ entſchuldigte ſich dar auff nochmahls
auffs fleiſſigſte/ ihm doch nichts zu verar-
gen/ weil alles wolmeynentlich aus kindli-
chem hertzen waͤre gefloſſen/ und er gedrun-
gen worden/ ſein hertz hievon einmahl aus-
zuleeren.
§. 10.
So hat auch zu dieſen erinnerungen/ fuhr
Volſch fort/ Jhr Excell. durch ihre eigene
Predigten mir anlaß gegeben/ in dem ſie in ei-
ner Predigt erwehnet: zur zeit Lutheri/ wenn
die Lehre verdorben geweſt/ da haͤtte GOtt
Lutherum tanquam reformatorem doctrinæ ge-
ſandt; nunmehr waͤre das leben gantz verdor-
ben/ waͤre alſo zu wuͤnſchen/ daß GOtt moͤchte
einen ſchicken/ tanquam reformatorem vitæ.
Welches ich bald darauff Chriſtlichen hertzen
erzehlete/ daß der Herꝛ Doctor alſo gepredi-
get/ und alſo dadurch zuverſtehen gegeben/
wie ers vor ſeine perſon vielleicht wol gut mei-
nete mit auffrichtung des verfallenen Chri-
ſtenthumbs. Darauff mir nicht uneben ge-
antwortet ward; der Herꝛ D. Muͤller mit ſei-
nen Herren Collegen koͤnte und ſolte durch
GOttes gnade ſelbſt vitam Chriſtianorum
nach aͤuſſerſtem fleiß reformiren. Darauff
der Herꝛ Senior: Jch ſehe nicht/ was wir
mehr thun ſolten/ als wir thun.
§. 11.
Hierauff ſagte Volſch ferner: Noch ein-
mahl fuͤhrte Jhr Excell. merckliche worte in
einer Predigt am vergangenen S. Johannis-
Tage/ alſo ſprechende: Es ſind viele gottſe-
lige gelehrte Leute/ welche ſehr klagen uͤber
das verfallene Chriſtenthumb/ auch heylſame
mittel vorgeſchlagen/ wie ſolches durch GOt-
tes gnade wieder auffzurichten. Jch meines
theils/ ſprach Jhr Excell. in ſelbiger Predigt/
achte es fuͤrs rathſamſte zu ſeyn/ daß mans mit
der jugend in den ſchulen und haͤuſern recht
vornehme/ und ſie auffs beſte zur wahren
GOttesfurcht braͤchte. Das waͤre wol/ ſprach
Volſch/ unter andern ein ſehr gutes mittel/
wann es nur in der that in acht genommen
wuͤrde. Da ſprach D. Muͤller: Wird die
Jugend nicht in unſern ſchulen zur gottſelig-
keit gewehnet? Da ſprach Volſch: Jch habe
in der ſchul (leyder!) keine fundamenta pietatis
geleget/ zu dem wiſſens die umbwohnenden
an S. Johannis Schul gar wol/ was vor
froͤmmigkeit die Knaben an ihnen mercken
laſſen/ wenn ſie aus der Schule kommen.
Uber das ſind auch viele in der Stadt/ die da
ſchulen anfangen und doch ſelbſt nicht wiſ-
ſen/ was rechte gottſeligkeit ſey/ und das
wahre Chriſtenthumb erfordere. Darauff
der Herꝛ Senior: Jch bin manchmahl deß-
wegen nach der ſchulen zugegangen/ auch wol
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jungen eine furcht beyzubringen/ die auch/
wann ſie mich ſehen/ ſtill ſind. Jch kan aber
nicht allezeit nach der ſchulen lauffen/ und al-
lein darauff warten/ denn ich habe noch mehr
zu thun. Was anlanget/ ſprach der Herꝛ Se-
nior ferner/ daß der Herꝛ ſagte/ wie viele leu-
te/ ſo da ſchulen anfiengen/ ſelbſt nicht verſtuͤn-
den/ was rechte gottſeligkeit ſey/ und das wah-
re Chriſtenthumb erfordere; darauff ſoll
er wiſſen/ daß niemand de jure eine ſchule an-
fangen muß/ der nicht von mir examiniret/
und alſo einen ſchein von mir bekommen.
Wiewohl viel de facto ſich hin und wieder ſe-
tzen/ und unangemeldet ſchulen anfangen/
welches ich in dieſer groſſen Stadt allenthal-
ben nicht wehren kan/ zumahl die Obrigkeit
hierinn zu conniviren pfleget.
§. 12.
Hier iſt auch endlich wol zu mercken/
daß der Herꝛ Senior zu M. Volſchen in dieſem
Privat-Geſpraͤch geſagt: Alles was der Herꝛ
erinnert/ gehet mich nicht allein/ ſondern das
gantze Miniſterium an/ derowegen ſo es der
Herꝛ begehret/ daß ichs demſelben vortrage/
und man ihn gegenwaͤrtig daruͤber hoͤre/ wil
ich daſſelbe thun. Dar auff antwortete Volſch:
Das waͤre unſer aller hertzliches erſuchen/ daß
wir moͤchten von dem gantzen Miniſterio gehoͤ-
ret/ und unſer vornehmen Chriſtlich examini-
ret werden. Darauff iſt M. Volſch mit aller
ehrerbietung und freundlichkeit von dem Hn.
Seniore gegangen mit nochmahls angehengter
bitte/ ihme doch ja nichts zu verargen/ ſondern
alles im beſten zu vermercken/ ſintemahl es
von ihm alles Chriſtlich und wol gemeinet.
S. D. G.
Copia Literarum D. Petri Ha-
berkorn Prof. P. Gieſſenſis ad J. C. Holz-
hauſen exaratarum.
I. Adquæſtionem propoſitam.
An quivis fidelis teneatur Chriſtianum alium
cujuscunque ſexus, ætatis & dignitatis, cum
quo conſuetudinem antea non habuerit, mo-
deſta correptione de peccato quocunque, e. g.
abuſu nominis Jeſu velDei, de juramento levi,
execreatione, ſuperbia in veſtibus &c. ſcur-
rilibus ſermonibus &c. admonere, ſi fidelis
ille tale peccatum vel in templo, vel in plateâ,
foro, curiâ, ædibus &c. admitti videat? Re-
ſpondeo.
I. Omnino quemlibet Chriſtianum vi
mandati divini teneri, ut proximum _ -
_ viventem reprehendat, & monitio
fideli
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Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700, S. 678. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnold_ketzerhistorie02_1700/986>, abgerufen am 20.11.2024.
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